Seit 2022 beobachten wir im DATEV Mittelstandsindex eine Entwicklung, die uns beunruhigt: Die Schere zwischen Lohnkosten und Umsätzen in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) öffnet sich immer weiter. Während die Lohnkosten im Durchschnitt um 15 Prozent stiegen, sind die Umsätze um zehn Prozent eingebrochen. Ein Trend, der besonders die kleinsten Unternehmen trifft, die überwiegend das Rückgrat unserer ländlichen Regionen bilden.
Lohnschock auf dem Land
Diese Entwicklung ist kein Zufall, sondern das Ergebnis einer Reihe von wirtschaftlichen Herausforderungen, die sich in den strukturschwachen Gebieten besonders bemerkbar machen. Die ländlichen Räume sind stark von Agrarwirtschaft und der Gastronomie geprägt – Branchen, die ohnehin mit geringen Margen und saisonalen Schwankungen kämpfen.
Die geplante Erhöhung des Mindestlohns im Januar 2027 auf 14,60 Euro wird diese Situation weiter verschärfen. Unsere Schätzungen zeigen, dass die durchschnittlichen Lohnkosten in der Gastronomie sowie der Land- und Forstwirtschaft dadurch um weitere 3,5 Prozent steigen und den ländlichen Raum am stärksten treffen werden. Für viele Betriebe, die bereits am Limit arbeiten, ist das ein Kostenschock, der kaum zu verkraften sein wird.
Wettbewerb schwächelt, Kaufkraft punktet:
Die Folgen werden durch einen Blick auf den Zukunftsatlas von Prognos bestätigt. Sie sind absehbar und gravierend: Die Wettbewerbsfähigkeit ländlicher Regionen wird weiter abnehmen, die Attraktivität als Standort für Unternehmen und Fachkräfte schwindet. Während sich urbane Zentren oft schneller anpassen, drohen die kleinen Unternehmen auf dem Land, in eine Abwärtsspirale zu geraten.
Dabei übersehen wir einen entscheidenden Vorteil, den ländliche Regionen gegenüber Städten haben: die deutlich niedrigeren Lebenshaltungskosten. Diese sind für Unternehmen eine Chance, Mitarbeitenden attraktive Gesamtpakete anzubieten, die mehr als nur das Gehalt umfassen. Ein vergleichbares Einkommen auf dem Land hat aufgrund geringerer Mieten, Baukosten und Alltagspreise eine viel höhere Kaufkraft als in der Stadt. Dieser Aspekt muss stärker in den Fokus rücken, um die Regionen für Fachkräfte attraktiv zu halten.
Über DATEV eG
Die DATEV eG ist der drittgrößte Anbieter für Business-Software in Deutschland (IDC-Ranking 2023) und einer der großen europäischen IT-Dienstleister. Gegründet 1966, hat die Genossenschaft des steuerberatenden Berufsstandes über 40.000 Mitglieder. Das Unternehmen mit Sitz in Nürnberg stellt mit Software, Cloud-Lösungen und Know-how die Basis bereit für die digitale Zusammenarbeit zwischen dem Mittelstand und den steuerlichen Beraterinnen und Beratern, die sich um die betriebswirtschaftlichen Belange der Betriebe kümmern. Über diese Community unterstützt DATEV insgesamt 2,8 Millionen Unternehmen, Selbstständige, Kommunen, Vereine und Institutionen.
Steuerberater schlagen Alarm
Befragungen unter Steuerberatern bestätigen diese wenig erfreuliche Aussicht. Die Zahl der Unternehmen, deren wirtschaftliches Überleben gefährdet ist, ist im Vergleich zum Vorjahr erneut leicht gestiegen. Ein Trend, der sich auch in der wachsenden Insolvenzquote widerspiegelt und ein klares Warnsignal sendet. Ein Warnsignal, das wir nicht ignorieren dürfen.
Differenzierte Lösungen statt Einheitsrezepte
Wir müssen jetzt handeln. Die Politik ist gefordert, gezielte Maßnahmen zu ergreifen, um die kleinen und kleinsten Unternehmen in den ländlichen Räumen zu entlasten und ihnen eine Zukunftsperspektive zu geben. Ausschlaggebend ist, dass wir die Heterogenität der deutschen Regionen als Realität begreifen und einbeziehen. Eine Einheitslösung für alle wird scheitern. Stattdessen brauchen wir differenzierte Ansätze, die den spezifischen Herausforderungen vor Ort gerecht werden. Es geht nicht nur um Zahlen, sondern um die Sicherung von Arbeitsplätzen, die Belebung der jeweiligen Regionen und den Erhalt unserer wirtschaftlichen Vielfalt.
Neben komplexeren Instrumenten wie einer an Wirtschaftskraft, Lohnniveau und Beschäftigungsstruktur ausgerichteten Regionalisierungsoption stehen auch zahlreiche Maßnahmen zur Verfügung, mit denen Unternehmen ihre Kosten gezielt senken können. Dazu gehören Bürokratieabbau und spürbare Steuerentlastungen, aber auch Investitionen in Infrastruktur und digitale Anbindung. Wenn wir strukturschwache Regionen stärken wollen, müssen wir vor Ort die Standortfaktoren verbessern. Langfristig stabile lokale Arbeitsmärkte entstehen nur, wenn Fachkräfte bereit sind, zu bleiben oder zurückzukehren – dafür braucht es bessere Schulen, gute Mobilitätsangebote und eine leistungsfähige digitale Infrastruktur.