Auf dem Christkindlmarkt gibt es eine heimliche Regel, die jeden Besuch bereichert

Für mich beginnt die besondere Atmosphäre unseres Christkindlmarkts schon weit vor der Eröffnung: noch beim Aufbau, wenn die ersten Lichterketten hängen, die Stände eingeräumt werden und überall dieser Mix aus Vorfreude und leichtem Chaos in der Luft liegt. Ich bin auf Märkten groß geworden, deswegen fühlt sich der Christkindlmarkt für mich nie einfach wie ein „Event“ an, sondern eher wie ein jährliches Nachhausekommen. 

Seit ich denken kann, stehe ich in unseren Ständen, zwischen weihnachtlichen Düften, bekannten Stimmen, Musik und diesem ganz eigenen Rhythmus, der nur in der Weihnachtszeit existiert.

Mit dem Stehtischtrick kommen sich Menschen näher

Obwohl der Markt natürlich gewachsen ist und München jedes Jahr mehr Besucher hat, empfinde ich ihn immer noch als etwas zutiefst Familiäres. Vielleicht, weil für uns Beschicker so viele Erinnerungen daran hängen: die Menschen, die jedes Jahr wiederkommen, die kleinen Rituale, die Begegnungen, die oft nur ein paar Minuten dauern und trotzdem warm im Herzen bleiben. 

Es passiert mir regelmäßig, dass Gäste mir erzählen, sie kommen „seit 20 Jahren nur wegen uns“. Oder dass Familien mit ihren Kindern vorbeischauen, die früher selbst als Kinder bei uns standen. Solche Momente machen alles irgendwie zeitlos.

Der Christkindlmarkt funktioniert nach einer einfachen Regel: Geben wir Freundlichkeit, kommt Freundlichkeit zurück

Trotzdem spüre ich natürlich auch, wie sich die Stimmung verändert hat. Die Wege sind voller, die Leute gehetzter, die Handys ständig in der Hand. 

Manchmal habe ich das Gefühl, dass wir alle ein bisschen vergessen haben, wie man wirklich ankommt. Und das nicht nur körperlich auf dem Markt, sondern auch im Kopf.

Und darin liegt für mich die größte Chance: Der Christkindlmarkt kann ein Ort sein, an dem wir wieder mehr zueinander finden, wenn wir uns bewusst darauf einlassen. Was dabei hilft?

1. Den Besuch entschleunigen: Den Christkindlmarkt nicht als „To-do“ betrachten, sondern als kleine Auszeit. Nicht alles sehen wollen, sondern ein paar Stände bewusst auswählen, dort stehen bleiben, riechen, schmecken, hören. Wenn man sich Zeit nimmt, öffnet sich automatisch der Raum für Gespräche mit Freunden, mit uns Beschickern oder mit jemandem, der zufällig neben einem steht.

2. Mehr echte Begegnungen zulassen: Ich erlebe es jedes Jahr: Sobald Menschen kurz ihr Handy weglegen, entsteht eine andere Energie. Ein Lächeln, eine Frage, ein spontaner Austausch über das Wetter oder den Glühwein und plötzlich fühlt sich alles wieder „wie früher“ an. Deswegen setzen wir auch gezielt auf große Stehtische, die solche Begegnungen zulassen. Der Markt lebt von diesen kleinen Kontakten und wird so lebendiger.

Katharina Rohrer Bowers leitet die Münchner Wurstbraterei auf dem Münchner Christkindlmarkt, während ihre Eltern die Beerenalm betreiben. Sie verbindet Münchner Tradition mit modernen Ideen und echter Leidenschaft. Sie ist Teil unseres EXPERTS Circle. Die Inhalte stellen ihre persönliche Auffassung auf Basis ihrer individuellen Expertise dar.

3. Als Gäste wieder neugierig sein: Viele unserer Stände erzählen Geschichten, zum Beispiel von Familien, Handwerk, Traditionen oder mutigen Ideen. Wenn Besucher nachfragen, entstehen oft die schönsten Momente. Und für uns ist das ein Zeichen, dass unser Herzblut wirklich gesehen wird.

4. Wärme nicht nur spüren, sondern geben: Ein kurzes Dankeschön, ein ehrliches Kompliment, ein bisschen Geduld in der Schlange. Das klingt banal, aber es verändert die Stimmung enorm. Märkte funktionieren wie ein Kreislauf: Geben wir Freundlichkeit hinein, kommt sie zurück. Meine Mama sagt immer „So wie man’s in den Wald hineinschreit, so hallt’s auch wieder raus“.

5. Gemeinsam statt nebeneinander: Für mich persönlich bedeutet Christkindlmarkt immer „wir“: meine Familie, meine Freunde, andere Beschicker. Und das spüren auch die Besucher. Das beginnt schon am ersten Aufbautag und zieht sich wie ein roter Faden durch die ganzen vier Wochen.

Bewusster ankommen sind, mehr Offenheit, weniger Eile

Was ich mir wünsche? Dass Menschen auf den Markt kommen, um sich berühren zu lassen – von Lichtern, Düften, Traditionen und vor allem von der Gemeinschaft. Der Christkindlmarkt ist einer der wenigen Orte, an denen Fremde spontan miteinander ins Gespräch kommen können, ohne dass es sich aufgesetzt anfühlt. Das ist kostbar und heutzutage fast selten.

Wenn wir alle ein kleines bisschen bewusster dort sind und mit mehr Offenheit und weniger Eile ankommen, dann bleibt der Christkindlmarkt nicht nur ein schöner Ort, sondern wird wieder zu dem, was er ursprünglich war: ein Platz, an dem wir im Trubel der Stadt kurz näher zusammenrücken. Und vielleicht genau deshalb jedes Jahr wiederkommen.