Auf dem Christkindlmarkt fällt eine Besuchergruppe beim Trinkgeld besonders auf

Wenn man viele Jahre am Christkindlmarkt arbeitet und, wie in meinem Fall, dort quasi groß geworden ist, dann beobachtet man nicht nur Veränderungen bei Preisen, Trends oder Traditionen. Man erlebt auch, wie sich etwas so Unscheinbares wie Trinkgeld wandelt. Und genau das ist ein Thema, über das die wenigsten sprechen, obwohl es viel über die Stimmung der Menschen erzählt.

Vielleicht schwingt da sogar ein Stückchen Wertschätzung mit,

Früher war Trinkgeld eher eine Ausnahme. Natürlich gab es Gäste, die mal etwas dagelassen haben, aber es war selten und meist waren es ein paar Cent. Heute hat sich das deutlich verändert. Die Menschen geben mehr und vor allem bewusster. 

Man spürt, dass viele wissen, wie viel Arbeit hinter einem Marktstand steckt, wie kalt es sein kann, wie hektisch die Tage werden. Vielleicht schwingt da sogar ein Stückchen Wertschätzung mit, das früher weniger sichtbar war.

Eine Sache zeigt sich immer wieder: Je freundlicher wir sind, desto mehr Trinkgeld gibt es. Aber – und das ist mir wirklich wichtig – wir sind nicht freundlich, weil wir Trinkgeld bekommen wollen. 

Touristen aus Amerika sind beim Trinkgeld besonders großzügig

Wir sind freundlich, weil wir unsere Arbeit lieben. Weil wir Spaß daran haben. Weil wir den Kontakt mit Menschen aus aller Welt genießen. 

Und weil ein Christkindlmarkt für uns mehr ist als ein Arbeitsplatz – er ist ein Stück Zuhause. Das Trinkgeld ist dann eher ein kleines Zeichen, dass unsere Freude bei den Gästen ankommt.

Die Mädels der Beerenalm am Münchner Christkindlmarkt
Die Mädels der Beerenalm am Münchner Christkindlmarkt Katharina Rohrer

Spannend ist, wer besonders großzügig ist. Ganz vorne dabei: Touristen aus Amerika. Viele von ihnen haben kaum Münzen dabei, manche wollen nicht ihr Kleingeld herumtragen – und in ihrer Kultur gehört Trinkgeld einfach dazu. 

Oft geben sie auch etwas, wenn wir etwas ausführlicher erklären oder wenn sie merken, dass wir uns Zeit nehmen. Manchmal bleibt dann sogar ein Fünf-Dollar-Schein in unserer Kasse liegen – eine der kleinen Absurditäten, die man nur auf einem Christkindlmarkt erlebt.

Nach Currywurst-Bestellung sagte US-Paar: „A little thank you for your smile!“

Wie ändert sich das Trinkgeld, wenn Weihnachten näher rückt? Ein bisschen – aber nicht so eindeutig, wie man erwarten würde. Manche Gäste werden in der Adventszeit großzügiger, weil sie in Weihnachtsstimmung sind und Nächstenliebe leben möchten. Andere werden eher hektischer, gestresster, kurz angebunden. Es hängt also mehr vom Tag und der persönlichen Gefühlslage ab als vom Datum.

Und ja, es gibt Anekdoten, die ich nie vergessen werde. Eine meiner liebsten: Ein amerikanisches Paar bestellte eine Currywurst und wollte wirklich alles dazu wissen. Herkunft, Zutaten, Zubereitung – das volle Programm. Nach fünf Minuten begeistertem Erklären waren sie so entzückt, dass sie sagten: „We love how passionate you are – here’s a little thank you for your smile!“ Sie drückten uns zehn Dollar Trinkgeld in die Hand!

Vielleicht ist das die schönste Erkenntnis von allen: Am Ende spüren die Menschen, wenn wir gern hier sind – und manchmal bedanken sie sich dafür auf ihre eigene, kleine Art.

Katharina Rohrer Bowers leitet die Münchner Wurstbraterei auf dem Münchner Christkindlmarkt, während ihre Eltern die Beerenalm betreiben. Sie verbindet Münchner Tradition mit modernen Ideen und echter Leidenschaft. Sie ist Teil unseres EXPERTS Circle. Die Inhalte stellen ihre persönliche Auffassung auf Basis ihrer individuellen Expertise dar.