Der international führende Kölner Krebsforscher Michael Hallek hält die jüngsten Warnungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vor der Krebsgefahr durch Alkohol für überzogen.
"Dass Alkohol bei maßvollem Konsum die Zellen so verändert, dass sie im Organismus Krebs auslösen, halte ich für unbewiesen", sagte der Direktor der Klinik I für Innere Medizin des Universitätsklinikums Köln dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Zwar würden einige epidemiologische Studien dies für manche Krebsarten suggerieren, andere hingegen zeigten das Gegenteil.
Krebsforscher: Warnung vor Krebsgefahr durch Alkohol ist überzogen
Auch in Blue Zones auf der Welt – also Regionen, in denen die Menschen ein hohes Alter erreichen und gesund leben –, werde regelmäßig Alkohol konsumiert, erklärte Hallek.
"Auf Sardinien und Ikaria sind das lokale Rotweine wie der Cannonau, während man in Okinawa gern einen destillierten Reisbrand wie Awamori trinkt. Dabei wird Wert auf maßvollen Konsum in geselliger Runde gelegt."
Wie bei allen Substanzen mache "die Dosis das Gift". Krankheiten wie Krebs entstünden durch eine Summe an Faktoren, nicht durch eine einzelne Ursache. Seine größere Sorge, so der Mediziner weiter, sei "unser durchorganisiertes, oft isoliertes Leben". Viele Menschen fühlten sich einsam. "Wenn hier ein erhöhter Alkoholkonsum hinzukommt, ist dies ein Problem."
Hallek empfahl eine Kultur der Gemeinschaftlichkeit, wie sie in Regionen mit besonders hoher Lebenserwartung gepflegt werde. Ein Glas Wein zum Essen sei dann "auch kein Grund für einen Aufschrei – oder für den Ruf nach Verboten".
WHO: "Das Risiko für die Gesundheit beginnt schon beim ersten Tropfen"
Die WHO hatte im Fachjournal "The Lancet" einen Bericht veröffentlicht mit dem Fazit, dass es bei Alkohol keine gesundheitlich unbedenkliche Menge gebe. So würden neue Daten zeigen, dass schon leichter bis moderater Alkoholkonsum Krebs verursachen könne.
"Von einer gesundheitlich unbedenklichen Menge an Alkoholkonsum kann nicht die Rede sein. Egal, wie viel man trinkt – das Risiko für die Gesundheit beginnt schon beim ersten Tropfen jedes alkoholischen Getränks", sagte Carina Ferreira-Borges, Regionalbeauftragte für Alkohol und illegale Drogen beim WHO-Regionalbüro für Europa in einer Pressemitteilung.
Hilfe für Alkoholabhängige
Sollten Sie alkoholsüchtig sein und Hilfe suchen, finden Sie hier Hotlines und telefonische Beratungsstellen:
- Sucht- und Drogen-Hotline (bundesweit und rund um die Uhr): 01806 313031 (20 Cent / Anruf aus dem Festnetz, 60 Cent / Anruf aus dem Mobilfunk)
- BZgA-Infotelefon zur Suchtvorbeugung: 0221 892031 (Preis entsprechend der Preisliste deines Telefonanbieters für Gespräche ins deutsche Festnetz): Montags bis Donnerstags von 10 bis 22 Uhr, Freitags bis Sonntags von 10 bis 18 Uhr
- Im Netz finden Sie etwa Hilfe bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) oder Anonyme Alkoholiker.
- Bei Kenn dein Limit der BZgA gibt es zahlreiche Tipps, wie Sie weniger Alkohol trinken
Hallek lobt die Fortschritte der Medizin im Kampf gegen den Krebs
Optimistisch zeigte der Onkologe sich mit Blick auf einen Sieg der Medizin im Kampf gegen den Krebs. "Wir kommen Stück für Stück voran. Immer ein paar Prozent mehr." Neuartige Behandlungsformen wie die sogenannten zellulären Immuntherapien hätten die Heilungschancen bei Lymphknotenkrebs von 60 auf 70 bis 75 Prozent verbessert.
"Man mag das viel nennen – oder noch zu wenig. Für die Betroffenen, also die Patientinnen und Patienten, ist es ein Riesenfortschritt. Und in vielen weiteren Fällen, in denen uns keine vollständige Heilung gelingt, bringen die Therapien einen echten Gewinn an Lebenszeit mit nicht allzu großen Nebenwirkungen."
Auch steigende Kosten im Gesundheitswesen ein Thema
An diesem Wochenende findet in Köln die Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie (DGHO) statt. Erwartet wird die Rekordzahl von mehr als 6400 Teilnehmern. Hallek ist Co-Präsident des Kongresses.
Ein wichtiges Thema sind nach Halleks Worten – neben der Weiterentwicklung von Diagnose und Therapie – auch die steigenden Kosten im Gesundheitswesen, insbesondere für Medikamente, die derzeit bei annähernd 60 Milliarden Euro im Jahr lägen.
"Auf die Onkologie mit ihren innovativen, aber auch teuren Therapien entfallen ungefähr 20 Prozent des Ausgaben-Volumens. Hier ist auch unsere Verpflichtung zu verantwortungsvollem Umgang mit unseren Ressourcen gefragt."
Vom neuen Forschungsdatenzentrum beim Bonner Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und der Auswertung von 74 Millionen Krankenversicherten erwartet Hallek sich wichtige Erkenntnisse über den effizienteren Einsatz von Medikament.