Friedrich Merz hat die verhängnisvolle Gabe, Kulturkämpfe anzuheizen, die die Union nicht führen möchte. Das war bei seiner Rede von den „kleinen Paschas“ nach den Silvesterkrawallen 2022/2023 nicht anders als beim Fünf-Punkte-Plan zur Verschärfung der Migrationspolitik, der mit den Stimmen der AfD vom Bundestag beschlossen wurde. Jetzt gehen die Wogen wieder hoch, weil er Probleme der Migrationspolitik bereits am Stadtbild auszumachen versuchte.
Die Reaktionen waren in allen genannten Fällen gleich. Aus den Reihen linker Parteien bis in die CDU hinein wurden Rassismus- und Diskriminierungsvorwürfe erhoben, die steuerfinanzierte NGO-Szene mobilisierte ihre Gefolgschaft auf die Straße, und allenthalben wurden Bekenntnisse zur Buntheit unserer Republik abgelegt.
Ausnahmslos erfolgten daraufhin ein Zurückrudern von Merz oder Relativierungen und Distanzierungen aus den eigenen Reihen – was den Gegnern der Union signalisierte, dass ihre Taktik erfolgreich war. Wer die nötigen Schlagworte aus dem Vokabular unserer Moralelite aneinanderreiht, wer mit Massendemonstrationen, vielleicht sogar mit Angriffen auf Parteibüros droht, der kann sicher sein, dass das Gegenüber aus der Union verschreckt den Kopf einzieht.
Migrationspolitik als Schauplatz des Kulturkampfs
Vielleicht würde es helfen, wenn die CDU erkennt, dass Migrationspolitik zu einem entscheidenden Pfeiler des gegenwärtig von Linken begonnenen Kulturkampfes geworden ist. Wer mit Hilfe der ehemaligen Kanzlerin eine Politik der offenen Grenzen durchgesetzt hat, wer Turboeinbürgerungen für eine demokratiestärkende Maßnahme hält und die Benennung der Schattenseiten der Migrationspolitik unter den Verdacht des Rechtspopulismus stellt, der möchte mit allen Mitteln verhindern, dass sich im Hinblick auf die Migrations- und Integrationspolitik etwas ändert.
Wer glaubt, dass weiße Menschen nicht von Rassismus bedroht sein können, wer Deutschenfeindlichkeit negiert und glaubt, dass bereits der Begriff „Clankriminalität“ menschenfeindlich sei, verteidigt eine Republik, die nicht bunter, sondern in vielen Stadtvierteln homogener wird – in städtischen Quartieren, vor deren Betreten die Berliner Polizeipräsidentin im vergangenen Jahr Juden und Homosexuelle gewarnt hatte.
Folgen verfehlter Integration: Parallelen und Realitäten in deutschen Städten
Immer selbstbewusster auftretende Islamisten, ein grassierender Antisemitismus und zunehmende Gewaltkriminalität im öffentlichen Raum, bei denen Menschen aus den Hauptfluchtländern deutlich überrepräsentiert sind, sind keine Banalitäten, über die es sich nicht zu sprechen lohnt. Es sind die Ergebnisse einer Migrationspolitik, die blauäugig und gegenüber der Bevölkerung rücksichtslos ist – übrigens auch gegenüber gut integrierten Migranten, die diese Quartiere schon deshalb verlassen, weil sie die Bildungschancen ihrer Kinder nicht gefährden wollen.
Die Existenz von Parallelgesellschaften beeinflusst selbstverständlich Stadtbilder. Wer den Frankfurter Hauptbahnhof verlässt, braucht keine weiteren Informationen – die Probleme sind unübersehbar. Das Gleiche gilt für andere urbane Zonen, die man lieber nicht am Abend betreten möchte, wenn man eine Frau ist. Der Rückzug von Frauen aus dem öffentlichen Raum ist übrigens eine andere Folge der missglückten Integrationspolitik, über die dringend geredet werden muss.
Kommunikation und Kurs: Was Friedrich Merz hätte besser machen können
Friedrich Merz hat tatsächlich existierende Probleme angesprochen, in der Argumentation und seinem Vorgehen jedoch für Missverständnisse gesorgt. Als er von „kleinen Paschas“ sprach, hätte er sich vielleicht eine Lehrerin aus einer Brennpunktschule an die Seite stellen sollen, um über religiöses Mobbing und Dominanzgebaren islamistischer Schüler zu berichten. Beim Thema Stadtbilder wäre es gut gewesen, die Erfahrungen von Frauen, Juden oder Homosexuellen anzuführen – oder einfach nur die polizeiliche Kriminalstatistik zu referieren.
Auch eine erkennbare Differenzierung zwischen Einwanderern, die etwas zum Wohlstand in unserem Land beitragen und die liberale Demokratie schätzen, und denjenigen, die zwar den Sozialstaat nutzen, das Land und seine Kultur jedoch ablehnen, wäre hilfreich gewesen. Selbstverständlich wären auch dann von linker Seite die üblichen Anschuldigungen erfolgt, aber dann hätten Friedrich Merz und die Union besser und ohne Relativierungen Kurs halten können – für eine bessere Migrationspolitik, die keineswegs negiert, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, sich aber dennoch imstande sieht, die Missstände beherzt anzugehen.
Über Susanne Schröter
Susanne Schröter ist emeritierte Professorin am Institut für Ethnologie an der Frankfurter Goethe-Universität, Vorstandsmitglied des „Deutschen Orient-Instituts“ und Mitglied sowie Mitinitatorin der Denkfabrik R21 für neue bürgerliche Politik. Sie ist im wissenschaftlichen Beirat der „Bundeszentrale für politische Bildung“ sowie im Österreichischen Fonds zur Dokumentation von religiös motiviertem politischen Extremismus (Dokumentationsstelle Politischer Islam).
Des Weiteren ist Schröter Mitglied der „Hessischen Integrationskonferenz“, des „Dialog Forum Islam Hessen“ sowie des „Hessischen Präventionsnetzwerk gegen Salafismus“. Im November 2014 gründete sie das „Frankfurter Forschungszentrum Globaler Islam“ (FFGI) und ist seitdem Direktorin der Einrichtung.