Polizeichef verabschiedet sich nach 15 Jahren – ein Einsatz bewegte ihn besonders

  1. Startseite
  2. Lokales
  3. Bad Tölz
  4. Kochel am See

Kommentare

Nach 15 Jahren ist Schluss: Ende Juni verabschiedet sich Steffen Wiedemann als Chef der Kochler Polizei in den Ruhestand. Er freut sich auf mehr Zeit für Freunde und Familie. © Arndt Pröhl

Steffen Wiedemann, Chef der Kochler Polizeistation, verabschiedet sich nach 15 Jahren in den Ruhestand. Im Interview blickt auf die Zeit zurück.

Kochel am See – Er war das Gesicht der Kochler Polizei. 15 Jahre lang leitete Steffen Wiedemann (60) die Polizeistation Kochel am See. Ende Juni verabschiedet er sich nun in den Ruhestand. Im Interview blickt er zurück – zufrieden über spannende Jahre in Kochel, besorgt mit Blick auf manche Entwicklungen der letzten Jahre.

Herr Wiedemann, 15 Jahre waren Sie der Chef der Kochler Polizei, davor waren Sie in verschiedenen Positionen bei der Polizei tätig – ob als Pressesprecher im Präsidium, bei der Kripo oder der Motorradstaffel der Bereitschaftspolizei. War Polizist schon immer Ihr Traumberuf?

Das kam mehr zufällig. Eigentlich wollte ich Jetpilot bei der Bundeswehr werden. Am Ende des Auswahlverfahrens wurde mir dann gesagt, dass ich für die Düsenjets zu groß bin. Da war ich enttäuscht. Ein Freund meines Vaters, der Polizist in Würzburg war, meinte zu mir, dass ich doch zur Polizei gehen soll. Und so hat es sich ergeben, dass ich mich beworben habe.

Was war für Sie ausschlaggebend für die Entscheidung?

Dass es ein Beruf ist, in dem man was bewegen und Menschen helfen kann, man viele Betätigungsfelder hat und es vor allem kein reiner Schreibtischjob ist.

Polizeichef Steffen Wiedemann berichtet zum Abschied: „Hier ist man die eierlegende Wollmilchsau“

Sie waren bei der Polizei in München viel mit dem Motorrad unterwegs und hier in Kochel war der Biker-Verkehr ein zentrales Thema ...

Seit meiner Jugend ist Motorradfahren meine Leidenschaft. Das hat mit 15 Jahren mit den Mofas angefangen. Mich fasziniert die Dynamik, das Kurvenfahren, die Natur. Und dann hat sich das bei der Polizei auch in die Richtung entwickelt. Es ist eine Top-Kombination aus Hobby und Beruf. Aber, dass ich hier in Kochel so lange geblieben bin, hat schon mehr Gründe als nur das Motorrad-Thema.

Die da wären?

Es ist eine abwechslungsreiche, aber auch einsatzintensive Dienststelle. Hier ist man die eierlegende Wollmilchsau mit wechselnden Herausforderungen. Im Sommer fahren die Kollegen oft von einem Einsatz zum nächsten. Wir haben am Kochelsee und am Walchensee je ein Polizeiboot und sind mit wasserschutzpolizeilichen Aufgaben betraut, die dank engagierter Kollegen wieder eine größere Bedeutung einnehmen. Dazu sind wir eine bürgernahe Polizei. Hier kennt und vertraut man sich. Das hat eine herausragende Zusammenarbeit mit den Behörden und Blaulichtorganisationen ermöglicht, und zum anderen hat man viel Kontakt zu den Menschen, die oft mit Alltagsproblemen zu uns kommen.

Wir sind für die Bürger da – und nicht gegen sie. Das wird hier auch von der großen Mehrheit so gesehen.

Ist das Fluch oder Segen?

Beides. Es ist schon schön, weil es Vertrauen in uns als Polizei zeigt. Wir sind für die Bürger da – und nicht gegen sie. Das wird hier auch von der großen Mehrheit so gesehen. Aber natürlich kann es anstrengend werden, wenn die Leute wegen kleineren Streitereien mit Nachbarn oder völlig fachfremden Problemen wie mit einem Telefonvertrag kommen.

Sicherheitskonzepte bei Faschingszügen? „Kann ich nur schwer akzeptieren“

Hat sich, was die Stellung der Polizei in der Gesellschaft betrifft, in den vergangenen Jahren nichts geändert?

Hier eben nicht so sehr – und das war mir immer wichtig. Aber auch ich stelle eine Enthemmung in der Gesellschaft fest, die Zahl der Widerstände hat zugenommen. Auch die Gefahrenlage hat sich geändert. Dass wir uns über Sicherheitskonzepte Gedanken machen müssen, wie wir Überfahrtaten zum Beispiel an Fronleichnamsprozessionen oder Faschingszügen präventiv verhindern können, ist eine sehr bedauerliche Entwicklung. Das hätte es vor 15 Jahren nicht gegeben. Ich kann es nur schwer akzeptieren, dass wir in so einer Zeit leben.

Gibt es Einsätze, die Sie besonders bewegt habe?

Als meine Frau schwanger war, hat es hier einen schlimmen Unfall gegeben, bei dem eine junge schwangere Frau und ihr ungeborenes Kind ums Leben gekommen sind. Das hat mich damals sehr mitgenommen.

Wenn Sie auf Ihre Wirkungszeit zurückblicken, worauf sind Sie besonders stolz?

Mein Ziel war, die Kesselbergprobleme besser in den Griff zu bekommen. Ich wollte den Konflikt zwischen Behörden, lärmgeplagten Bürgern und den Bikern entschärfen und die Unfallzahlen reduzieren. Die jetzige zeitlich beschränkte Einbahnstraßenregelung habe ich mit entworfen, und das Ergebnis ist, dass die Unfallzahlen um die Hälfte gesunken sind. Es war unser Hauptanliegen, neben den Bikern auch andere Verkehrsteilnehmer zu schützen. Auch wenn ich mir als Motorradfahrer damit selbst ins Bein geschossen habe. Die Mehrheit der anständigen Motorradfahrer muss jetzt unter dem selbstsüchtigen Fehlverhalten der geringen Raserklientel leiden. Nüchtern betrachtet ist die neue Kesselbergregelung also ein Erfolg. Trotzdem tut es mit in der Seele weh, dass es nötig war.

Motorrad-Raser am Kesselberg: Polizei feiert Erfolge

Die Einbahnregelung ist aber nicht das Einzige, was in Ihrer Zeit hier am Kesselberg hinsichtlich Motorradsicherheit passiert ist ...

Da wurde auch von anderen Stellen wie dem Straßenbauamt und der Straßenverkehrsbehörde viel gemacht, angefangen beim Unterfahrschutz, den Mittelleitschwellen oder dem Straßenbelag. Die passive Sicherheit am Kesselberg ist für Motorradfahrer sehr hoch. Jetzt müsste nur noch bei der beschriebenen Klientel die Vernunft dazukommen.

Wird man Sie dann künftig privat öfter auf dem Motorrad am Kesselberg antreffen?

Ich möchte mehr Zeit für meine Familie und Freunde haben und freue mich schon, mich vermehrt meinen Hobbys widmen zu können, ob Motorrad, Fischereiverein oder Bergsport. Dazu werde ich noch einer kleinen Dozententätigkeit im öffentlichen Dienst nachgehen.

Auch interessant

Kommentare