FOCUS online: Wir sind hier im bayerischen Justizministerium, mitten in München, unweit des Alten Botanischen Gartens. Es gab in der Gegend um ihren Amtssitz in den Jahren seit der Flüchtlingskrise 2015 gravierende Änderungen im Stadtbild. Stichwort: Kriminalität, Drogen. Wie nehmen Sie das Umfeld wahr, wenn Sie zu Ihrem Büro kommen?
Georg Eisenreich: Was dem Viertel nicht gutgetan hat, sind zunächst einmal die Leerstände bei den Läden und Geschäften. Außerdem gibt es viele große Baustellen. Dazu, Sie haben es angesprochen, kamen weitere bedenkliche Entwicklungen, die Kriminalität ist angestiegen. Der Alte Botanische Garten war kein Ort mehr, wo man gerne hingegangen ist.
Die CSU München hat sich immer dafür eingesetzt, dass konsequente Maßnahmen ergriffen werden. Ich bin sehr froh, dass die mittlerweile gekommen sind. Klar ist auch: Seitens der von SPD und Grünen regierten Stadt wurde viel zu spät reagiert.
Inzwischen gibt es wirksame Maßnahmen wie ein Messerverbot, ein Alkohol- und Cannabisverbot, mehr Überwachungskameras, eine erhöhte Präsenz von Polizei und dem Kommunalen Außendienst. Das zeigt Wirkung.
Wir fragen natürlich wegen der Stadtbild-Debatte, die nach den Äußerungen von Kanzler Friedrich Merz entbrannt ist. Geben Sie diese Erfahrung in die man hier gemacht hat, auch weiter? Ist es sozusagen ein Prototyp, den man auch mit Berlin bespricht?
Eisenreich: Man muss sofort konsequent handeln, wenn negative Entwicklungen sichtbar sind. Zuschauen und Gewährenlassen ist der falsche Weg. Aber: Die Sicherheitspolitik der Stadt München ist eine andere als die der CSU-geführten Bayerischen Staatsregierung. Wir stehen für eine konsequente Sicherheitspolitik. Dazu gehört, dass man frühzeitig gegensteuern muss.
"Der Großteil unserer ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger bereichern unsere Gesellschaft"
Sehen Sie denn einen Zusammenhang zwischen den genannten Problemen und dem Thema Migration?
Eisenreich: Man kann es nicht alleine darauf reduzieren, aber natürlich hat die ungesteuerte Migration auch Auswirkungen auf die Sicherheitslage. Wobei man immer differenzieren muss. Der Großteil unserer ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger bereichern unsere Gesellschaft. Sie arbeiten hier, zahlen Steuern und bekennen sich zu unseren Werten. Sie sind herzlich willkommen.
Aber es gibt andere, die nicht arbeiten wollen, unsere Werte nicht anerkennen und zum Teil auch noch kriminell sind. Hier muss der Staat Handlungsfähigkeit zeigen und konsequent agieren wie im Alten Botanischen Garten. Das reicht aber nicht. Auch die illegale Migration muss gestoppt werden. Wer ausreisepflichtig ist und erst recht wer kriminell ist, muss zügig ausgewiesen werden, auch nach Syrien oder Afghanistan.
Hat Merz aus Ihrer Sicht die richtigen Worte gewählt, um das Problem so darzustellen, wie sie es getan haben?
Eisenreich: Ja, Merz hat eine wichtige Diskussion angestoßen und auch einen richtigen Begriff verwendet. Und ihn dann auch erklärt...
Aber erst nachträglich…
Eisenreich: ... Wer ihn verstehen wollte, hat ihn auch verstanden. Es gab aber einige, die ihn absichtlich missverstehen wollten. Deshalb hat er es auch noch einmal ausführlich erklärt, um Missverständnisse auszuschließen.
Nochmal: München hat sehr viele ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger. Die kroatische Krankenschwester, den indischen IT-ler, den türkischen Facharbeiter bei BMW oder Studentinnen und Studenten aus der ganzen Welt, die mithelfen, die Stadt positiv weiterzuentwickeln.
Ein anderer Teil verursacht negative Entwicklungen. Man merkt das teilweise im öffentlichen Nahverkehr, in Schwimmbädern, im Bahnhofsviertel oder eben im Alten Botanischen Garten. Bei negativen Entwicklungen muss die Politik handeln. Der Alte Botanische Garten ist ein gutes Beispiel, wie das geht. Aber es braucht weitere Maßnahmen und ich freue mich, dass Bundesinnenminister Alexander Dobrindt einen sehr konsequenten Kurs verfolgt.
"Abschiebehaftverfahren müssen vereinfacht und beschleunigt werden"
Sie sprechen es an: Es soll ja mehr Abschiebungen geben, auch nach Syrien oder Afghanistan. Das ist auch für die Justiz ein wichtiges Thema, Stichwort Abschiebehaft und mögliche rechtliche Beschwerden, die dagegen eingelegt werden. Wie bereiten Sie sich darauf vor?
Eisenreich: Wir kümmern uns in Amtshilfe für das Innenministerium teilweise um das Thema Abschiebehaft und betreiben zwei Abschiebehaft-Einrichtungen in Bayern. Wir haben uns überlegt, wie wir die Verfahren bei Gericht beschleunigen können. Deswegen haben wir die Zuständigkeit für die Abschiebehaftverfahren bei neun Amtsgerichten gebündelt, vorher waren es 73.
Bei der letzten Justizministerkonferenz habe ich den Antrag gestellt, der auch angenommen wurde, dass die Gerichte Anhörungen zur Abschiebehaft auch per Video machen können. Diese Anhörungen müssen bis jetzt immer persönlich erfolgen. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Videoanhörungen würden hier entlasten.
Bei den Abschiebeverfahren gibt es noch ein zweites Thema, welches angeblich die Verfahren behindert, der Pflichtbeistand. Der wurde von der Ampel-Regierung in 2024 eingeführt, die schwarz-rote Regierung von Kanzler Merz will das wieder abschaffen. Ist das aus Ihrer Sicht eine gute Idee?
Eisenreich: Der Pflichtbeistand ist von der letzten Bundesregierung gegen Widerstand, auch von uns, eingeführt worden. Das verlängert und erschwert die Verfahren. Deswegen ist im Koalitionsvertrag auf Bundesebene vereinbart worden, dass das wieder abgeschafft wird.
Aber was genau ist das Problem? Warum sagen Sie, dass es die Verfahren verlängert? Haben Sie dazu Zahlen, die das beweisen?
Eisenreich: Die Ampelregierung hat eingeführt, dass bei einem Abschiebehaftverfahren immer ein Anwalt beigeordnet werden muss. Die Vorbereitung und Durchführung der Abschiebungshaftanhörungen wurden dadurch arbeits- und zeitintensiver. Rückführungen wurden so erschwert. Die neue Bundesregierung will das wieder ändern. Das ist gut.
Es geht ja hier um einen signifikanten Grundrechtseingriff. Ist es da nicht zwingend geboten, den Betroffenen einen Rechtsbeistand zu garantieren?
Eisenreich: Die Änderung gilt erst seit rund einem Jahr. Davor waren die Verfahren ohne Pflichtbeistand auch verfassungsgemäß über Jahre und Jahrzehnte. Abschiebehaftverfahren müssen vereinfacht und beschleunigt werden. Die von der Ampelregierung eingeführte Vorschrift führt zu einer höheren Belastung der Gerichte. Durch die Vorschriften zur Bestellung eines Verfahrenspflegers und der Beiordnung eines Rechtsanwalts werden die Rechte der Betroffenen bereits ausreichend gewahrt.
"Wir gehen konsequent gegen Schleuser vor"
Wie wirkt sich denn der Kampf gegen illegale Migration, Stichwort Grenzkontrollen, auf Ihren Bereich aus? Wie unterstützen Sie das?
Eisenreich: Beim Kampf gegen illegale Migration ist die Kooperation mit den Nachbarländern sehr wichtig. Deswegen haben wir bei den grenznahen Staatsanwaltschaften überall Spezialabteilungen nach dem sogenannten Traunsteiner-Modell installiert. Das bedeutet, dass die Ermittler erstens spezialisiert sind und zweitens mit den Spezialisten auf der anderen Seite der Grenze, also in den Nachbarländern, engstens vernetzt sind.
Wie ist die Entwicklung bei der Schleuserkriminalität? Haben die Grenzkontrollen, die vor gut einem Jahr verstärkt wurden, darauf Auswirkungen?
Eisenreich: Wir gehen konsequent gegen Schleuser vor. Dabei gelingt es uns nicht nur kleine Fische, sondern immer wieder auch Hintermänner aus dem Verkehr zu ziehen. Im Jahr 2024 wurden 717 Schleuser in Bayern verurteilt. Das sind 2,1 Prozent mehr als 2023. Allein die Staatsanwaltschaft Traunstein hat innerhalb von zwei Jahren mehr als 800 Jahre Freiheitsstrafen gegen Schleuser erwirkt.
Zu 2025 haben wir noch keine Zahlen. Ich bin mir aber sicher, dass durch die Grenzkontrollen und die weiteren Maßnahmen von Bundesinnenminister Dobrindt die illegale Migration deutlich reduziert wird.
"Man muss das Strafrecht an die heutige Zeit anpassen"
Die Politik kämpft in den letzten Jahren auch mit einer angemessenen Reaktion auf hybride Bedrohungen. Es heißt, das Strafrecht sei in diesem Punkt stark reformbedürftig, weil Regelungen aus dem Kalten Krieg stammen. Können Sie dafür ein Beispiel nennen?
Eisenreich: Ganz einfach: Damals gab es keine Drohnen, zumindest nicht in der Verfügbarkeit, wie das heute der Fall ist. Drohnen werden heute auch eingesetzt, um zu spionieren, bei Flughäfen, bei Kasernen, bei kritischer Infrastruktur. Da fehlt ein passender Straftatbestand. Man muss das Strafrecht an die heutige Zeit anpassen. Es geht darum, Lücken zu schließen und den Strafrahmen nachzuschärfen.
Aber glauben Sie, dass sich zum Beispiel gerade russische Akteure davon abschrecken lassen, dass Ihnen gegebenenfalls ein paar Monate mehr Gefängnis drohen?
Eisenreich: Das ist Teil eines ganzen Bündels an Maßnahmen. Zentral ist die Gefahrenabwehr, der Abschuss der Drohnen. Wir brauchen aber auch passende Sanktionen für Straftäter. Man erwischt zwar nicht immer die Hintermänner im Ausland, aber möglicherweise diejenigen, die in Deutschland die Drohne steuern. Die muss man dann entsprechend hart bestrafen können. Deshalb haben wir bei der Justizministerkonferenz eine entsprechende Aufforderung an das Bundesjustizministerium beschlossen.