Motorradkontrollen der Polizei am Sylvenstein: „Sobald wir auftauchen, ist alles ruhig“
Nach einer Reihe von Motorradunfällen – darunter zwei tödliche – ist die Polizei derzeit verstärkt am Sylvensteinsee unterwegs. Das löst aber das Problem nur bedingt.
Lenggries – Bereits zwei tote Motorradfahrer gibt es in dieser Saison auf den Straßen rund um den Sylvensteinsee zu beklagen. Ein 22-jähriger Österreicher verlor Anfang April nach einem missglückten Überholmanöver auf der B307 sein Leben. Am vorvergangenen Freitag kam ein Berliner (30) mit seiner Maschine von der Töl24 ab und prallte gegen einen Baum. Andere missbrauchen die Straßen am Stausee als Rennstrecke. Die Polizei Bad Tölz versucht, durch verstärkte Präsenz dem Problem Herr zu werden – stößt dabei aber immer wieder an Grenzen.
Katz-und-Maus-Spiel mit High-Risk-Fahrern
Der Sylvenstein sei derzeit der Kontroll-Schwerpunkt, sagt der Tölzer Inspektionsleiter Johannes Kufner. Dreimal pro Woche werde im Moment mithilfe der Bereitschaftspolizei kontrolliert. „Das heißt, dann sind da sieben oder acht Streifenwagen unterwegs, die das Gebiet abfahren“, ergänzt Polizei-Verkehrsexperte Lars Werner. Das mache schon Eindruck – allerdings eben nur solange, bis die Polizei wieder abzieht. Gerade die Hoch-Risiko-Fahrer seien über soziale Medien bestens vernetzt. „Sobald wir auftauchen, sind die weg und alles ist ruhig. Es ist ein Katz-und-Maus-Spiel“, sagt Kufner.
Der Sylvenstein ist ein Schwerpunkt, aber nicht die einzige Aufgabe
Die Unterstützung der Bereitschaftspolizei ermöglicht es, dass die Kontrollen derzeit sehr engmaschig ausfallen. „Wir dürfen aber auch unsere anderen Aufgaben nicht vernachlässigen“, sagt der Tölzer Polizeichef. Denn natürlich sei der Sylvenstein ein Schwerpunkt, aber eben auch nicht der einzige im südlichen Landkreis. Gerade an schönen Tagen ist es ein Dilemma. Es ist die Zeit, in der viele Motorradfahrer unterwegs sind, deshalb fast im Minutentakt Beschwerden der lärmgeplagten Anwohner an der B13 bei der Polizei eingehen, aber auch sonst oft viele Einsätze zu bewältigen sind. Werner kann sich an diverse Fahrten erinnern, an denen er zum Lasern auf dem halbstündigen Weg zum Sylvenstein war, dann aber umkehren musste, weil die Polizei an anderer Stelle dringender gebraucht wurde. Vor allem, wenn die Rückkehr schnell erfolgen muss, sei das auch immer mit einem Risiko für die Streifwagenbesatzung verbunden, ergänzt Kufner.
Zweckverband blitzt an zwei Stellen
Durch eine Sondergenehmigung darf der Zweckverband Kommunale Dienste Oberland am Sylvensteinsee außerorts an zwei Stellen blitzen. „2024 waren wir mit unserem mobilen Messfahrzeug sowie der teilstationären Geschwindigkeitsmessanlage dreimal an den beiden Messstellen am Sylvenstein im Einsatz – im laufenden Jahr 2025 bereits viermal. Die Messungen erfolgen in Absprache mit der Gemeinde sowie teilweise auf Anregung der Polizei und werden im Rahmen unserer Einsatzplanung regelmäßig umgesetzt“, erklärt Benjamin Bursic, Geschäftsführer des Zweckverbands. 2024 habe die Beanstandungsquote bei 13,8 Prozent gelegen, im laufenden Jahr bei 5,06 Prozent.
Trotz der fehlenden Halterhaftung ist das Blitzen von Motorrädern aus Sicht des Verbands sinnvoll, da dies „einen wichtigen Beitrag zur Verkehrssicherheit aller Verkehrsteilnehmer leistet. Auch im Bereich des Sylvensteins ist die Geschwindigkeitskontrolle ein wirksames Mittel zur Förderung eines verantwortungsvollen Fahrverhaltens.“ Durch die „beidseitige“ Messtechnik „sichern wir hochwertige Beweisfotos, auf denen viele Motorradfahrer gut erkennbar sind“, so Bursic. „Die Mehrheit der Geblitzten akzeptiert die Verwarnung oder den Bußgeldbescheid und bezahlt diese; was die Wirksamkeit der Maßnahme zusätzlich unterstreicht.“
Werde der Fahrer nicht benannt oder die Fahrereigenschaft bestritten, „haben wir unseren Kommunalen Ermittlungsdienst. Dieser versucht den Fahrer zum Beispiel durch Aufsuchen des Fahrzeughalters zu ermitteln. Ist eine Ermittlung trotz allem nicht möglich, prüfen wir, ob die Voraussetzungen für eine Fahrtenbuchauflage gegeben sind und melden diese Fälle an die zuständige Behörde“.
Unfallhäufung: Realität oder gefühlte Wahrheit?
Ist die Situation heuer schlimmer oder ist es nur eine gefühlte Wahrheit? Die Antwort ist schwierig. Denn schon das Ermitteln der Unfallzahlen ist komplex. Anders als beim Kesselberg oder beim Sudelfeld gebe es hier keine klar definierte und begrenzte Strecke. „Hier geht es um ein ganzes Gebiet“, sagt Werner. Was solle in die Zahlen hineingerechnet werden? Alle Unfälle auf der B307 zwischen Kaiserwacht und Vorderriß, alle auf der B13 ab Bad Tölz, alle Unglücke auf der Töl24 bis Österreich? Schaut man nur auf die B307, gab es zwischen Januar 2021 und März 2024 keinen tödlichen Unfall. Bei sieben Unfällen waren Schwerverletzte zu beklagen, bei 14 Leichtverletzte. 63 Prozent waren Motorradunfälle, in gut der Hälfte waren die Biker auch die Unfallver㈠ursacher. Heuer gab es auf der B307 einen Toten und drei Unfälle mit Personenschaden.
Verkehrsrechtlich ist alles ausgeschöpft
An verkehrsrechtlichen Maßnahmen ist im Prinzip alles ausgeschöpft. Überholverbote wurden eingerichtet, auf einem Teil der Strecke gilt Tempo 50. In erster Linie sorgt das dafür, dass Bußgelder bei Verstößen höher ausfallen. „Die Möglichkeiten der Gemeinde sind momentan ausgereizt“, sagt Dritter Bürgermeister Günter Haubner, der derzeit die Geschäfte im Lenggrieser Rathaus führt. Man habe sich bemüht, dass die Lage nicht noch weiter eskaliert. Dennoch sei die Situation am Sylvensteinsee „weiter dramatisch. Ein weiterer junger Motorradfahrer ist tödlich verunglückt“.
Forderung nach Halter-Haftung
Ob und inwieweit die verstärkten Kontrollen von Polizei, aber auch Zweckverband Wirkung zeigen, „kann erst nach Vorliegen weiterer Messergebnisse beurteilt werden“, so Haubner. Er sieht jetzt vor allem den Gesetzgeber in der Pflicht: „Die Änderung von der Fahrer- zur Halterhaftung wäre dringend erforderlich, damit die Polizei die Raser effektiver zur Verantwortung ziehen kann.“ Das wünscht sich auch Lars Werner – genauso wie eine erneute Anpassung von Bußgeldern. „Die Polizei macht, was möglich ist. Aber jetzt sind die politischen Entscheidungsträger in der Pflicht.“
Das sehen die Feuerwehr Fall und Vorderriß ähnlich. Sie sind es, die nach jedem Unfall ausrücken müssen. Das bringt die Helfer an die Belastungsgrenze.