Weihnachtsmarkt schafft Begriff „Lumumba“ ab, so kann Veränderung nicht entstehen

Ein Weihnachtsmarktgetränk löst selten gesellschaftliche Debatten aus – und doch ist genau das in Mainz passiert. Der „Lumumba“, ein Klassiker aus heißem Kakao und Rum, wird dort künftig nicht mehr unter diesem Namen verkauft. Stattdessen taucht nun eine neutrale Bezeichnung auf.

Für viele klingt das nach einer Kleinigkeit. Doch Sprache ist selten nur Sprache – sie ist Symbol, Identität, Gewohnheit und manchmal Stolperstein. Und genau deshalb wird die Umbenennung jetzt so leidenschaftlich diskutiert.

Der eine Teil sagt: „Endlich wird etwas hinterfragt, das wir unreflektiert benutzt haben.“ Der andere denkt: „Man darf ja gar nichts mehr!“ Die Wahrheit liegt, wie so oft, irgendwo dazwischen.

Historisch aufgeladen: Woher der Name „Lumumba“ stammt

Der Name geht vermutlich auf Patrice Lumumba zurück, den ersten Ministerpräsidenten des unabhängigen Kongo – eine Symbolfigur des antikolonialen Kampfes, politisch bedeutend, ermordet, heute historisch aufgeladen.

Wie aus diesem Kontext ein Partygetränk auf deutschen Weihnachtsmärkten wurde, lässt sich nicht eindeutig rekonstruieren. Die Spannbreite reicht von „Hommage“ bis „geschmackloser Alltagswitz“.

Genau hier liegt das Problem: Für die einen ist der Begriff harmlos. Für andere wirkt er kolonial, entwürdigend oder rassismussensibel. Kurz gesagt: Der Name lässt mehr Interpretationen zu, als ein Becher Kakao tragen kann.

Echte Veränderung entsteht nicht durch Überschreiben, sondern durch Verstehen

Sprache verändert sich – und das ist grundsätzlich gut. Begriffe, die früher selbstverständlich waren, wirken heute verletzend oder unpassend. Sensibilität ist keine Schwäche, sondern Ausdruck gesellschaftlicher Entwicklung.

Aber: Ein Namenswechsel ohne Erklärung wirkt schnell wie Symbolpolitik. Der Kakao bleibt derselbe, die Rezeptur bleibt dieselbe – nur die Beschriftung ändert sich. 

So entsteht der Eindruck: Man beruhigt Debatten, statt sie zu führen. Und hier wird es heikel: Denn echte Veränderung entsteht nicht durch Überschreiben, sondern durch Verstehen.

Hinterfragen wir jetzt auch Weihnachten, Döner und Jeans?

Das ist die Frage, die viele jetzt umtreibt. Wenn ein Getränkename infrage gestellt wird, entsteht automatisch ein Prüfmaßstab.

Und plötzlich geraten auch andere Begriffe ins Rampenlicht:

  • „Weihnachten“ – religiös konnotiert.
  • „Zigeunerschnitzel“ – verschwunden.
  • „Indianerkostüm“ – diskutiert.
  • „Latte Macchiato“, „Döner“, „Pizza“ – kulturell importiert, längst Alltag.

Wir tragen Jeans. Wir tanzen Macarena. Wir trinken Aperol Spritz. Keine dieser Bedeutungen hinterfragen wir täglich – sie wurden akzeptiert, weil viele sie nutzen, nicht weil ein offizieller Beschluss sie erlaubt hat. Sprache verändert sich organisch – nicht per Dekret.

Warum wir auf das Thema so emotional reagieren

Weil solche Veränderungen mehr anrühren als ein Wort auf einer Tafel: Sie berühren Identität, Gewohnheit und Selbstbild. Sprache ist für viele nicht bloß Kommunikation, sondern Heimat. 

Wenn ein vertrauter Begriff verschwindet, fühlt es sich schnell so an, als würde jemand sagen: „So, wie du bisher gesprochen hast, war falsch.“ Das erzeugt Abwehr statt Offenheit.

Gleichzeitig erleben andere die Umbenennung als längst überfällige Sensibilität – und fragen, warum Rücksicht überhaupt diskutiert werden muss. Genau zwischen diesen beiden emotionalen Polen entsteht Spannung: Hier das Bedürfnis nach Stabilität, dort der Wunsch nach Veränderung. 

Am Ende zeigt sich: Es geht selten um das Getränk – sondern um das Gefühl, ob man Teil des Fortschritts ist oder ob einem die Welt sprachlich davonläuft.

Was der Unmut über die Namensänderung über uns verrät

Die Umbenennung zeigt: Wir sind mitten in einem gesellschaftlichen Aushandlungsprozess. Zwischen Tradition und Sensibilität. Zwischen Alltagssprache und historischen Bedeutungen. Zwischen Freiheit und Verantwortung.

Der Schritt ist gut gemeint und in Teilen nachvollziehbar. Aber er zeigt auch, wie schnell aus berechtigter Rücksichtnahme ein reflexhafter Umgang mit Sprache werden kann. Ein bisschen mehr Gelassenheit würde beiden Seiten guttun. Sprache darf sich verändern – aber nicht im Takt von Empörungswellen, sondern im Rhythmus gelebter Wirklichkeit.

Denn am Ende entscheidet nicht die Beschriftung des Bechers – sondern wie wir miteinander sprechen, zuhören und umgehen.

Christoph Maria Michalski, bekannt als „Der Konfliktnavigator“, ist ein angesehener Streit- und Führungsexperte. Mit klarem Blick auf Lösungen, ordnet er gesellschaftliche, politische und persönliche Konflikte verständlich ein. Er ist Teil unseres EXPERTS Circle. Die Inhalte stellen seine persönliche Auffassung auf Basis seiner individuellen Expertise dar.