Fake-Orte und KI-Videos: Wie ChatGPT und Co. Touristen in die Irre führen

Ein älteres Ehepaar fährt drei Stunden durch Malaysia, um eine atemberaubende Seilbahn zu erleben, die sie in einem höchst professionell gemachten Video gesehen haben. Am Ziel angekommen, finden sie: nichts. Kein „Kuak Skyride“ wie beschrieben, keine Gondeln, keine Aussichtsplattform mit atemberaubendem Blick. Nur eine verwirrte Hotelmitarbeiterin, die ihnen erklärt, dass sie Opfer einer KI-Fälschung geworden sind. Die Seilbahn existiert nicht – und auch die Reporterin aus dem Video ist nur ein digitales Konstrukt.

160 Dollar für erfundene Touristenattraktion

Was in Malaysia noch mit Enttäuschung und verlorener Zeit endete, hätte anderswo nicht so glimpflich enden können. In Peru wollten Touristen den „Heiligen Canyon von Humantay“ besuchen – einen Ort, den es schlicht nicht gibt. Der lokale Guide Miguel Angel Gongora Meza war schockiert, als ihm Reisende einen ChatGPT-Screenshot zeigten. „Sie hatten bereits 160 Dollar bezahlt, um zu diesem nicht-existenten Ort zu gelangen“, berichtet er laut dem Digitalmagazin „t3n“. Die KI hatte einfach zwei existierende Ortsnamen kombiniert und eine fantasievolle Beschreibung erfunden. „Solche Fehlinformationen sind in den Anden lebensgefährlich“, warnt Meza. „Man könnte sich plötzlich in 4000 Metern Höhe ohne Sauerstoff und Mobilfunknetz wiederfinden.“ Die Reisenden hatten Glück, dass sie vorher einen Experten konsultierten. 

Auch die Reisebloggerin Dana Yao erlebte am eigenen Leib, wie trügerisch KI-Empfehlungen sein können. ChatGPT plante für sie und ihren Mann eine romantische Wanderung zum Berg Misen in Japan – mit dem Tipp, um 15 Uhr aufzubrechen, um den Sonnenuntergang vom Gipfel zu genießen. Was die KI nicht wusste: Die Seilbahn für den Rückweg schloss bereits um 17:30 Uhr. „Also saßen wir am Berggipfel fest“, erzählt Yao, über deren Fall die Hessisch Niedersächsische Allgemeine (HNA) berichtet.

Immer mehr Reisende nutzen KI für ihre Planung

Die Fälle sind demnach keine Einzelfälle, sondern System. Und zwar System KI. „Künstliche Intelligenz erzeugt etwa drei Prozent Halluzination“, sagt Marcel Pesch, der in Düsseldorf eine Akademie betreibt, um KI-Nutzer gezielt zu schulen. Dazu kommen betrügerische Absichten: Der Anteil von Deepfake-Angriffen an allen Betrugsversuchen ist in nur drei Jahren von 0,1 Prozent auf aktuell 6,5 Prozent gestiegen – eine Zunahme von 2137 Prozent weiß „tageskarte.io“. 

Während auf der einen Seite die Technologie immer ausgefeilter wird, wächst bei Nutzern die Bereitschaft, KI-Tools für die Reiseplanung zu nutzen. Eine Umfrage des Reisesicherheitsdienstleisters Global Rescue zeigt, dass bereits 40 Prozent der unter 35-Jährigen auf KI-Unterstützung bei der Urlaubsplanung setzen. In Deutschland ist man noch zurückhaltender – hier nutzen laut „HNA“ erst 15 Prozent der Reisenden KI-Tools für ihre Urlaubsplanung.

Eine neue Generation Reise-Influencer

Die nächste Dimension, die den Trend festigt, ist auch schon in Sicht: Es ist der Aufstieg KI-generierter Reise-Influencer – fiktive Persönlichkeiten, die Videoreiseempfehlungen verbreiten. Sogar offizielle Stellen wie die Deutsche Zentrale für Tourismus haben 2024 künstliche Persönlichkeiten in Marketingkampagnen eingesetzt, berichtet „t3n“.

Rayid Ghani, Professor für maschinelles Lernen an der Carnegie Mellon University, erklärt das Grundproblem: KI-Systeme „kennen nicht den Unterschied zwischen Reisehinweisen, Wegbeschreibungen oder Rezepten.“ Sie generieren lediglich statistisch wahrscheinliche Wortfolgen auf Basis ihrer Trainingsdaten – ohne Verständnis für Realität oder Konsequenzen.

KI-Grundregel: „Vertraue, aber verifiziere“

Trotz aller Risiken kann KI bei der Reiseplanung durchaus hilfreich sein – wenn man sie richtig einsetzt. Als Inspirationsquelle für ungewöhnliche Aktivitäten oder zur Analyse von Flugverbindungen und Preistrends leistet sie wertvolle Dienste. Die Grundregel lautet jedoch: Vertraue, aber verifiziere. Jeder KI-generierte Vorschlag sollte über offizielle Quellen wie Tourismus-Websites, aktuelle Kartenanwendungen oder lokale Experten überprüft werden.

Besonders kritisch sollten Reisende bei ungewöhnlich klingenden Attraktionen oder Routen sein, die in keinem klassischen Reiseführer auftauchen. Reiseunternehmen investieren bereits in spezialisierte KI-Systeme, die mit aktuellen Daten arbeiten und regelmäßig aktualisiert werden. Diese professionellen Tools sind präziser als allgemeine Chatbots wie ChatGPT. Dennoch bleibt menschliche Kontrolle unverzichtbar – KI kann komplexe Zusammenhänge wie kulturelle Besonderheiten, Wetterbedingungen oder politische Situationen nicht immer richtig einschätzen. 

Dieser Artikel entstand in Kooperation mit "Business Punk".