Deutsche Wirtschaft stagniert weiter: Wann kommt endlich der Aufschwung

Deutschlands Wirtschaft ist im dritten Quartal 2025 weder geschrumpft noch gewachsen. Das ergeben die vorläufigen Berechnungen des Statistischen Bundesamtes. Sie können später noch mit genaueren Daten revidiert werden, sind aber meist schon ziemlich genau. Damit entgeht Deutschland einer technischen Rezession. Als solches wird es bezeichnet, wenn das Bruttoinlandsprodukt (BIP) zwei Quartale in Folge sinkt. Im Frühjahrsquartal hatte die deutsche Wirtschaft ein Minus von 0,2 Prozent hinnehmen müssen, die beiden Quartale zuvor war sie um 0,3 beziehungsweise 0,2 Prozent gestiegen.

Damit bleibt die Wirtschaft aber auch in ihrer schlechten Lage gefangen. Auslöser dafür ist der Ukraine-Krieg. Zuletzt gab es im ersten Quartal 2022, in dem Russland die Ukraine erstmals überfiel, ein deutliches BIP-Wachstum von 0,7 Prozent. In den seitdem folgenden 14 Quartalen schrumpfte die Wirtschaftsleistung siebenmal, zum drittenmal gibt es jetzt eine Stagnation. Von den vier Quartalen mit Wachstum ging keines über 0,3 Prozent hinaus. Alle Zahlen sind preis- und kalenderbereinigt, sprich Inflation und jahreszeitliche Einflüsse sind herausgerechnet.

Langfristig wächst die Wirtschaft immer stark - stimmt aber nicht

Ökonomen haben seitdem die im Nachhinein unangenehme Haltung, dass sie in ihren regelmäßigen Prognosen immer kurzfristig eine schwache Wirtschaft erwarten, für die kommenden Jahre aber ein Wirtschaftswachstum, was dann ausbleibt. So rechneten das DIW in Berlin, das Münchner Ifo-Institut, das Kieler IfW, das IWH aus Halle und das RWI aus Essen in ihrer Gemeinschaftsprognose im Herbst 2023 noch mit 1,3 Prozent Wachstum in 2024 und 1,5 Prozent in 2025. Tatsächlich schrumpfte die Wirtschaft 2024 um 0,5 Prozent, für dieses Jahr werden jetzt noch 0,2 Prozent Mini-Wachstum erwartet. Doch nächstes Jahr geht es wieder bergauf, heißt es im Herbstgutachten von 2025. So soll die Wirtschaft 2026 um 1,3 Prozent wachsen und 2027 um 1,4 Prozent.

Natürlich könnten die Ökonomen wieder genauso danebenliegen wie in den Vorjahren. Tatsächlich aber raten sie diese Zahlen nicht, sondern begründen sie auf Indikatoren, die zumindest auf einen vorsichtigen Aufschwung hindeuten. Im Kern geht es um diese Kennzahlen:

1. Die Ausrüstungs-Investitionen steigen wieder

Das Statistische Bundesamt führt als Mutmacher in seiner Pressemitteilung zum BIP an, dass die Ausrüstungsinvestitionen gegenüber dem Vorquartal gestiegen seien. Dahinter verbergen sich die Ausgaben von Unternehmen etwa in Maschinen, Fahrzeuge und Geräte. Die Logik: Unternehmen investieren nur in neue Ausrüstung, wenn sie davon ausgehen, diese in Zukunft auch gewinnbringend nutzen zu können – sonst würde die bisherige Ausrüstung ausreichen. Steigende Investitionen werden deswegen als Frühindikator für einen Aufschwung gedeutet.

Allerdings sollten Sie deswegen nicht zu euphorisch werden. Erstens untermauert das Statistische Bundesamt den Anstieg bisher nicht mit Zahlen. Die werden wahrscheinlich erst Ende November mit der vollständigen Auswertung zum BIP veröffentlicht. Zweitens sind die Ausrüstungsinvestitionen in den vergangenen Jahren stark gesunken. Saisonbereinigt lagen sie zuletzt bei rund 99,5 Prozent des Jahres 2020. Das klingt nicht nach einem dramatischen Einbruch, allerdings lagen sie noch Anfang 2023 bei 111 Prozent. Ein Rückgang um mehr als zehn Prozent in zwei Jahren ist daher schon signifikant. Und: Er wird nicht in nur einem Quartal umgekehrt sein.

Dass die Investitionen steigen, wird auch mit dem Engagement des Staates zu tun haben. Durch die Sondervermögen für Verteidigung, Infrastruktur und Klimaschutz wird in den kommenden Jahren viel Geld an Unternehmen ausgezahlt, die die entsprechenden Projekte umsetzen. Während die Ausgaben jetzt schon anlaufen, dürften sich auch Unternehmen darauf vorbereiten, in dem sie mehr Ausrüstung kaufen. Wann das tatsächlich aber einen merklichen Effekt auf das Wirtschaftswachstum hat, bleibt abzuwarten.

2. Die Einkaufsmanager sind immer optimistischer

Im Oktober stieg der Einkaufsmanagerindex (PMI) Deutschlands von 52 auf 53,8 Punkte. Für den PMI verschickt S&P Global, die den Index erstellen, jeden Monat Fragebögen an Unternehmen. Darin geben diese zum Beispiel an, wie viele neue Aufträge eingegangen sind, wie sich die Produktion entwickelt hat, wie viel Aufträge das Unternehmen noch in der Hinterhand hat und so weiter. Daraus entwickelt S&P Global dann ein Barometer. Werte über 50 deuten auf Wirtschaftswachstum hin, Werte unter 50 auf Rezession.

Für Deutschland ist der PMI nun bereits fünf Monate in Folge gestiegen. Der Anstieg im September war zudem der stärkste seit mehr als zwei Jahren. Zugpferd ist der Dienstleistungssektor, dessen eigener PMI von 51,5 auf 54,5 zulegte. Der Index für die Industrie stieg zwar auch, liegt aber mit 49,6 statt vorher 49,5 Punkten noch immer unter der Wachstumsschwelle. „Das sind gute Bedingungen für ein Wachstum im vierten Quartal“, urteilt Cyrus de la Rubia, Chefökonom der Hamburg Commercial Bank, die den Index für Deutschland erstellt.

Aber auch hier ist der Optimismus nur sehr vorsichtig. Die Manager wurden nämlich auch nach den Prognosen für ihr eigenes Unternehmen gefragt – und sind dort wesentlich kühler, als es die Barometer-Zahlen vermuten lassen. „Die Tatsache, dass die Aussichten wesentlich vorsichtiger bewertet werden, zeigt, dass die Wirtschaftslage sehr fragil bleibt“, sagt de la Rubia. Heißt: Vorsichtiger Optimismus ist angebracht, aber statt eines Aufschwungs wäre auch eine neue Rezession möglich.

3. Erwartungen der Wirtschaft so gut wie seit 2021 nicht mehr

Das Ifo-Institut erstellt jeden Monat ein eigenes Geschäftsklimabarometer. Dabei werden 9000 Unternehmen in Deutschland gebeten, ihre aktuelle Lage als „gut“, „befriedigend“ oder „schlecht“ einzuordnen und die Erwartungen für die kommenden drei Monate als „günstiger“, „gleichbleibend“ oder „ungünstiger“. Aus der Differenz der positiven und negativen Antworten ermitteln die Ökonomen dann den Index-Wert.

Dieser ist im Oktober auf 88,4 Punkte gestiegen. Im Monat zuvor waren es noch 87,7 Punkte. 100 Punkte symbolisieren dabei den Stand von 2015. Die Stimmung ist heute also noch deutlich schlechter als vor zehn Jahren. Allerdings geht es nach oben. Bei den Erwartungen für die kommenden drei Monate stieg das Barometer auf 91,6 Punkte. Das ist der höchste Wert seit rund vier Jahren. Mit Ausbruch des Ukraine-Krieges schmierten auch die Erwartungen deutscher Unternehmen ab.

Die positivsten Änderungen gab es im Boots-, Zug- und Flugzeugbau, bei Möbelherstellern, Post- und Kurierdiensten, sowie Anwälten und Steuerberatern. In diesen vier Wirtschaftszweigen sprang das Barometer vom Krisen- in den Erholungs- oder Aufschwung-Modus.

Was gegen einen Aufschwung spricht

Die Frühindikatoren deuten bisher maximal auf einen minimalen Aufschwung hin. Das ist auch genau das, was die führenden Wirtschaftsinstitute für dieses Jahr noch erwarten. Während die drei erwähnten Barometer ein gutes Gefühl erzeugen, gibt es auch Indikatoren, die weniger gut aussehen. So bauen Unternehmen immer noch mehr Stellen ab als auf, wenngleich sie für die kommenden drei Monate laut einer Umfrage des Ifo-Institutes mit weniger Personalabbau planen als noch in den Vormonaten. Einzig im Baugewerbe und bei den Dienstleistungen scheint ein Ende des Stellenabbaus erreicht. 

Verschlechtert haben sich die Exporterwartungen. Das hängt vor allem mit den Zöllen bei Lieferungen in die USA zusammen. Allerdings sind die Erwartungen noch immer positiv. Das gilt allerdings nur für vier Branchen Autos, Elektronik, Getränke und Möbel. In allen anderen Bereichen gehen Unternehmen von sinkenden Exporten in den kommenden Monaten aus.

Bürger haben zu wenig Geld

Ein wirklicher Aufschwung dürfte also erst dann passieren, wenn grundlegende Probleme der deutschen Wirtschaft besser gelöst werden. Dazu gehören vor allem Hemmnisse im Inland. So konsumieren Bürger hierzulande zu wenig, weil sie oft auch zu wenig Geld dazu haben. Die ausufernde Bürokratie und schlechte Digitalisierung verhindern größere und schnellere Investitionen und dem Arbeitsmarkt fehlen weiterhin Hunderttausende gut qualifizierte Mitarbeiter.

Positiv auf die Wirtschaft dürften aber die Sondervermögen wirken. Bei Rüstungsfirmen wie Rheinmetall und Hensoldt hat sich schon in den vergangenen Jahren ein wahrer Boom durch das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen gezeigt. So ist es auch kein Wunder, dass ausgerechnet die Bauindustrie jetzt angesichts des Infrastruktur-Vermögens die positivsten Signale sendet. Damit dadurch die Wirtschaft aber tatsächlich angekurbelt wird, müsste die Bundesregierung aufhören, Investitionen aus dem Bundeshaushalt in die Sondervermögen zu verschieben – sonst steigt die Summe der Investitionen insgesamt nicht und das hilft dann auch der Wirtschaft nicht.