Magdeburg-Prozess im Ticker: Jetzt bekommen die Opfer das Wort

Wichtige Protagonisten:

  • Taleb al Abdulmohsen: Angeklagter
  • Dirk Sternberg: Vorsitzender Richter
  • Thomas Breiter und Thomas Rutkowski: Verteidiger
  • Matthias Böttcher: Oberstaatsanwalt

Im Weihnachtsmarkt-Prozess bekommen jetzt die Opfer das Wort

Donnerstag, 27. November, 7.19 Uhr: Zum siebten Prozesstag gegen Taleb al Abdulmohsen steht nicht mehr der Täter im Fokus. Erstmals wird der Vorsitzende Richter den Opfern der Amokfahrt auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt das Wort erteilen. Drei Geschädigte sind als Zeugen geladen, um über die Tat und ihre Erlebnisse zu sprechen. Zuvor wird am Morgen ein rechtsmedizinischer Sachverständige über die Obduktion der Toten berichten. Den Magdeburgern stehen einmal mehr schwierige Stunden bevor, dieses Trauma in aller Tiefe zu behandeln. Dafür dürfte der Amokfahrer weniger Raum haben, um seine Verschwörungen auszubreiten. FOCUS online hat kürzlich beim Landgericht Magdeburg nachgefragt, warum al Abdulmohsen so viel Zeit dafür eingeräumt wird.

Justitzbeamte führen den mit Handschellen gefesselten Angeklagten Taleb al-Abdulmohsen in das temporäre Gerichtsgebäude des Landgerichts Magdeburg
Justitzbeamte führen den mit Handschellen gefesselten Angeklagten Taleb al-Abdulmohsen in das temporäre Gerichtsgebäude des Landgerichts Magdeburg dpa

Magdeburg-Prozess: Sechster Prozesstag im Ticker

15.40 Uhr: Nachdem al Abdulmohsen seine Verschwörung rund um den Kölner Verein noch einmal ausführen darf, deren Kosten nun die Magdeburger trügen, beendet Richter Sternberg den Verhandlungstag. Weiter geht es am Donnerstag.

15.34 Uhr: Jetzt wird zumindest klar, in welcher Realität dieser Vorfall al Abdulmohsen so aufgebracht hat. Er behauptet, Zeuge P. habe 600-US-Dollar Anzahlung von drei saudischen Frauen erhalten und dann keine Flugtickets gekauft. "Er hat einfach das Geld geklaut."
Warum das für den Prozess wichtig ist? "Das ist einer der wichtigsten Gründe, warum ich den Weihnachtsmarkt angegriffen habe", sagt al Abdulmohsen. Er unterstellt dem Zeugen, eine Immunität zu genießen, wie es sie "nur in Zeiten der Monarchie" gegeben habe.
Falls Sie sich als Leser wundern, dass das komplett absurd, wirr und unlogisch klingt: Ja, das passiert hier wirklich so.

15.27 Uhr: Richter Sternberg setzt die Verhandlung fort, es sei ein "kleiner Ausreißer" des Angeklagten gewesen. Laut Wachtmeistern sei al Abdulmohsen "wieder runtergefahren" und verhandlungsfähig. Der Zeuge P. wird entlassen und der Angeklagte erhält die Möglichkeit, sich zu erklären. "Wir wollen so etwas wie eben nicht nochmal haben", betont Sternberg.

15.25 Uhr: Polizisten bringen ihn in Handschellen zurück zu seinem Platz und al Abdulmohsen unterhält sich angeregt mit einem seiner Anwälte. Per Lautsprecherdurchsage heißt es, der Prozess wird fortgesetzt. Damit dürften auch die Richter gleich wieder in den Saal zurückkehren.

15.19 Uhr: Die Stimmung im Gerichtssaal bleibt angespannt. Niemand hat damit gerechnet, dass im Schlussspurt dieses Tages noch etwas Spektakuläres passieren würde. Zuschauer unterhalten sich angeregt, Journalisten telefonieren eilig mit ihren Redaktionen. Im Saal unterhält sich der Zeuge mit seinem Rechtsbeistand. Doch weder die Richter noch der Angeklagte sind bisher zurückkehrt. Unklar ist auch, weshalb sich al Abdulmohsen überhaupt von seinem Platz erhoben hat und Richtung Ausgang seiner Glaskabine gehen wollte.

Gerangel in Kabine! Polizisten ringen Angeklagten nieder und zerren ihn aus dem Saal

15.07 Uhr: Gerangel in der Kabine! Polizisten ringen den Angeklagten nieder, als der sich gerade erheben und offenbar aus der Kabine gehen will. Mehrere Beamte zerren al Abdulmohsen dann aus dem Gerichtssaal, die Sitzung ist für zehn Minuten unterbrochen. Wie es weitergeht, bleibt unklar.

15.06 Uhr: "Wir sind hier nicht im Prozess gegen die Säkulare Flüchtlingshilfe oder den Zeugen P.", sagt Sternberg, als er Abdulmohsen endgültig das Mikrofon abdreht. Im Saal würden keine anderen Sachverhalte behandelt. Doch der Angeklagte lässt drei Möglichkeiten des geduldigen Richters verstreichen, sich wieder dem eigentlichen Thema zu widmen.

15.00 Uhr: Auch wenn sich der Prozess gegen ihn richtet, kostet der Angeklagte sein Fragerecht aus, als wäre er der Ankläger. Taleb al Abdulmohsen beißt sich an vermeintlichen Geldflüssen beim Zeugen und der Kölner Flüchtlingshilfe fest. "Ich weiß nicht, was das jetzt hier soll", wundert sich der Zeuge, der sich wie im Verhör fühlen dürfte. Der bittet den Richter, Fragen aus dem abgeschlossenen Zivilverfahren auszuklammern. Sternberg kündigt zwar an, nur noch Fragen zuzulassen, die zur Sache beitragen. Al Abdulmohsen hakt aber immer weiter nach, sodass sich gerade eine Diskussion über die Zulässigkeit der Fragen entwickelt.

14.53 Uhr: Hat ein Asylfall das Zerwürfnis für Abdulmohsen bedeutet? Der unterstellt zwischen den Zeilen, dass ein Betroffener falsche Auskunfte über seine Abschiebung von der Kölner Organisation erhalten haben könne; die genauen Hintergründe bleiben unklar. "Wir waren alle ratlos, warum Sie so reagieren", sagt der Zeuge in Richtung al Abdulmohsens.

14.45 Uhr: Der Angeklagte löchert den Zeugen mit Vorwürfen aus anderen Verfahren oder wie er die Handreichung von ihm erhalten hat. "Ich weiß nicht", ist hier die häufigste Antwort auf Ereignisse von vor acht Jahren. In seiner Auffassung hält der Angeklagte den Zeugen offenbar für unglaubwürdig. Er impliziert, der letzte telefonische Kontakt zu S. habe stattgefunden, bevor er den Leitfaden an die Organisation schickte. Zwischenzeitlich scheitert ein Nebenklage-Anwalt mit der Beanstandung der Fragen.

14.33 Uhr: "Das war kein Konflikt von unserer Seite", sagt der Zeuge. Viel mehr habe al Abdulmohsen eine Diffamierungskampagne gegen den Verein gestartet: "Er hat sich da irgendwie massiv reingesteigert."

14.31 Uhr: Der persönliche Kontakt zu al Abdulmohsen habe nur wenige Wochen gedauert, sagt der Zeuge. Dass die Leitfaden-Absage dem Angeklagten möglicherweise zugesetzt hat, habe er damals nicht wahrgenommen. "Er war eh etwas skurril im Umgang", sagt er. Trotzdem sei ihm der Name später immer wieder begegnet. Die meisten saudischen Frauen, die sich an die säkulare Flüchtlingshilfe gewandt hätten, seien auch schon in Kontakt mit al Abdulmohsen gewesen - und hätten von dessen Anschuldigungen gegen den Verein gewusst. Wie genau sich der Angeklagte in der Flüchtlingshilfe engagiert hat, wisse er nicht.

14.26 Uhr: Stefan P., früheres Vorstandsmitglied der säkularen Flüchtlingshilfe, hat mit Taleb al Abdulmohsen ebenfalls bezüglich eines Asylsuchenden Kontakt gehabt. Von dem Saudi habe er einen Leitfaden für Flüchtlinge in Deutschland erhalten und juristisch prüfen lassen. Das Ergebnis: "Das konnten wir nicht verwenden. Ich denke, das war einer der Auslöser." In der Folge habe er nur erfahren, dass al Abdulmohsen gegen die eigene Organisation wettere. Er habe das nicht weiter beachtet und den "Troll" nicht füttern wollen. In der Hoffnung, dass die Anschuldigungen so enden.

Richter dreht Angeklagtem das Mikro ab

14.13 Uhr: Viele Prozessbeobachter dürften sich wundern, dass Richter Sternberg dem Angeklagten erst jetzt das Mikrofon abdreht. Immer wieder schweift al Abdulmohsen ab, als er sich zur Zeugenaussage äußern soll. "Er ist deutlich psychisch krank", sagt er über Ali U., weil er als Grafiker Frührentner sei - obwohl er doch eigentlich im Home-Office arbeiten könnte. Dass der Kölner die Säkulare Flüchtlingshilfe "idealisiert" hat, wie al Abdulmohsen es ausdrückt, dürfte den früheren Psychiater in seiner Ferndiagnose bestärken.

14.04 Uhr: Nebenklage-Vertreter Rein meldet sich zu Wort. Er fordert den Vorsitzenden Richter auf, seine Funktion als Verhandlungsleiter wahrzunehmen. Der Angeklagte dürfe Zeugen nur in zulässiger Weise befragen.

"Ich finde das bloß witzig": Zeuge kann sich Lachen nicht verkneifen

13.59 Uhr: Jetzt kann sich selbst der Zeuge das Lachen nicht verkneifen. Al Abdulmohsen will von U. wissen, ob er irgendwann für Geheimdienste - BND oder andere Organisationen - tätig war. Immerhin eine offene Frage und damit zulässig. U. verneint, er sei auch an keiner Verschwörung gegen irgendjemanden beteiligt. Als Sternberg sagt, dass der Zeuge nicht so weit ausholen oder sich verteidigen muss, erwidert er: "Ich finde das bloß witzig."

Damit setzt Sternberg der Befragung ein Ende.

13.55 Uhr: Jetzt gerät der Zeuge selbst in Bedrängnis. Nach der Amokfahrt hatte er über vermeintliche Kontakte al Abdulmohsens zu Hamas- und Isis-Mitgliedern berichtet. Er sei nach dem Anschlag "mit Screenshots bombardiert" worden, die solche Verbindungen benannt hätten. Es sei mehr um einzelne Personen als die Organisationen selbst gegenüber. Das habe er "so weitergetragen", sagt U..

Attentäter stellt Fragen - dann grätscht Richter dazwischen 

13.50 Uhr: Richter Sternberg grätscht einmal mehr dazwischen, weil die Fragestellungen nicht zielführend - und oft nicht offen gestellt - sind. Al Abdulmohsen will immer wieder wissen, ob Ali U. bestimmte Tweets von ihm kennt. "Es kommt nicht darauf an, was der Zeuge gelesen hat", mahnt Sternberg.

13.41 Uhr: Al Abdulmohsen erhält das Fragerecht - und stößt den Zeugen direkt vor den Kopf, als er ihn mit Vornamen anspricht. "Sagen Sie Herr U., bitte", erwidert der. Der Angeklagte will mehr über einen alten Chatverlauf und den Kontakt der beiden wissen und die mögliche Bedrohung gegen U. "Wenn es den Screenshot einer Bedrohung gibt, ist das doch Beweis genug", sagt U., der den Vorwurf gar nicht selbst erhoben hat. Auch hier zeigt sich wieder, dass der Prozess, den al Abdulmohsen erlebt, nicht ganz dem entspricht, der hier in Magdeburg tatsächlich geführt wird.

13.35 Uhr: An eine mögliche Bedrohung per Tweet durch al Abdulmohsen kann sich U. nicht konkret erinnern. "Ich bekomme zehn Bedrohungstweets pro Tag, seit 15 Jahren", sagt er.

13.32 Uhr: Zudem seien bei U. und seinem Umfeld Zweifel an al Abdulmohsen Hilfe für saudische Flüchtlinge gewachsen. In einem Tweet habe der Angeklagte behauptet, im Schiitentum den wahren Glauben gefunden zu haben - das passe nicht zu einem Ex-Muslim. Zudem habe al Abdulmohsen versucht, saudische Frauen auszufragen. So sei der Eindruck entstanden, er könne selbst ein saudischer Spion sein.

13.26 Uhr: 2017 hat al Abdulmohsen mit U. Kontakt aufgenommen, um die Abschiebung eines Ex-Muslimen nach Saudi-Arabien zu verhindern. Der Kölner verwies daher an die Säkulare Flüchtlingshilfe und erfuhr später von den Vorwürfen. Er habe daher selbst mit dem Verein Kontakt aufgenommen und von den Gerichtsverfahren erfahren. Auch privat habe er mit geflüchteten Frauen gesprochen, die von der Säkularen Flüchtlingshilfe unterstützt wurden. "Keine hat gesagt, dass sie bedrängt oder sexuell missbraucht wurde. Im Gegenteil: Sie waren der Flüchtlingshilfe dankbar", sagt er. Ihnen sei so ein normales Leben ermöglicht worden.

13.20 Uhr: Die Befragung des ersten Zeugen ist bereits beendet. Jetzt ist Ali U. an der Reihe. Der Kölner Frührentner ist auf Twitter/X bekannt als Ex-Muslim.

Richter: Beim Attentäter ist "alles im grünen Bereich - in Anführungszeichen"

13.18 Uhr: Yaser A. hat al Abdulmohsen zwei Jahre lang als Stammgast in seinem Döner/Pizza-Imbiss begrüßt, drei bis vier Mal pro Woche. Den Gast beschreibt er als "ganz normal". Auffällig war nur: "Er wollte keinen Kontakt zu anderen Leuten." Al Abdulmohsen sei immer an seinem Handy gewesen. Er habe gegessen, bezahlt und sei gegangen. Auf eine Frage eines Mitarbeiters habe er einmal erwidert: "Das interessiert dich nicht." Auch am Abend vor seiner Tat sei er in dem Lokal gewesen, habe Flammkuchen und zwei Bier bestellt; nichts Ungewöhnliches. Betrunken sei er nie gewesen. Meist seien es nur zwei Cola gewesen.

13.07 Uhr: Die Verhandlung geht weiter. Nach Rücksprache mit dem Sachverständigen sieht Richter Sternberg den Angeklagten weiter verhandlungsfähig, es sei "alles im grünen Bereich - in Anführungszeichen", wie Sternberg sagt. Geladen sind jetzt zwei weitere Zeugen.

12.22 Uhr: Dieser Seitenhieb eines Nebenklageanwalts ist unmissverständlich. "Der Angeklagte wirkt zunehmend wirr", sagt er und bittet um Prüfung, als al Abdulmohsen noch verhandlungsfähig ist. Damit geht es in die Mittagspause.

12.18 Uhr: In der exklusiven Weltsicht des Angeklagten geht diese Verschwörung mit dem angeblich falschen Zeugen weiter. "Die Magdeburger werden von Berlin und Köln manipuliert", raunt al Abdulmohsen und behauptet, die Stadt werde im ganzen Land ausgelacht. Viel mehr sieht er sich einmal mehr im Recht: "Sie haben alle gesehen: Das ist keine Verschwörungstheorie." Nur linke Medien und Politiker würden ihn als wirr bezeichnen.

Dann kommt es zu komplett absurdem Moment im Magdeburg-Prozess

12.13 Uhr: Ein komplett absurder Moment. Nach einer Diskussion mit Richter Sternberg über offene Fragestellungen will al Abdulmohsen mehr über die Befragung von Anwalt H. und angeblich von ihm versteckte Akten wissen. "Wissen Sie, dass das ein zentrales Thema ist, warum ich sechs Menschen getötet und 300 verletzt habe", sagt al Abdulmohsen in einem belehrenden Ton, als würde er das kleine Einmaleins erklären. Was diese Amokfahrt für eine Auswirkung auf die Opfer, die Stadtgesellschaft und die Gesamtpolitik hatte, gerät da völlig aus dem Fokus. Der Zeuge ist inzwischen auf dem Heimweg und al Abdulmohsen darf sich zu seinen Verschwörungen erklären.

12.05 Uhr: Die Befragung des Angeklagten verläuft zäh. Al Abdulmohsen will wissen, warum ein Bild in den Akten verpixelt ist. "Zur Qualität der Bilder kann ich keine Auskunft geben", wiegelt R. ab. Und der eingerissene Briefumschlag? "Das war für unsere Ermittlungen nicht von zentraler Bedeutung", sagt er. Ein ausgewerteter USB-Stick habe al Abdulmohsens Dokumentation aus dessen Sicht über den Konflikt mit der Säkularen Flüchtlingshilfe in Köln gehabt.

12.03 Uhr: Juraunterricht im Gerichtssaal: Die Anwälte des Angeklagten sind komplett abgemeldet. Der bislang einzige Beitrag ist die Nennung eines Aktenvermerks. Statt mit den Fachleuten zu verhandeln, erklärt Richter Sternberg dem Angeklagten, wie er seine Fragen an den Zeugen stellen kann, was ein Vorhalt und wie eine Inaugenscheinnahme von Beweismitteln funktioniert.

11.49 Uhr: In Bernburg kaum bekannt, dafür im Netz umso aktiver. "Der Umfang war sehr viel", sagt Roman R. über al Abdulmohsens Präsenz auf X (früher Twitter). Die Plattform habe den Ermittlern mehr als 1000 Tweets zur Verfügung gestellt. Er habe seine Meinung und sein Weltbild geteilt und Kontakte gepflegt. In einem eigenen Forum sei der Angeklagte "relativ aktiv" gewesen. Hier habe er sich vor allem seinem Asylaktivismus gewidmet.

Ermittler sehen Anschlag auf Weihnachtsmarkt als "Racheakt" gegen deutsche Bevölkerung

11.42 Uhr: Auch mit seinen Motiven haben sich die Ermittler befasst. Der Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt sei eine "Art Racheakt" gegen die deutsche Bevölkerung gewesen, so der Eindruck des Polizisten. Al Abdulmohsen habe sich vom Islam abgewandt.

11.39 Uhr: Ein zurückgezogener Einzelgänger, wenig Besuch, spärlich eingerichtete Wohnung mit vielen Kisten - so beschreibt Polizist Roman R. seine Ermittlungen aus dem persönlichen Umfeld von Taleb al Abdulmohsen. Gerade gibt er Einblicke in die Arbeit der Sonderkommission des Landeskriminalamts in dem Fall.

Al Abdulmohsen will Spendenbetrug aufgedeckt haben

11.37 Uhr: Nächstes Beispiel: Ein vermeintlicher Spendenbetrug, den al Abdulmohsen aufgedeckt haben will. "Nach meiner Auffassung waren das keine Beweise", sagt der Anwalt. Die Nachfrage, wie er diese Auffassung begründet, lässt J. überraschenderweise offen. Richter Sternberg will die Diskussionen nicht zu sehr ausufern lassen und beendet die Fragerunde. Der nächste Zeuge nimmt damit Platz.

11.35 Uhr: In einem Nebensatz offenbart der Anwalt, wo konkret al Abdulmohsens Wahrnehmung und die Realität auseinanderklaffen. Er habe in dem Verfahren versucht, die Anregungen in dessen Interesse an das Gericht weiterzugeben - ohne Schaden für al Abdulmohsen anzurichten. Nur: "Ein Vortrag ist kein Beweis." Das sieht der Angeklagte in seiner Glaskabine offenbar anders.

Richter Sternberg ermahnt den Angeklagten

11.23 Uhr: Nach vielen Detailfragen driftet al Abdulmohsen wieder ab. Er wirft seinem früheren Anwalt vor, beim Verfahren in Köln Zeugen nicht geladen zu haben. Richter Sternberg kann den Vorhalt aus den Akten nicht nachvollziehen, deshalb soll der Angeklagte die Frage offen stellen. Die Antwort bleibt ein verwundertes: "Das wäre Aufgabe des Gerichts." Auch sonst verliert sich al Abdulmohsen über Fragen zu vermeintlichen Versäumnissen seines Rechtsbeistands in dem Verfahren.

11.14 Uhr: Das Gericht beendet seine Befragung des Anwalts. Bevor al Abdulmohsen das Wort erhält, ermahnt Richter Sternberg den Angeklagten, bei Fragen zu bleiben und vergewissert sich: "Das ist Herr J. - aus Ihrer Sicht auch?" Immerhin dieses Mal bestreitet al Abdulmohsen nicht, dass es sich um seinen früheren Anwalt handelt.

11.08 Uhr: Der Anwalt bemüht sich um milde, diplomatische Worte. "Wir haben aneinander vorbei geredet", sagt er über seinen Kontakt zu al Abdulmohsen. Der habe die Prozesse in Köln immer auf eine politische Ebene mit Geheimdiensten im Hintergrund heben wollen. "Ich habe versucht, ihm klarzumachen, dass wir das nicht so darstellen können", sagt J.. Mehrfach habe er deshalb auf die geringen Erfolgsaussichten hingewiesen. "Er ist so engagiert gewesen, dass das nicht angekommen ist", so der Eindruck des Anwalts: "Er ist ja nicht dumm." Nur habe bei diesem Thema etwas bei ihm blockiert, so der Eindruck des Zeugen.

11.02 Uhr: "Das war für mich nicht mehr vertretbar", sagt Zeuge J. über seinen Austausch mit al Abdulmohsen und beschreibt ein kompliziertes Mandat. Das habe er niedergelegt, als al Abdulmohsen ihm im Kölner Verfahren ein Berufsschreiben von 250 Seiten aufgesetzt habe. Den vorherigen Prozess habe er "glatt verloren". Die ganze Zeit habe er dem Mandanten nahegelegt, sich einen Spezialisten für Unterlassungen zu suchen. Doch nach kleinen erfolgreichen Verfahren etwa bei Verkehrsdelikten hat der Angeklagte dem Anwalt offenbar vertraut. 

Doch das Kölner Verfahren war anders. "Da habe ich zum ersten Mal gemerkt, dass es in eine politische Richtung geht, die ich nicht verstehe", sagt J.. Doch spätestens mit der Berufung sei ihm die Zeit dafür zu schade gewesen: "Wir reden nicht die gleiche Sprache, wir kommen nicht klar." Am Geld ist es dabei nicht gescheitert. Al Abdulmohsen habe ihm immer wieder mehr Geld geboten, einmal sogar 10.000 Euro als Bonus überwiesen, um das Mandatsverhältnis zu erhalten, erzählt der Anwalt. Die habe er ordentlich abgerechnet und nach der Mandatsniederlegung zurücküberwiesen. "Er war nicht bereit, nachzugeben", sagt der Zeuge über den Angeklagten.

10.47 Uhr: Und Al Abdulmohsen bekommt sich nicht mehr unter Kontrolle. "Sehen Sie, das ist das Problem in Deutschland", sagt der Angeklagte und behauptet, es gehe um die Unterbindung seiner Islamkritik. Er hält seinen Laptop in die Kamera, zeigt ein Foto eines anderen Mannes, der nach seiner Überzeugung Anwalt H. sein soll. "Wir müssen wissen, wer der richtige Herr H. ist!", raunt der Angeklagte. Richter Sternberg schafft es schließlich, den emotionalen Ausbruch al Abdulmohsens abzumoderieren. Jetzt ist der nächste Zeuge, ein weiterer Rechtsanwalt, an der Reihe.

Wirrer Ausbruch des Attentäters liefert einen Einblick in seine verdrehte Welt

10.39 Uhr: Jetzt wird es richtig wirr. Al Abdulmohsen gestikuliert wild, ruft in Richtung des Vorsitzenden Richters: "Das ist nicht der Herr H., mit dem ich gesprochen habe", ruft er. Er behauptet, dass der Zeuge gerade erst eingeräumt habe, dass ein Namensvetter in der Kanzlei arbeite. Damit ist al Abdulmohsen aber der Einzige im Saal, der die Aussage so verstanden hat. "Was soll ich dazu sagen, Herr Vorsitzender?", fragt auch der Betroffene resigniert.

10.32 Uhr: Die Momente gerade geben einen Einblick in die verdrehte Welt des Attentäters: Im Gericht sitzt Taleb al Abdulmohsen seinem alten Anwalt gegenüber. Doch spricht er über ihn in zwei Personen. "Ich habe mit Herrn H. telefoniert, aber nicht mit ihm", sagt al Abdulmohsen und zeigt auf den Zeugen. Der Anwalt weiß aber offensichtlich nichts von einem Namensvetter und auch nicht von jedem Austausch, über den der Angeklagte berichtet. Der Eindruck festigt sich, dass al Abdulmohsen zwar grundsätzlich in der Realität verhaftet war. In seiner Verschwörung rund um saudische Flüchtlinge driftete er aber in eine Welt ab, die überwiegend in seinem Kopf existiert hat - und weitgehend losgelöst von dieser Dimension stattfand.

Attentäter gestikuliert wild in seinem Glaskasten und haut mit der Faust auf den Tisch

10.26 Uhr: In den Zwischentönen wirkt der Anwalt zunehmend gereizt. Als al Abdulmohsen eine Frage zu den Telefonaten der beiden stellt, fragt der Zeuge: "Das wird mir langsam unheimlich - wie soll ich die Frage beantworten?" Der Angeklagte stellt weiter Fragen zum Austausch. Auch mit Richter Sternberg verwickelt sich der Angeklagte immer wieder in Diskussionen, ob er überhaupt Fragen stellt oder Erklärungen abgibt.

10.17 Uhr: In seiner Glaskabine gestikuliert al Abdulmohsen, haut kurz mit der Faust auf den Tisch, bevor er mit seinen Fragen beginnen darf. Sein Recht nutzt er nur bedingt und erhält von Richter Sternberg prompt eine Ermahnung, sich nicht zu erklären und den Zeugen nicht zu beschimpfen. Der Anwalt habe "keine Ahnung", raunt der Angeklagte und verwickelt sich in eine Diskussion über den Kontakt zu H..

10.14 Uhr: Worum es al Abdulmohsen eigentlich ging, will der Sachverständige wissen. "Es ging ihm um Gerechtigkeit in seinem Sinne", sagt Anwalt H. über seinen Eindruck. Bereits in der ersten Mail habe er das Urteil des Kölner Landgerichts als ungerecht beschrieben. Al Abdulmohsens Erscheinungsbild sei damals ganz anders gewesen. "Damals hat er sehr aufs Äußere geachtet, war gepflegt. Das ist mit heute nicht zu vergleichen", sagt er.

10.05 Uhr: Juristisch konnte er dem Fall offenbar zunehmend nichts abgewinnen. "Zivilrechtlich gab es keinen Tatsachenbezug. Es war eine wirre Erzählung ohne Anhaltspunkte von Tatsachen", sagt H. über das Verfahren in Köln. Im Kontakt mit dem OLG habe er sich auch selbst davon distanziert und etwa gesagt, dass er Aspekte vortragen solle - und nicht selbst vortrage. Gleichwohl habe er bis zur Mail vom 13. August nicht schlecht über al Abdulmohsen gedacht. "Das hätte ich nicht erwartet", bekräftigt H..

Ex-Anwalt von Taleb A. packt aus: Attentäter bedrohte ihn mit dem Tod

10.02 Uhr: Das Bild, das H. von al Abdulmohsen zeichnet, ist zwiespältig. Der erste Eindruck: "Sehr freundlich, korrekt. Auch im Auftreten. Ganz anders, als man ihn heute sieht." Er habe sich um das Berufungsverfahren gekümmert, allerdings wenig Aussicht auf Erfolg gesehen. Daraufhin sei al Abdulmohsen zunehmend ungeduldig geworden. Er habe sich als Aktivisten gesehen, dessen Tatsachenbehauptungen nicht belegt werden müssten. Der Prozess in Köln sei ein politischer. "Ich sollte eben funktionieren", beschreibt H. den Austausch, der per E-Mail immer umfangreicher: "Es ging immer nur um ihn selbst."

Entsprechend habe er sich über die Mandatskündigung im Juni durch al Abdulmohsen. "Dann war das für mich erstmal beendet", sagt H. - und dann kam die Mail im August.

09.57 Uhr: Zeuge H. beginnt mit seinen Ausführungen. Der Rechtsanwalt hat al Abdulmohsen von Oktober 2023 bis Juni 2024 im Berufungsverfahren vor dem OLG Köln vertreten - und später selbst Drohungen erhalten. Der Angeklagte kündigte in einer Mail im August 2024 an, er werde den Anwalt, dessen Familie und Kanzleimitarbeiter "30 Jahre jagen und abschlachten". Das Büro und deutsche Botschaften werde er mit Bomben angreifen und Deutsche mit dem Messer angreifen. H. hat nach eigenen Angaben sofort Strafanzeige gestellt.

09.44 Uhr: Fünf Lautsprecher, vier Fernseher, eine Uhr: So gestaltet sich die Wand über der Glasfront im Zuschauerbereich. Im Gerichtssaal ist bisher kaum Bewegung. Die Lautsprecher bleiben stumm. Die TV-Bilder aus dem Raum zeigen eine leere Richterbank. Nur der Sekundenzeiger der Analoguhr tickt unermüdlich und zeigt, dass die Zeit voranschreitet. Mit fast 15 Minuten Verspätung beginnt jetzt der Prozesstag.

09.30 Uhr: Erneut bewacht von maskierten Polizisten nimmt Taleb al Abdulmohsen in seiner Glaskabine Platz. Unter den Magdeburgern ist das Interesse mittlerweile größer als bei der Presse: Während die Zuschauerreihen weitgehend gefüllt sind, ist der Pressebereich weitgehend verwaist. Gleich dürften die Richter den Saal betreten und die Verhandlung eröffnen.

Dienstag, 25. November, 08.00 Uhr: Zum sechsten Verhandlungstag im Weihnachtsmarkt-Prozess befasst sich das Landgericht Magdeburg mit der Vorgeschichte der Amokfahrt: Am Dienstagvormittag sind zwei ehemalige Rechtsanwälte von Taleb al Abdulmohsen als Zeugen geladen. Zudem wird ein Polizist Auskunft über seine Ermittlungen im persönlichen Umfeld des geständigen Saudis geben.

Als dritten Programmpunkt führt das Landgericht nach der Mittagspause zwei Bekannte des Angeklagten.

Zum Abschluss ist ein Mitglied der Kölner Flüchtlingshilfe als Zeuge geladen. Al Abdulmohsen hatte seine Verschwörung auch um einen Verein aus der Rheinmetropole gesponnen, ihn als "korrupteste Asylorganisation der Welt" diffamiert und ihm Missbrauch saudischer Geflüchteter vorgeworfen. Seine Amokfahrt auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt mit sechs Toten und mehr als 300 Verletzten begründet er unter anderem mit dem Frust, dass er juristisch gegen die Organisation gescheitert war.

Magdeburg-Prozess: Vierter Prozesstag im Tickerprotokoll

Gutachter schildert, wie al Abdulmohsen Auto zur Waffe machte - der wirkt teilnahmslos

11.18 Uhr: Al Abdulmohsen wirkt unbeteiligt, während der Sachverständiger seinen Bericht vorträgt. Wie "Bild" berichtet, hält er dabei immer wieder den Kopf gesenkt, fährt sich durch den Bart und starrt auf die Anklagebank vor sich. Es sieht so aus, als würde er den Ausführungen nur teilweise folgen.

10.58 Uhr: Ein Sachverständiger sagt vor Gericht aus und bestätigt, dass sich das Auto, das al Abdulmohsen fuhr, in technisch einwandfreiem Zustand befand. Um zu prüfen, ob der Angeklagte Sicherheitssysteme des Wagens manipuliert habe, habe er eine Probefahrt mit einem baugleichen BMW X3 durchgeführt. 

Dabei stellte sich heraus, dass die Hinderniserkennung und auch automatische Bremsungen einwandfrei funktionierten. Jedoch konnte der Fahrer jedes vom System eingeleitete Bremsmanöver mithilfe einer gezielten Lenkbewegung übersteuern. genau das könnte auch al Abdulmohsen getan haben.

10.02 Uhr: Nun werden vier Überwachungsvideos des Anschlags gezeigt, der Richter warnt das Publikum vor verstörenden Bildern. Vor allem das dritte der vier Videos, das zeigt wie der schwarze BMW durch das Bild rast und dabei Menschen überfährt, ist schwer zu ertragen. Die Stimmung legt sich bleischwer auf den Gerichtssaal, wie "Bild" berichtet. Während die Aufnahmen abgespielt werden, herrscht dort absolute Stille. Einzelne Nebenkläger halten sich die Hände vor das Gesicht.

Donnerstag, 13. November, 09.46 Uhr: Der dritte Prozesstag ist eröffnet. Richter Dirk Sternberg fragt den Angeklagten, ob er Signale des Kollisionswarners im Tatfahrzeug, also Warnleuchten oder Warntöne, wahrgenommen habe. Laut Gutachter war der BMW X3 mit diesen ausgestattet.

Die Antwort von Taleb al Abdulmohsen ist ernüchternd. "Ich wusste überhaupt nicht, wie das Auto funktioniert. Aber ich habe nichts mitbekommen." Später betont er erneut: "Während der Fahrt habe ich nichts im Display wahrgenommen."

Justitzbeamte führen den mit Handschellen gefesselten Angeklagten Taleb al-Abdulmohsen in das temporäre Gerichtsgebäude des Landgerichts Magdeburg
Justitzbeamte führen den mit Handschellen gefesselten Angeklagten Taleb al-Abdulmohsen in das temporäre Gerichtsgebäude des Landgerichts Magdeburg dpa

Amokfahrer mit wirrer Rechtfertigung: "Ich bin eine Person, sie sind ein ganzes Volk"

15.59 Uhr: Damit endet der Verhandlungstag. Am Donnerstag werden die Nebenkläger die Gelegenheit bekommen, Fragen an Taleb al Abdulmohsen zu stellen.

15.40 Uhr: Warum hat sich al Abdulmohsen sich ausgerechnet für diese Route entschieden? "Es gab nur diese Straße", bekräftigt der Angeklagte. Da sei es egal, ob jemand zwei oder 200 Menschen verletzen wolle. Warum er dann nicht seine Fahrt früher beendet hat, wenn er nur Aufmerksamkeit wollte? "Ich wollte weiterfahren, bis die Polizei mich erschießt", sagt er.

15.23 Uhr: Warum zeigte al Abdulmohsen vor seiner Amokfahrt auf X ein Bild mit einer Waffe und proklamierte eine "Saudische Militärische Opposition"? Seit seiner Jugend habe er gegen die saudische Regierung kämpfen wollen, sagt der Angeklagte. In den Bergen habe dafür auch einst eine selbst gebaute Bombe getestet. "Ich habe versucht, Leute in Saudi-Arabien zu rekrutieren, damit wir eine militärische Revolution starten", sagt er. Sein ganzes Leben habe er militärisch gedacht und für sein Vorhaben auf Unterstützung aus den USA oder Deutschland gehofft. "Ich wäre der erste Märtyrer gewesen", sagt er, bereit im Kampf an der Front zu sterben. Der Bezug zu seiner Straftat in Magdeburg bleibt unklar.

15.14 Uhr: Die weiteren Richter dürfen jetzt Fragen stellen. Es geht darum, warum er ein Testament mit sich führte. Er glaube, er habe es am selben Tag geschrieben, sagt al Abdulmohsen - falls er einen Autounfall habe oder sich für den Angriff entscheide.

15.02 Uhr: "Ich habe definitiv nicht gemerkt, dass ich jemanden verletzt habe", sagt al Abdulmohsen über seine Amokfahrt auf Nachfrage des Richters. Der wollte wissen, ob er gemerkt habe, dass er auch Menschen überfahrt - die Bewegung zeigt offenbar ein Video. Der Angeklagte schränkt ein, dass er später die Frau auf der Windschutzscheibe bemerkt habe.

14.56 Uhr: Der Vorsitzende Richter fragt, ob al Abdulmohsen daran gedacht habe, dass er Unbeteiligte umbringen könne. "Ich wollte nur, dass Deutschland mich versteht", sagt er. Da habe es für ihn keine Unbeteiligten gegeben. "Alle sind gegen mich, auf der Seite von Zuhältern und Drogenabhängigen", beschreibt er die damaligen Gedanken. Rückblickend sei es seine Ideologie gewesen, dass nur eine Islamisierung Deutschlands dahinter stecken könne.

14.50 Uhr: "Wieso diese schreckliche Kehrtwende?", will der Vorsitzende Richter wissen. Als Arzt habe er doch eigentlich helfen wollen und Pflege auch im Gericht einen höflichen Umgangston.
Al Abdulmohsen verweist auf die angeblich ungerechte Behandlung durch deutsche Sicherheitsbehörden und Zeugen. Sie hätten die Taten gegen ihn und die saudischen Frauen, die er wiederholt anprangert, rücksichtslos begangen. Polizei und Zeugen hätten gelogen, als sie ihn als wirr bezeichneten. "Ich bin eine Person, Sie sind ein ganzes Volk", sagt der Angeklagte.

14.45 Uhr: "Es war mir egal, ob Leute verletzt werden oder sterben", sagt al Abdulmohsen auf Nachfrage des Richters. Menschen seien aber nicht sein ausdrückliches Ziel gewesen.

14.43 Uhr: Richter Sternberg ergreift wieder das Wort. Die Zeit in Haft ist nicht Gegenstand der Tat. Er möchte jetzt in die Befragung gehen. "Ich wollte eigentlich weitererzählen", sagt der Angeklagte enttäuscht. Es gebe viele Sachen, die über die Jahre passiert sind. Es folgt ein kurzer Vortrag über Aufklärung und Postmoderne. Al Abdulmohsen stellt klar: Seine Aussagen seien nicht widersprüchlich, er kontextualisiere sie. Zudem kritisiert er die Diffamierung seiner Person in den Akten. Jetzt lässt er Sternberg Fragen stellen.

14.33 Uhr: "Ich dachte, besser als das man Durchfall bekommt", sagt al Abdulmohsen, als er über die Haftbedingungen spricht. Einmal habe er nur zwei Scheiben Brot bekommen.

14.27 Uhr: Der Angeklagte lobt seinen Gesprächspartner bei der Vernehmung und bedauert, dass er nicht vorher schon mit ihm habe sprechen können. Deutschen Behörden wirft er dann plötzlich wieder vor, Deutschland islamisieren zu wollen.

14.23 Uhr: Wirft der Angeklagte den Polizisten jetzt eine Straftat vor? Die eigenen Reaktionen analysiert der frühere Psychiater unter Verweis auf seine Expertise: "Mein Gehirn hat reagiert auf die Folter." Zuvor hat er noch weitere Vorfälle wie eine zu große Hose aufgeführt. Es wird also wieder unstrukturierter. Bis zur Vernehmung sei er dann wach geblieben.

14.16 Uhr: Plötzlich bittet al Abdulmohsen um Verständnis. "Während des Angriffs war ich verzweifelt", sagt er. Mehrfach betont er, dass er nicht Menschen gezielt angegriffen habe. Er spricht lediglich von einer Frau auf der Windschutzscheibe und eine Flüssigkeit auf der Windschutzscheibe, die ihn irritiert habe. Sonst habe er von der Amokfahrt selbst nichts mitbekommen, keine Verletzten wahrgenommen und sich nur auf die Stände konzentriert, um keinen Unfall zu bauen.

14.13 Uhr: Ein komplett surrealer Moment. Wieder fängt al Abdulmohsen zu weinen. Er erzählt, wer der einzige Mensch war, der an diesem Tag sein Mitleid gehabt habe: Der Polizist, der ihn nach einer möglichen Bombe gefragt habe. "Ich dachte, er hat Frau und Kinder. Er hat keine Angst um sich", sagt der Angeklagte. Für ihn sei die Amokfahrt damit abgeschlossen gewesen. Später bekräftigt er: "Ich habe angegriffen und mit Absicht." Das habe sich jedoch nicht gegen einzelne Personen oder eine Menschenmenge gerichtet. Noch bis November habe er einfach nur über einen Fußgängerweg fahren wollen. "Mir fiel auf, dass der Weihnachtsmarkt ungeschützt ist", begründet er sein Umdenken.

Der Angeklagte Taleb al-Abdulmohsen reagiert bei der Fortführung der Verhandlung nach der Mittagspause in einem kugelsicheren Glaskasten des temporären Gerichtsgebäudes des Landgerichts Magdeburg.
Der Angeklagte Taleb al-Abdulmohsen reagiert bei der Fortführung der Verhandlung nach der Mittagspause in einem kugelsicheren Glaskasten des temporären Gerichtsgebäudes des Landgerichts Magdeburg. dpa

Amokfahrer spricht über entscheidende Sekunden: "Dann habe ich einfach Gas gegeben"

14.04 Uhr: Auf der Suche nach einem Grund, nicht anzugreifen, hätten sich seine Gedankengänge beschleunigt. Was könnten Elon Musk, die BBC, die Polizei oder irgendwer machen, um ihn zu helfen? "Ich habe gesehen, dass es keine Hoffnung gibt", sagt der 51-Jährige. Wenn er nicht angreife und weiterlebe, werde alles nur schlimmer. Auch bei Asyl in Großbritannien verliere er alles in Deutschland, werde möglicherweise abgeschoben. "In letzter Sekunde habe ich die Hoffnung verloren", sagt er.

Also habe er das Lenkrad nach rechts gezogen. In seinem Kopf sei er langsam über den Weihnachtsmarkt gefahren. "Worauf wartest du?", habe er sich noch gefragt. Wenn er jetzt stoppe, werde ihn die Polizei festnehmen. Niemand werde sagen, er habe gestoppt, sondern ihm einen versuchten Anschlag vorwerfen. Es gebe kein Zurück mehr. "Dann habe ich einfach Gas gegeben", sagt er: "Ich habe keine Verletzungen wahrgenommen." Innerlich sei es für ihn gewesen, als laufe er selbst über den Weihnachtsmarkt. Die Aufmerksamkeit habe den Ständen gegolten, um keinen Unfall zu bauen.

13.55 Uhr: In den letzten Sekunden vor dem Angriff habe er Hundert Gedanken im seinem Kopf gehabt. "Ich dachte, ich werde sterben. Das ist das Ende für mich. Die Polizei wird mich erschießen", sagt der Angeklagte.

13.50 Uhr: Nach eigener Darstellung hat Taleb al Abdulmohsen bis zuletzt mit seiner Tat gerungen. "Was ich mache, ist sehr furchtbar", beschreibt er seine Gedanken. Er habe noch versucht, den Tweet zu löschen, sei jedoch gescheitert. "Das war der Grund, warum ich nicht gewartet habe", sagt er. Er habe fünf bis zehn Minuten mehr Bedenkzeit gewollt.

13.44 Uhr: In einer wirren Darstellung der Ergebnisse vor der Amokfahrt will Taleb al Abdulmohsen mehrere Videos aufgenommen und auf X gepostet haben, in denen er seine Beweggründe für den Angriff aufgenommen habe.

13.34 Uhr: Nach der Pause will Taleb al Abdulmohsen ausführen, was seinen Angriff verhindert hätte. Da nennt er zum einen das Taxi, das ihn statt einer Frau in rosa Jacke mitgenommen habe. Zudem habe er gehofft, dass ein kürzlich erschienenes Interview Resonanz finde oder sich die BBC melde. "Ich habe die ganze Zeit gehofft, dass Journalisten aus Deutschland oder von großen internationalen Medien berichten. Das hätte meinen Angriff verhindert", sagt der Angeklagte. Er habe seine Geschichte erzählen wollen. Richter Sternberg interveniert, al Abdulmohsen wiederhole sich und solle bei der Sache bleiben.

13.25 Uhr: Die Verhandlung wird fortgesetzt. Im Saal wundern sich viele, dass der Vorsitzende Richter Taleb al Abdulmohsen trotz zwischenzeitlicher Ermahnung so viel Raum für seine Ausführungen gibt. Er sagt selbst: "Sie haben jetzt schon viel Redezeit bekommen." Er bittet, strukturiert vorzutragen und einen Abschluss zu finden. Gegen 15.30 Uhr soll der zweite Prozesstag enden.

Der Angeklagte Taleb al Abdulmohsen sitzt in einem kugelsicheren Glaskasten des temporären Gerichtsgebäudes des Landgerichts Magdeburg.
Der Angeklagte Taleb al Abdulmohsen sitzt in einem kugelsicheren Glaskasten des temporären Gerichtsgebäudes des Landgerichts Magdeburg. dpa

Amokfahrer will strafrechtliche Verantwortung übernehmen - aber zahlen soll der Staat

12.20 Uhr: Dass die Polizei seine Anzeige gegen die eigenen Rechtsanwälte nicht aufgenommen hatte, hinterließ offenbar tiefen Frust. "Er hat mich praktisch rausgeschmissen", sagt al Abdulmohsen über den Polizeibeamten. Mit bedrohlichen Gesten sei er gezwungen worden, das Büro zu verlassen. Er habe deshalb gedacht, dass der Polizist denke, nur Islamisten könnten Bombenangriffe in Deutschland verüben. Wütend habe er an eine Freundin geschrieben: "Die guckst die Entstehung von einem Terroristen." Mit der Mahnung des Vorsitzenden Richters, sich auf die Tat zu fokussieren, geht der Prozess bis 13.20 Uhr in die Pause.

12.14 Uhr: "Ich finde es moralisch begründet, dass ich deutsche Bürger umbringe", zitiert al Abdulmohsen aus einer Chatnachricht - eine unglaubliche Aussage. Der Angeklagte findet aber, es wäre nicht so frech gewesen, das an Deutsche zu schreiben. Er habe gedacht, seine Gesprächspartnerin sei Schweizerin. "Die strafrechtliche Verantwortung trage ich", betont al Abdulmohsen in einem Moment, in dem zu halbwegs bei Sinnen wirkt. Die deutschen Behörden sollten dagegen die Zivilansprüche für Betroffene zahlen.

12.04 Uhr: Schichtwechsel bei der Polizei. Die zwei Beamten in al Abdulmohsens Glaskasten werden abgelöst. Der Angeklagte setzt seine Tirade über Anzeigen, Akten und Begebenheiten unbeirrt fort. So mancher im Saal dürfte die Polizisten im Glaskasten im ihre Ohrenschützer beneiden.

11.58 Uhr: Über 14 Monate habe er Magdeburg besucht, um mögliche Sicherheitslücken zu finden, sagt al Abdulmohsen. An einem Eiscafé habe er zum Beispiel beobachtet, dass die Sicherheitspoller entfernt gewesen seien. "Ihre Polizei lügt!", sagt er. Denn die habe später behauptet, die Poller seien nicht entfernbar. 

Im August 2024 habe er noch überlegt, mit der Sprayattacke einen friedlichen Weg zu wählen. Im Oktober dann das Eiscafé ins Visier genommen. Bis eine Sekunde vor dem Angriff sei das alles noch in seinem Kopf gewesen und er habe überlegt, was er machen könne, um seine Anliegen voranzutreiben. Sein Selbstbild: "Ich wollte mit der Polizei kooperieren." Er sehe sich als den Mann, der helfe, Hinweise zu sammeln. "Ich war bereit, für Deutschland zu kämpfen."

11.36 Uhr: Einmal mehr steigert sich al Abdulmohsen in eine Tirade gegen die Polizei. Dieses Mal geht es um eine Anzeige aus dem Februar 2023, die angeblich falsch aufgenommen worden sei. "Meine Aussagen wurden total verzerrt", beklagt der Angeklagte. Zudem habe auch hier gestanden, er wirke verwirrt. Dabei seien seine eingereichten Beweismittel gar nicht berücksichtigt worden.

11.28 Uhr: "Ich bin nicht gegen Sie", ruft al Abdulmohsen in den Saal und fängt an zu weinen: "Ich bin einer von Ihnen!" Das dürfte ganz Magdeburg anders sehen. Der Angeklagte fährt fort, dass er den Westen mehr liebe als sein Heimatland. Er sei zwar Saudi-Araber und nicht Deutscher. Seine Loyalität gelte aber Deutschland und nicht Saudi-Arabien.

11.11 Uhr: "Alles hat damit zu tun", sagt al Abdulmohsen. Das gelte auch für seine früheren Anwälte, die Akten unterschlagen hätten. Jetzt geht es wieder um den Kölner Verein - in seiner Welt die "korrupteste Asylorganisation der Welt"; Zuhälter und Drogenabhängige, die im Bereich Beschaffungskriminalität tätig wären.

11.08 Uhr: Al Abdulmohsen konkretisiert frühere Anschlagspläne 2023. Überlegt habe er zum Beispiel, eine Explosion mit Gaszylindern herbeizuführen. Konkreter sei der Plan gewesen, ein Graffiti auf dem Gebäude anzubringen und der Staatsanwaltschaft die Unterstützung sexuellen Missbrauchs saudischer Frauen in Deutschland vorzuwerfen. Warum er davon absah, führt er nicht aus. Stattdessen geht es wieder um die vermeintlich harte Bestrafung friedlicher Menschen und angebliche Verfehlungen der Polizei.

11.00 Uhr: Er habe unter anderem einen Anschlag auf die Staatsanwaltschaft geprüft, sagt al Abdulmohsen. In einem anderen Fall habe er sogar bei einer Anzeige gegen eine Frau den späteren Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am 20. Dezember 2024 angekündigt: "Die Anzeige blieb in der Akte ohne Beachtung - als wäre ich kein Mensch."

10.58 Uhr: Bis zuletzt sei er unentschlossen gewesen, die Tat zu begehen, sagt al Abdulmohsen. Hätte ihn die BBC interviewt oder ein anderes Interview auf einer Plattform Resonanz gefunden, hätte ihm das gereicht. "Warum sollte ich dann Leute verletzen, ich hätte keinen Grund", sagt der Angeklagte: "Ich wollte einfach, dass die Welt mich hört, dass wir leiden, dass wir verfolgt werden." Die Öffentlichkeit benötige die Informationen, um Deutschland in Zukunft zu schützen.

Der Angeklagte Taleb al-Abdulmohsen sitzt mit Handfesseln in dem kugelsicheren Glaskasten Gerichtssaal im temporären Gerichtsgebäude des Landgerichtes Magdeburg.
Der Angeklagte Taleb al-Abdulmohsen sitzt mit Handfesseln in dem kugelsicheren Glaskasten Gerichtssaal im temporären Gerichtsgebäude des Landgerichtes Magdeburg. dpa

Amokfahrer enthüllt, was er vor der Tat tat und verhöhnt die Opfer

10.51 Uhr: Was für ein Hohn für die Opfer! "Ich würde sagen: schade", sagt al Abdulmohsen über seine Amokfahrt. Denn er sei gar nicht entschlossen gewesen, diese Tat zu begehen. Mit dem letzten Zug, mit dem er den Mietwagen noch abholen konnte, sei er nach Magdeburg gefahren. Eine Verspätung und er hätte es nicht geschafft. 

Ein Taxi, das ihn zur Abholstation bringen konnte, habe er am Bahnhof nicht gesehen und nicht laufen wollen. Also sei er zunächst zur Sparkasse gegangen - und dann habe er ein Taxi gefunden. Ansonsten hätte er nur Geld abgehoben und wäre in einem Wald spazieren gegangen.

10.43 Uhr: "Die Polizei schreibt, dass ich wirr war", sagt al Abdulmohsen, als er über weitere Anzeigen zum Beispiel über eine angeblich saudische Zuhälterin berichtet. Diese Bezeichnung steht seit gestern nicht nur in Polizeiakten, sondern ebenfalls in zahlreichen Medien. Zuvor spricht er über Einsteins Relativitätstheorie und Stephen Hawkings Theorie vom Urknall ohne Anfang. Um es zu wiederholen: wirr.

10.34 Uhr: Der Angeklagte springt wieder in seine Jugend in Saudi-Arabien. "Jede Sängerin wird als Schlampe betrachtet. Das hat mich traumatisiert", sagt er in zumindest verständlichen Sätzen. Weiter geht es mit Jugenddebatten über die Wissenschaftsfeindlichkeit des Christentums und des Islams. Der tiefere Sinn bleibt noch verborgen.

10.32 Uhr: Al Abdulmohsen will aus seinen Gedichten referieren, die er offenbar im Gefängnis schreibt. In einem fragt er sich, ob Gott eine Sonnenblume ist, die sich im Sonnengang gebeugt habe. Was das bedeuten soll, zählt unter die Kunstfreiheit. Der Bezug zu einem Strafprozess bleibt aber unklar. Jedenfalls wäre später das Zelt die Trümmer des Himmels. Der Teil dazwischen war noch weniger verständlich, als dass er wiedergegeben werden könnte.

Als Angeklagter sich an Eltern des getöteten André (9) wenden will, grätscht Richter dazwischen

10.25 Uhr: Harter Tobak für die Opfer. Al Abdulmohsen gibt den Behörden die Schuld für seine Tat. "Niemand wollte wissen, wie wir leiden", sagt er. Wäre das anders gelaufen, hätte er niemanden umgebracht.

Als Abdulmohsen wieder in Richtung der Eltern des getöteten André etwas sagen will, grätscht Richter Sternberg dazwischen. Niemand von der Nebenklage wolle etwas von Entschuldigung hören oder die Schrecken des 20. Dezember 2024 noch einmal durchleben.

10.22 Uhr: Jetzt geht es um Online-Aktivitäten. Ein Nutzer habe angebliche Nachrichten von ihm veröffentlicht, um ihn als saudischen Spion und Muslim zu diffamieren. Selbst der Vorsitzende Richter habe dem Glauben geschenkt, kritisiert al Abdulmohsen. "Er lügt!", sagt er und behauptet, die Nachrichten nie verschickt zu haben. Der Mann, der sich auf dem sozialen Netzwerk X "Ali Utlu" nennt, sei Mitglied der "korrupten Organisation" in Köln gewesen, behauptet der Angeklagte.

10.18 Uhr: Jetzt dehnt al Abdulmohsen die Verschwörung wieder aus. Die "Täter aus Magdeburg" sollen eine Verbindung zu der "korrupten Organisation" aus Köln gehabt haben, die sich gegen ihn gerichtet habe. Auch das habe die Polizei ignoriert. Ohne erkennbaren Zusammenhang kommt der nächste Knaller: "Die Magdeburger Polizei wollte saudische Frauen umbringen, weil sie die Aufmerksamkeit der Welt auf die dunkle Seite des Islam richten."

10.14 Uhr: Dem Mann und einer Komplizin, die zwischenzeitlich festgenommen worden sei, unterstellt al Abdulmohsen, mit der saudischen Regierung zu kooperieren. Alternativ müsse er eine Vertrauensperson der deutschen Polizei sein. Nur so lasse sich erklären, dass das Betrugsgeld aus Aktionen gegen saudische Frauen nicht beschlagnahmt worden sei. Denn trotz aller angeblichen Beweise habe die deutsche Polizei keine Bedenken bei den beiden Personen gehabt.

10.10 Uhr: Jetzt geht es um einen angeblichen Spion aus Saudi-Arabien, der in Deutschland Asyl gesucht habe. Seine Anzeige dazu sei jedoch ignoriert worden, sagt al Abdulmohsen. Seine Hinweise seien viel mehr an den Mann weitergeleitet worden. Dabei habe der Mann "Betrugsgeld" von Mittäterinnen empfangen. "Ich habe damit gerechnet, dass ich während eines Eingriffes getötet werde", sagt er eingangs und meint damit offenbar die Magdeburger Polizei.

10.06 Uhr: Al Abdulmohsen offenbart einen Hungerstreik im März/April dieses Jahres. In den letzten Tagen vor seiner Einweisung in ein Krankenhaus habe er nur noch Mineral- statt Leitungswasser bekommen. Dadurch seien alle Symptome verschwunden und sein Gesundheitszustand normal gewesen. Das will er jetzt wieder drei Wochen durchziehen. "Man erwartet keine körperlichen Schäden", sagt er. Seine Verhandlungsfähigkeit solle das also nicht beeinflussen. Es sei für ihn ein "friedlicher Weg". Wozu ist nicht ganz verständlich, er könnte Geistlichkeit gesagt haben.

10.01 Uhr: "Können wir uns darauf einigen: Überschrift 20. Dezember 2024?", fragt der Richter den Angeklagten und hofft, die Aussage zu straffen. Immerhin habe al Abdulmohsen die Möglichkeit, sich später und noch mehrfach zu äußern. "Ich möchte die Themen selber wählen", erwidert al Abdulmohsen und deutet auch rund um die Amokfahrt eine angebliche Vertuschung durch die Magdeburger Polizei an.

09.58 Uhr: Sternberg droht außerdem, ihm den Laptop wegzunehmen, sollte er noch einmal politische Botschaften verbreiten. Offenbar ist das auch eine Justizpanne: al Abdulmohsen soll mit dem Gerät die Akten einsehen, aber nicht selbst schreiben können. Warum das technisch möglich war, soll überprüft werden. Der Vorsitzende Richter legt dem Angeklagten zudem nahe, die Einlassung besser zu strukturieren und sich an den Tatvorwürfen zu orientieren.

Bevor Amokfahrer weiter aussagt, macht Richter ihm klare Hungerstreik-Ansage

09.54 Uhr: Richter Sternberg macht dem Angeklagten eine klare Ansage! Denn ihm ist berichtet worden, dass al Abdulmohsen heute morgen nichts gegessen hat. "Sie haben es nicht in der Hand, durch Hunger- oder Durststreik die Verhandlung aufzuhalten", sagt er. Offenbar hat der Angeklagte bereits zuvor angedeutet, den Prozess damit verzögern oder torpedieren zu wollen. Sternberg verweist auf die Strafprozessordnung: Wird die Verhandlungsunfähigkeit vorsätzlich herbeigeführt, ist die weitere Anwesenheit nicht erforderlich. Der Prozess könnte dann auch ohne ihn weitergehen.

09.48 Uhr: Mit fast 20-minütiger Verspätung bertreten die Richter der Schwurgerichtskammer den Saal. Damit dürfte der Angeklagte gleich das Wort erhalten.

09.42 Uhr: Der Beginn des Prozesses verzögert sich, weil noch eine entscheidende Personengruppe fehlt: Die Richter sind noch nicht im Gerichtssaal.

09.25 Uhr: Bislang haben sich nur vereinzelt Nebenkläger im Saal eingefunden. Taleb al Abdulmohsen wird indes erneut von maskierten Polizisten in den Glaskasten geführt, seine Anwälte unterhalten sich außerhalb.

08.54 Uhr: Für die Nebenkläger und Opfer war der Auftakt des Weihnachtsmarkt-Prozesses am Montag nur schwer auszuhalten. Wer noch die Kraft aufbrachte, sich Taleb al Abdulmohsen im Magdeburger Gerichtssaal gegenüberzusetzen, erhielt kaum Informationen zu der Tat, für die sich der Angeklagte verantworten muss: die Amokfahrt auf dem Weihnachtsmarkt 2024. 

Zwar gestand der 51-Jährige, das Fahrzeug gefahren zu haben. Von Reue oder Anteilnahme zeigte er jedoch keine Anzeichen. Nur an die Eltern des verstorbenen André (9) richtete der Angeklagte unter Tränen eine Entschuldigung. Ansonsten eröffnete er eine Welt voller Verschwörungen, in der die Magdeburger Polizei Islamkritiker töte und ein Kölner Verein saudische Flüchtlinge missbrauche. Die Aussagen darf er ab 9.30 Uhr fortsetzen, wenn der zweite Verhandlungstag beginnt.

Dienstag, 11. November, 08.26 Uhr: Heute steht Tag zwei im Prozess gegen den Todesfahrer von Magdeburg, Taleb al Abdulmohsen, an. Er hat angekündigt, sich „stundenlang, vielleicht tagelang“ äußern zu wollen. Er will vor dem Landgericht Magdeburg auch Fragen beantworten.

Am Vorabend wurde dem Magdeburger Weihnachtsmarkt vorerst die Genehmigung verweigert. Grund sind Diskussionen um das Sicherheitskonzept. Hintergrund sei ein Schreiben des Landesverwaltungsamtes an die Stadt, in dem dieses Konzept fast ein Jahr nach dem verheerenden Anschlag kritisiert wurde, teilte die Stadt mit.

Verhandlungstag beendet

15.31 Uhr: Die Verhandlung wird am morgigen Dienstag um 9.30 Uhr fortgesetzt.

15.31 Uhr: Der Vorsitzende Richter unterbricht al Abdulmohsen, der Verhandlungstag nähert sich dem Ende. Er verspricht dem Angeklagten, auch weiter seine konkreten Beweggründe für die Tat ausführen zu dürfen. Der zeigt sich außerdem bereit, im Anschluss an die Einlassung Fragen des Gerichts zu beantworten.

15.26 Uhr: Wieder bemängelt al Abdulmohsen, dass er wie alle Islamkritiker als rechtsextrem bezeichnet werde und beschuldigt die Magdeburger Polizei des mehrfachen Mordes. Warum er gar nicht rechtsextrem sei? "Ich liebe die postmodernen Werte", begründet er und nennt die positive Diskriminierung als Beispiel - ein Prinzip, bei dem lange, strukturell benachteiligte Gruppen nun zum Ausgleich leichte Vorteile erhalten.

Angeklagter mit erneuten Vorwürfen gegen die Polizei

15.13 Uhr: In mehreren weiteren Fällen beklagt al Abdulmohsen die Arbeit der Polizei in Magdeburg. Da geht es zum Beispiel um Vorwürfe von Erpressung mit Nacktbildern, die er angezeigt habe oder einen Balkonsturz. Immer wieder habe er Hinweise gegeben. "Alles wurde ignoriert, als hätte ich gar nichts erzählt", beschwert er sich. Die vermeintlichen Täter seien dagegen unbehelligt geblieben.

15.05 Uhr: Wieder erhebt al Abdulmohsen Vorwürfe gegen die Polizei in Magdeburg. Im November 2020 habe er von einem akuten Fall erfahren, bei dem sich eine Frau auf der Toilette verbarrikadiert habe, weil ihr Mann sie umbringen wollte. Also habe er die 110 gewählt - die Beamten seien jedoch untätig geblieben. "Die Polizei hat mir mit einer Anzeige gedroht", sagt der Angeklagte, ihm sei der Missbrauch des Notrufs vorgeworfen worden.

14.58 Uhr: Wirklich verständlich sind die weiteren Ausführungen einmal mehr nicht. Es klingt zumindest durch, dass sich al Abdulmohsen dagegen wehrt, als politisch rechts eingeordnet zu werden. Dass er 2016 mit der AfD zu einem islamkritischen Projekt zusammenarbeiten wollte, lasse keine solchen Rückschlüsse zu.

Angeklagter wirft Verein vor, Flüchtlinge dazu ermutigt zu haben, sich zu prostituieren

14.51 Uhr: Der Angeklagte holt jetzt aus und spricht über Geschichten aus seiner Jugend, die ihn offenbar geprägt und am Islam Zweifel geweckt haben. Da geht es um einen Jungen, der nicht ermutigt worden sei, Musik zu spielen. Unter Tränen erzählt er, wie eine 19-Jährige von ihrem Bruder ermordet worden sei, nachdem sie dabei erwischt worden sei, wie sie einen anderen Mann geküsst habe. "Was ist die Schuld dieser Frau?", fragt al Abdulmohsen entrüstet.

14.42 Uhr: Die Säkulare Flüchtlingshilfe in Köln bezeichnet al Abdulmohsen fortwährend als "korrupte Organisation". Er wirft dem Verein vor, Flüchtlinge aus Saudi-Arabien dazu ermutigt zu haben, sich zu prostituieren. Auf seine Anzeige habe die Kölner Polizei nicht so reagiert, wie er es erwartet habe. Auch gegen die Magdeburger Polizei erhebt er wieder Vorwürfe.

Sachsen-Anhalt, Magdeburg: Der Angeklagte Taleb al-Abdulmohsen hält zu Prozessbeginn seinen Laptop mit der Aufschrift „#MagdeburgGate“ in einem kugelsicheren Glaskasten im Gerichtssaal im temporären Gerichtsgebäude des Landgerichtes Magdeburg in die Höhe.
Der Angeklagte Taleb al-Abdulmohsen hält zu Prozessbeginn seinen Laptop mit der Aufschrift „#MagdeburgGate“ in einem kugelsicheren Glaskasten im Gerichtssaal im temporären Gerichtsgebäude des Landgerichtes Magdeburg in die Höhe. dpa

"Die Polizei lügt", sagt der Angeklagte

14.33 Uhr: In einem Brief will er sich auch an die ehemalige Bundesinnenministerin gewandt haben. "Wo sind die friedlichen Wege zur Gerechtigkeit in Deutschland?", sagt er in diesem Zusammenhang. Dann spricht er den September 2026 an, an dem in Sachsen-Anhalt Wahlen anstehen und richtet sich an die Öffentlichkeit: "Sie können drei deutschlandfeindliche Parteien rausschmeißen." Bevor er fortfährt, unterbricht Sternberg. "Das hat denke ich nichts mit der Einlassung zu tun", sagt er. Bevor der Angeklagte wieder das Wort erhält, mahnt der Vorsitzende Richter: "Denken Sie daran, dass es auch Grenzen gibt."

14.30 Uhr: Al Abdulmohsen führt weiter aus. "Die Polizei lügt" und verstecke die Wahrheit, sagt er. Der Angeklagte bezieht sich auf einen Chatverlauf, in dem die Polizei keine tatrelevanten Inhalte erkennt habe. Zudem kritisiert er das verlorene Gerichtsverfahren gegen den Kölner Verein.

"Ich habe das Auto gefahren": Amokfahrer sagt nur wenige klare Sätze

14.26 Uhr: "Ich bin derjenige, der das Auto gefahren hat", sagt al Abdulmohsen mit fester Stimme. Eine der wenigen Sätze, die verständlich sind. Gleich danach behauptet er, die Polizei verstecke die Wahrheit und erzählt etwas von einer Person, die er offenbar im Februar 2024 bedroht habe. Zuvor hat er angekündigt, er werde einen Skandal für die Magdeburger Polizei enthüllen. Angela Merkel habe "Deutschland verraten und verkauft". Ausländer sollten nicht benachteiligt werden, weil er etwas getan habe. Über seinen Bildschirm zeigt er Namen und Filmtitel.

Angeklagter bricht in Tränen aus - dann erzählt er zusammenhanglos

14.22 Uhr: Der Angeklagte bricht in Tränen aus! Bei zwei Menschen entschuldigt er sich für einen Brief. 

Es lässt sich nur schwer zusammenfassen, was al Abdulmohsen von sich gibt. Er spricht von einem Kind, das am 20. Oktober in seinem Fahrweg gestanden habe mit einer Botschaft. "Was ist meine Schuld? Gib mir eine Chance!" 

Angefangen hat er mit Voltaire als angeblichen Islamkritiker, Medienmanipulation und Verfolgung von abtrünnigen Muslimen. Ein wirklicher Zusammenhang lässt sich nicht erkennen.

Jetzt sagt der Angeklagte aus - Richter lehnt Antrag ab

14.11 Uhr: Taleb al Abdulmohsen will dem Vorsitzenden Richter zufolge Botschaften über seinen Laptop zeigen - als Teil einer Einlassung. "Das werden wir so nicht machen können aus prozessualen Gründen", weist Sternberg das Anliegen zurück. Jetzt hat der Angeklagte das Wort, aber es gibt Mikrofonprobleme.

Es geht weiter! Angeklagter hält wieder Botschaft hoch

14.09 Uhr: Die Prozessbeteiligten kehren in den Gerichtssaal zurück und nehmen ihre Plätze ein. Gleich geht die Verhandlung weiter. Mit Gänseschritten und offenbar mit Handschellen versehen führen drei maskierte Beamte Taleb al Abdulmohsen wieder in seinen gläsernen Schutzkasten. Seine Anwälte unterhalten sich noch im Außenbereich. 

Nach den kryptischen Botschaften am Morgen ist davon auszugehen, dass der Angeklagte seine Einlassung als Bühne nutzen könnte, um eine wirre Gedankenwelt voller Verschwörungen offenzulegen. Erneut hält er den Bildschirm seines Laptops in die Kameras, um Botschaften zu verbreiten.

Angeklagter Amokfahrer will "stundenlang, vielleicht tagelang" aussagen

12.59 Uhr: Der Angeklagte will selbst aussagen! Auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters bestätigt al Abdulmohsen, dass er eine Einlassung wünscht. Wie lange die dauern soll? "Stundenlang, vielleicht tagelang", kündigt der Angeklagte an. Heute soll die Verhandlung bis maximal 15.30 Uhr andauern. Nun ist erstmal Mittagspause.

12.57 Uhr: Nach mehr als 30 Minuten schließt Böttcher diesen Abschnitt ab und beendet kurze Zeit später die Verlesung der Anklage. "Ich habe die Anklage gehört und verstanden", bestätigt al Abdulmohsen auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters.

Oberstaatsanwalt beschreibt tragische 16 Sekunden detailliert

12.39 Uhr: Bei der Verlesung der Anklage wird deutlich, wie akribisch die Ermittler jedes einzelne Schicksal dokumentiert haben. Nur um diese 16 Sekunden der Amokfahrt zu rekapitulieren, benötigt Oberstaatsanwalt Böttcher bereits fast 20 Minuten - und die Grausamkeiten nehmen kein Ende. Mit am deutlichsten wird das bei einem Opfer, das mehrere Meter vom Auto mitgeschleift wurde und unter anderem eine Zertrümmerung des Herzens erlitt - und in der Folge starb. Das Leben von Dirk B. konnten die Ärzte dagegen retten. al Abdulmohsen hat ihn von hinten erfasst, er wurde mehrere Meter durch die Luft geschleudert. Nach einer Notoperation wurde er noch bis zum 31. Dezember 2024 stationär versorgt.

12.17 Uhr: Die Anklageschrift ist in mehrere Abschnitte gegliedert. Oberstaatsanwalt Böttcher übernimmt wieder und trägt die 16 Sekunden vor, in denen al Abdulmohsen vom Alten Markt in die Hartstraße abgebogen sein soll. Die verheerende Konsequenz: drei Tote, 107 Verletzte, 29 unmittelbar vom Fahrzeug oder Gegenständen erfasste Personen - und vier knapp Verfehlte. Einmal mehr geht es um die Einzelschicksale, die von al Abdulmohsens Amokfahrt betroffen wurden. Dabei lässt sich nicht in jedem einzelnen Fall rekonstruieren, wie die Verletzung im Detail zustande kamen.

Viele Plätze im extra errichteten Gerichtsgebäude sind leer

12.05 Uhr: Zum Prozessauftakt wirkt das extra errichtete Gerichtsgebäude überdimensioniert. Im Bereich der Nebenklage mit den 17 Sitzreihen ist eine Hälfte kaum besetzt und auch die andere nicht vollständig gefüllt. Eine ähnliche Kulisse zeigt sich im Zuschauerbereich: Hier dürfte nur etwas mehr als jeder zweite der 100 Sitzplätze belegt sein. Im Bereich für die Presse ist etwas mehr los.

Oberstaatsanwalt berichtet in allen Einzelheiten über die Amokfahrt

11.54 Uhr: Die Horroraufzählung setzt sich fort. Staatsanwalt Reinl trägt jede einzelne Leidgeschichte vor. Bei einer Frau platzte infolge der Amokfahrt die Fruchtblase, wodurch es zu einer verfrühten Geburt kam. Einige Opfer wurden durch den Aufprall durch die Luft geschleudert, andere von zur Seite gedrückten Personen umgestoßen. So fiel in dem Chaos zum Beispiel auch ein Kind aus dem Kinderwagen und erlitt Verbrennungen. Einzelne wurden mehrere Meter mitgeschleift. Es ist ein kaum vorstellbares Leid, das die Staatsanwaltschaft hier so nüchtern vorliest - und das Hunderte Magdeburger erleben mussten.

11.32 Uhr: Nach wie vor trägt die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg die Anklage vor. Inzwischen hat Staatsanwalt Reinl übernommen und listet die Geschädigten mit ihren Verletzungen und der Behandlungsdauer auf. Der Angeklagte sitzt nicht mehr ganz so starr in seinem Glaskäfig. Auf die Schilderungen der Gräuel, für die er sich verantworten muss, reagiert er jedoch weiterhin nicht. Zwischendurch ändert er seine Sitzposition, dann putzt er sich die Nase, fährt mit der Hand durch seinen Bart oder hebt den Kopf leicht aus der überwiegend gesenkten Haltung.

11.13 Uhr: Prellungen, Verstauchungen, Knochenbrüche, künstliche Beatmung, Unterkieferfraktur, Bewusstseinsverlust: In aller Detailtiefe zählt Böttcher den Horror vom 20. Dezember 2024 auf. Er erläutert, wer wie zu Schaden kam und wie lange behandelt werden musste. Die Amokfahrt dauerte nur zwei Minuten. Der Oberstaatsanwalt benötigt deutlich länger, um das das Leid und den Schmerz auszuführen, das al Abdulmohsen damit verursacht hat. Vom Trauma für die Betroffenen und den Schock für die ganze Stadt ist da noch gar keine Rede.

"Heimtückisch": Jetzt wird die Anklage verlesen

10.46 Uhr: Oberstaatsanwalt Böttcher verliest jetzt die Anklage. Die Anklage wirft al Abdulmohsen vier Straftaten vor - "aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch und mit gemeingefährlichen Mitteln".

Nüchtern referiert der Oberstaatsanwalt die Anklage. Infolge seines Hangs zu Straftaten sei al Abdulmohsen "für die Allgemeinheit gefährlich". Mit dem BMW X3 sei er über 348 Meter und einer Geschwindigkeit von bis zu 48 Kilometern pro Stunde über einen belebten Fußweg gefahren und habe sich "zielgerichtet gegen eine Vielzahl von Passanten" gerichtet. Er habe eine möglichst große Anzahl von Menschen töten wollen und infolge der Panik weitere Tote und Verletzte riskiert.

Als Motiv nennt Böttcher die "vermeintliche persönliche Kränkung und Frustration" nach einer gerichtlichen Niederlage gegen die säkulare Flüchtlingshilfe. Er habe "Rache durch Tötung willkürlich ausgewählter Opfer" nehmen wollen.

Detailliert schildert der Staatsanwaltschaft, wie die Tat ablief, wen al Abdulmohsen bei seiner Amokfahrt verletzte. "Mindestens jene Person wurde unter dem Fahrzeug mitgeschleift", heißt es dann, oder: "Zwei Personen sind vollständig überfahren worden."

Al Abdulmohsen wirkt anteilnahmslos. Fortwährend senkt er den Kopf und blickt auf den Laptop vor sich - ohne Regung, ohne Bewegung.

Verteidiger verlangt eine Pause - Richter ist wieder nicht einverstanden

10.27 Uhr: Verteidiger Rutkowski will eine zehnminütige Pause, bevor die Staatsanwaltschaft die Anklage verlesen darf. Er will sich mit seinen Kollegen beraten und womöglich einen Kammerbeschluss herbeiführen. Sternberg gibt vorher noch zu bedenken, dass die Kammer sich bereits vorberaten habe.

Die Nebenklage beabsichtigt keine weiteren Anträge. Die Kammer hält am bisherigen Vorgehen fest, damit bleibt der Angeklagte im Glaskäfig und das Mikrofon angeschaltet.

Unter Gelächter des Publikums lehnt Richter Antrag des Verteidigers ab

10.20 Uhr: Anwalt Rutkowski will seinen Mandanten raus aus dem Glaskasten holen! In einem zweiten Antrag pocht er darauf, die polizeiliche Sitzungsanordnung aufheben lassen. Der Käfig sei "in der aktuellen Fassung unverhältnismäßig", beklagt er. Zudem werde sein Mandant in seinen Rechten beschränkt. Rutkowski betont, dass es sich nicht um einen Terror- oder Staatsschutzakt handele. Der Lüfter sei zu laut und erschwere die Kommunikation. Das Raumklima sei unzumutbar, erschwere die Konzentration und erhöhe das Infektionsrisiko.

Auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters räumt der Anwalt ein, dass der Lüfter aktuell gar nicht läuft. Gleichwohl merke er die trockene Luft, wenn er viel rede. "Dann nehmen sie mal einen Schluck Wasser", empfiehlt Sternberg unter dem Gelächter des Publikums. Der Antrag wird abgelehnt, die Sicherheitsvorkehrungen seien notwendig, um den Angeklagten zu schützen.

Richter entscheidet: Mikrofon bleibt dauerhaft eingeschaltet

10.10 Uhr: Oberstaatsanwalt Böttcher zeigt wenig Verständnis für den Antrag. "Die Situation ist nicht anders als in jedem anderen Gerichtssaal", sagt er. Es sei wichtig, die Reaktion des Angeklagten unmittelbar wahrnehmen zu können. Auch Richter Sternberg sieht keine Einschränkung für dessen Rechte, wenn das Mikrofon dauerhaft angeschaltet bleibt.

Verteidiger beklagt sich erstmal, weil Gespräch mit Angeklagtem ausblieb

10.04 Uhr: Rechtsanwalt Thomas Rutkowski ergreift das Wort und schickt gleich Kritik an das Gericht. Den Verteidigern sei zugesichert worden, mit al Abdulmohsen, ein Gespräch vor dem Gerichtstermin führen zu können. "Dazu ist es nicht gekommen", beklagt Rutkowski. Sie bräuchten Gelegenheit, den Prozesstag zu besprechen. Richter Sternberg will dafür in einer Pause die Gelegenheit geben. Zudem beantragt der Anwalt, das Stabmikrofon zu wechseln - der Angeklagte will nicht, dass seine Gespräche mit den Verteidigern durchgehend in den Zuschauerraum übertragen werden.

09.59 Uhr: Richter Sternberg geht die Namen der Nebenklage durch und hat seine Liste eigentlich abgearbeitet. Doch mehrere Namen sind ihm offenbar nicht übermittelt worden - mehrere Anwesende ihm Saal melden sich noch per Handzeichen und geben ihre Namen zu Protokoll. al Abdulmohsen verfolgt das Geschehen ruhig sitzend in seinem Glaskasten. Immer wieder legt er eine Hand an seinen langen Vollbart.

Der Angeklagte sitzt in seinem Glaskasten, hinter ihm mehrere vermummte Beamte
Der Angeklagte sitzt in seinem Glaskasten, hinter ihm mehrere vermummte Beamte dpa

Auf dem Display des Angeklagten steht "#MagdeburgGate"

09.50 Uhr: Richter Sternberg geht die Formalien durch. Die Kamera aus dem Gerichtssaal schwenkt kurz zu al Abdulmohsen und fängt seinen Bildschirm ein. "#MagdeburgGate" steht dort und "Sept. 26" - der Angeklagte hält weiterhin an seiner Verschwörung fest. Er sitzt mittig zwischen seinen beiden Pflichtverteidigern, in beiden hinteren Ecken haben maskierte Polizisten Platz genommen.

Angeklagter streckt seinen Laptop in Richtung des Publikums

09.32 Uhr: Plötzlich nimmt al Abdulmohsen seinen Laptop in die Hand und reckt ihn in Richtung der Presse und des Publikums! Aus dem Zuschauerbereich ist allerdings nicht zu erkennen, welche Botschaft er verbreiten möchte.

Angespannte Stille im Gerichtssaal, als der Amokfahrer hereinkommt

09.29 Uhr: Angespannte Stille im Gerichtssaal. Taleb al Abdulmohsen betritt den Glaskasten. Die Pressevertreter nehmen Foto- und Bildmaterial auf. Der Angeklagte sitzt ruhig auf seinem Stuhl und blickt auf den Bildschirm vor ihm.

Wie reagieren die Nebenkläger und Besucher auf den Angeklagten?

09.20 Uhr: Allmählich betreten Nebenkläger und Anwälte den Gerichtssaal und nehmen ihre Plätze an den 17 Tischreihen ein. Auffällig ist die bunte Farbmischung an Kleidung: lila, gelb, türkis, dunkelgrün. Manche haben haben sich für einen monotonen Stil entschieden, andere für Streifen oder Karomuster. Bislang wirkt die Stimmung ruhig. An den Eingängen bleibt alles geordnet und gut organisiert, der große Andrang ist bisher ausgeblieben. Im Besucherbereich sind noch einige Stühle unbesetzt. Gleich wird sich zeigen, wie die Nebenkläger und Besucher reagieren, wenn Abdulmohsen den Saal betritt und zu seinem Glaskasten geführt wird. Gerade betreten die beiden Anwälte den abgeschirmten Raum - begleitet von zwei maskierten Polizisten.

Angeklagter Taleb al Abdulmohsen sitzt mit Verteidigern in einem Glaskasten

08.47 Uhr: Für Magdeburg dürfte dieser Prozess ungeahnte Dimensionen erreichen. Allein 17 Tischreihen stehen allein für die mehr als 140 Nebenkläger und deren rund 40 Anwälte bereit. Von der Decke hängen 4 Reihen mit jeweils fünf Monitoren, dazwischen rotieren Ventilatoren. Auf der gegenüberliegenden Seite steht der glaub-graue Glaskasten bereit, in dem Taleb al Abdulmohsen (51) bald Platz nehmen wird. Von der Seite und durch eine Glaswand getrennt sind weitere 200 Sitzplätze für Presse und Besucher reserviert.

Taleb A. kommt am Montagmorgen am Gericht in Magdeburg an
Taleb A. kommt am Montagmorgen am Gericht in Magdeburg an dpa

Taleb al Abdulmohsen droht die Höchststrafe

Montag, 10. November, 06.30 Uhr: Diese Gerichtsverhandlung wird in die deutsche Justizgeschichte eingehen. Beim Weihnachtsmarkt-Prozess in Magdeburg muss sich Taleb al Abdulmohsen von heute an für den Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am 20. Dezember 2024 verantworten. Ihm wird sechsfacher Mord, versuchter Mord an 338 Menschen und gefährliche Körperverletzung von 309 Menschen zur Last gelegt.

Die Anklage sieht die Merkmale "heimtückisch" und "mit gemeingefährlichen Mitteln" als erfüllt an. Damit droht bei einer Verurteilung die Maximalstrafe: lebenslänglich mit Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und anschließend die Unterbringung in Sicherungsverwahrung.

Für den Prozess, der insgesamt fünf Millionen Euro kosten könnte, wurde in Magdeburg ein temporäres Gerichtsgebäude eröffnet: 4700 Quadratmeter Fläche bieten Platz für bis zu 700 Personen. Es soll höchste Sicherheitsanforderungen erfüllen. Die Zuständigkeit bleibt in Magdeburg, nachdem die Bundesanwaltschaft die Übernahme wegen fehlenden Staatsbezugs abgelehnt hatte.

Angesetzt sind zunächst 47 Sitzungstage bei bis zu drei Tagen pro Woche. Der Prozess beginnt um 9.30 Uhr. Planmäßig wird zunächst die Anklage verlesen. Anschließend erhält der Angeklagte, der von zwei Anwälten vertreten wird, die Möglichkeit, sich zur Sache einzulassen. Dafür ist auch der Dienstag reserviert. Für Donnerstag ist ein Sachverständiger für Straßenverkehrsunfälle angekündigt, der ein Gutachten vorstellen soll. Außerdem sind vier Zeugen geladen: Mitarbeiter der Mietwagenfirma, bei der sich al Abdulmohsen das Auto für den Anschlag auf den Weihnachtsmarkt besorgt haben soll.

FOCUS online berichtet am Montag live aus dem Gerichtssaal.

Ursprüngliche Meldung: Magdeburg-Amokfahrer will wohl vor Gericht aussagen

Der Attentäter vom Magdeburger Weihnachtsmarkt will vor Gericht vermutlich aussagen. Darauf deuten Unterlagen hin, die der "Stern" einsehen konnte. Der Prozess gegen Taleb al Abdulmohsen beginnt am Montag vor dem Magdeburger Landgericht.

Nach "Stern"-Informationen kam es vor gut zwei Wochen unter dem Vorsitz des zuständigen Magdeburger Richters zu einer Anhörung von Taleb al Abdulmohsen. Die Anhörung sollte ihm Gelegenheit geben, vor dem Prozess zu den Straftaten Stellung zu nehmen, die die Anklage ihm zur Last legt. Taleb al Abdulmohsen wurde aus der Untersuchungshaftanstalt Berlin-Plötzensee vorgeführt und erklärte seine Verteidigungsstrategie. Ob er diese vor Gericht umsetzt, muss der Prozess zeigen. Dass er von seinem Schweigerecht Gebrauch macht, erscheint jedoch unwahrscheinlich angesichts seiner Angaben in der Anhörung.

Taleb al Abdulmohsen will sich wegen Verschwörungstheorie auf "Notstand" berufen

Taleb al Abdulmohsen erklärte dem Richter, er wolle sich vor allem auf einen "Notstand" nach den Paragrafen 34 und 35 des Strafgesetzbuches berufen. Danach ist eine Strafbefreiung für Fälle vorgesehen, in denen sich der Beschuldigte in einer "gegenwärtigen Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit" befindet, die er nicht anders abwenden kann als durch die ihm zur Last gelegte Tat.

Aus dem Protokoll der mehr als drei Stunden langen Anhörung geht hervor, dass sich der aus Saudi-Arabien stammende und heute 51 Jahre alte Angeklagte schon lange vor der Tat in diverse Verschwörungserzählungen hineingesteigert haben muss. Er selbst sieht sich als Islamkritiker. 

Gegenüber dem Richter erklärt er, staatliche Behörden und Flüchtlingsinitiativen in Deutschland würden mit dem Regime in Saudi-Arabien kooperieren, um jede islamkritische Opposition auszuschalten. Die Magdeburger Polizei habe sogar versucht, saudische Asylsuchende umzubringen. Ziel einer umfassenden Verschwörung, von der auch er sich bedroht fühle, sei die Islamisierung Europas.

Blick auf den abgesperrten Weihnachtsmarkt in Magdeburg nach dem Anschlag. (Archivbild)
Blick auf den abgesperrten Weihnachtsmarkt in Magdeburg nach dem Anschlag. (Archivbild) Heiko Rebsch/dpa

Taleb A. stellt die Polizei als eigentlichen Täter dar

Im Verlauf der Anhörung erhebt Taleb A. immer wirrere Vorwürfe, die darin gipfeln, dass bei der Amokfahrt über den Weihnachtsmarkt von Magdeburg nicht er, sondern die Polizei der eigentliche Täter gewesen sei. Mit der offiziellen Darstellung des Geschehens würden die Opfer des Anschlages nachträglich betrogen.

Taleb A., der vor seiner Tat als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie arbeitete, äußert mehrfach, er habe bei all seinen Konflikten mit Polizei, Gerichten und Behörden das Gefühl gehabt, nicht wie ein Mensch behandelt worden zu sein. Trotz seiner massiven Drohungen seit 2023 habe er immer versucht, zu einer friedlichen Lösung zu kommen.

Drei Stunden vor der Tat ging Taleb A. in den Supermarkt

Am Tag des Anschlages sei er gegen 16.00 Uhr, also etwa drei Stunden vor der Tat, in einem Supermarkt gewesen und habe sich dort bereits innerlich von der Welt verabschiedet, weil er damit gerechnet habe, dass ihn bald ein Polizist erschießen werde. Damit, so Taleb A., wären auch seine Schmerzen vorbei gewesen, die er nicht habe aushalten können. 

Bei dem Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt am 20. Dezember 2024 hatte der Täter einen schweren BMW-SUV am Abend in die Besuchermenge gesteuert. Sechs Menschen wurden getötet, zahlreiche andere verletzt, zum Teil lebensgefährlich.