Rund 900.000 Handwerksbetriebe gibt es in Deutschland, von Änderungsschneidern bis Zimmereien. Geführt werden sie meist von Familien und einem Meister. Geht der in Rente, muss ein Nachfolger gefunden werden. Das wird immer schwieriger. Weil es generell an Fachkräften im Land mangelt, gehen auch bei vielen Handwerksbetrieben die Lichter aus. Das ist gut für die Betriebe, die übrigbleiben, da sie sich meist voller Auftragsbücher und damit klingelnder Kassen erfreuen können. Schlecht ist es für alle Kunden, deren Wartezeiten auf passende Handwerker immer länger werden - und deren Dienste immer teurer.
Das Problem wird sich in den kommenden Jahren verschärfen: 125.000 Betriebe werden nach Angaben des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks derzeit von Menschen geführt, die ihren 60. Geburtstag schon hinter sich haben. Sie dürften in den kommenden fünf Jahren in den Ruhestand treten und brauchen demnach Nachfolger. Die meisten haben das schon geregelt. Entweder wird der Betrieb in der Familie weitergereicht oder an einen der Mitarbeiter.
Doch rund ein Drittel gab an, noch keinen geeigneten Nachfolger gefunden zu haben. Das sind immerhin mehr als 40.000 Betriebe. Damit diese nicht schließen müssen, gibt es schon seit 2006 die von der Bundesregierung und verschiedenen Handwerkskammern ins Leben gerufene Online-Plattform Nexxt-Change, auf der Betriebe nach Nachfolgern und interessierte Käufer nach Betrieben suchen können. Das eignet sich auch für Quereinsteiger. Doch wie übernehmen Sie als Laie einen Handwerksbetrieb? Was müssen Sie dabei beachten? Und ist das überhaupt möglich - und eine gute Idee? Wir klären die wichtigsten Punkte.
Wo Sie einen Meistertitel brauchen - und wo nicht
Das Handwerk unterscheidet nach drei Kategorien von Betrieben. In die Gruppe A fallen 53 Handwerke, die zulassungspflichtig sind. Hier gehen die Kammern und der Staat davon aus, dass diese Handwerke so technisch sind, dass sie schon aus Sicherheitsgründen von einer qualifizierten Person geführt werden müssen. Darunter fallen zum Beispiel Maurer, Heizungsbauer, Maler und Lackierer, Schornsteinfeger, Bäcker und Optiker. Sie können einen solchen Betrieb also nur übernehmen, wenn Sie entweder selbst einen passenden Meistertitel besitzen oder unverzüglich nach der Übernahme einen qualifizierten Betriebsleiter einstellen, der diese Rolle übernimmt. Den müssen Sie auch sofort ersetzen, wenn er aus dem Betrieb später einmal ausscheidet.
Daneben gibt es eine Kategorie B, die 42 nicht-zulassungspflichtige Berufe umfasst. Das sind zum Beispiel Gold- und Silberschmiede, Modellbauer, Schneider, Gebäudereiniger und Fotografen. Solche Betriebe können Sie ohne jegliche Qualifikation übernehmen.
Was kostet die Übernahme eines Handwerksbetriebs
Das hängt stark vom Betrieb selbst ab. Einen Friseursalon in Wuppertal mit weniger als 50.000 Euro Jahresumsatz können Sie derzeit etwa für weniger als 50.000 Euro übernehmen. Einen Automobilzulieferer aus dem Rennsportbereich in Baden-Württemberg mit einem Jahresumsatz von mehr als fünf Millionen Euro und 24 Mitarbeitern bekommen Sie nur für den hohen Preis von drei Millionen Euro.
Wie viel Sie ausgeben, hängt also ganz stark von Ihren eigenen finanziellen Möglichkeiten ab – und davon, wie viel Risiko Sie mit einem Kauf eingehen möchten.
So finanzieren Sie den Kauf
In jedem Fall dürfte die Übernahme eines Handwerkbetriebs eine Ausgabe sein, die Sie nicht aus der Kleingeld-Dose bezahlen. Damit ähnelt sie stark dem Immobilienkauf. Gleiches gilt für die Finanzierung. Weil der Vorbesitzer meist den gesamten Kaufbetrag auf einmal sehen möchte, müssen Sie diesen durch einen Bankkredit finanzieren. Doch das ist relativ leicht. Davon ausgehend, dass Sie einen funktionierenden Betrieb aufkaufen, der jährlich Profit erwirtschaftet, haben Banken eine gewisse Sicherheit und werden Ihnen vertretbare Konditionen anbieten. Dies gilt umso mehr, je besser der Business-Plan ist, den Sie beim Verhandlungsgespräch vorlegen.
Zudem gibt es Fördermittel vom Staat. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die auch Nexxt-Change mitbetreibt, bietet etwa einen explizit für Unternehmensnachfolgen gedachten Förderkredit. Der aktuelle Zinssatz liegt bei 4,74 Prozent. Gefördert werden maximal 35 Prozent der Übernahmekosten, der maximal Zuschuss beträgt 500.000 Euro. Die Rückzahlung wird über bis zu 15 Jahre gestreckt.
So ermitteln Sie den fairen Kaufpreis
Gerade, wenn Sie nicht bereits in der jeweiligen Branche tätig sind, ist es schwer, die geforderten Kaufpreise richtig einzuordnen, um Schnäppchen zu erkennen oder zumindest nicht übers Ohr gehauen zu werden. Mit diesem Problem sind Sie nicht allein. Auch die Vorbesitzer müssen erst einmal genau klären, was ihr Betrieb eigentlich wert ist, bevor sie ihn zum Verkauf anbieten.
Als Faustregel gilt, dass sich der Kaufpreis am Ertragswert orientieren sollte, also daran, wie viel Sie in Zukunft mit dem Betrieb verdienen werden. Die Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin hat dafür einen detaillierten Online-Rechner aufgesetzt, den Sie in der Basisversion kostenlos nutzen können. Wem das nicht reicht, der kann sich auch an einen Unternehmensberater wenden, der die Bücher des zu kaufenden Betriebs einsehen und auf dieser Basis eine genauere Schätzung des fairen Wertes abgeben kann.
Hier suchen die meisten Betriebe neue Besitzer
Derzeit zählt Nexxt-Change Inserate von 6260 Unternehmen. Die meisten davon stammen aus Nordrhein-Westfalen. Hier sind es 1525. Das ist wenig überraschend, da NRW auch das bevölkerungsreichste Bundesland ist. Auf Platz 2 folgt Baden-Württemberg mit 1207 Inseraten vor Bayern mit 659. Schlusslicht ist der Stadtstaat Bremen mit 35 Inseraten vor dem Saarland (64) und Mecklenburg-Vorpommern (80).
Auf die jeweilige Fläche gerechnet finden Sie die meisten Angebote in den Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen und die wenigsten in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Auf Einwohner gerechnet gibt es die besten Chancen in Baden-Württemberg vor Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen und die geringsten Chancen in Mecklenburg-Vorpommern, Bayern und Hamburg.
Diese Fähigkeiten sollten Sie mitbringen
Grundsätzlich können Sie zwar einen Betrieb in jeder Branche übernehmen. Es ist aber enorm hilfreich, wenn Sie sich in der Branche auskennen, in der Sie künftig arbeiten wollen. Wer bereits Dachdecker-Meister ist, wird es leichter haben, einen Dachdecker-Betrieb zu übernehmen und gewinnbringend zu führen.
Doch Fachkenntnisse allein reichen nicht. Wer ein Unternehmen führen will, muss auch grundlegende betriebswirtschaftliche Kenntnisse mitbringen. Dazu gehört es, Einnahmen, Ausgaben, Preise, Löhne und Steuern zu kennen, abschätzen und planen zu können. Auch das rechtliche Grundwissen sollte gegeben sein, gerade für die Vorschriften der jeweiligen Branche. Da viele Betriebe inklusive der Mitarbeiter übernommen werden, sollten Sie auch kein Anfänger in Sachen Personalführung sein.
Allerdings ist es nicht zwingend nötig, dass Sie selbst sowohl Fachwissen als auch BWL-Kenntnisse haben. Sind Sie in einem von beidem sehr gut, lassen sich die jeweils anderen Kenntnisse auch einkaufen. Weiter oben haben wir bereits von fachlichen Betriebsleitern gesprochen, die in vielen Handwerken sogar Pflicht sind. Umgekehrt können Sie einen Betrieb auch selbst fachlich führen und für die BWL-Seite einen Manager einstellen, der diesen Part übernimmt. Zudem bieten Handwerkskammer oft viele Beratungsseminare und Förderprogramme an.
Fazit: Ist es eine gute Idee, einen Handwerksbetrieb zu übernehmen?
Die Vorteile einer Betriebsübernahme liegen auf der Hand: Sie müssen ein Unternehmen nicht von null gründen, sondern starten mit Mitarbeitern, Materialien und Anlagen, notwendigen Räumlichkeiten und einem bestehenden Kundenstamm. War der Betrieb zudem in den Vorjahren wirtschaftlich erfolgreich, ist es unwahrscheinlich, dass Sie diesen gleich im ersten Jahr in den Sand setzen; selbst, wenn Sie einige Fehler machen sollten.
Auf der anderen Seite steht aber auch ein nicht unerhebliches Risiko, das umso höher ist, je fachfremder Sie sind. Wer noch nie eine Bäckerei betrieben hat, wird am Anfang mehr Fehler machen als jemand mit 20 Jahren Berufserfahrung. Wer noch nie einen Business-Plan aufgestellt oder sich um Marketing gekümmert hat, kann die schönsten Fotos schießen, aber sein Foto-Studio wird dadurch nicht profitabler.
Einen Betrieb zu übernehmen, lohnt sich also umso mehr, je besser Sie die Risiken abschätzen und ausmanövrieren können. Das geht am besten, wenn Sie sich sowohl im Fach als auch in der wirtschaftlichen Führung eines Unternehmens sowie am Standort des Unternehmens auskennen. Wer noch nie im Sauerland war, sollte vielleicht nicht ausgerechnet dort einen Malerbetrieb übernehmen. Wer jedoch aus der Gegend stammt und genau weiß, welchen Ort man wie erreicht und wie viele Konkurrenten es in der Umgebung gibt, der hat bessere Karten.
Insofern ist ein Investment in einen Handwerksbetrieb kniffliger als etwa ein Immobilienkauf. Wir alle wohnen in einem Haus oder einer Wohnung und können so besser abschätzen, welche Bedürfnisse etwa unsere Mieter haben, wenn wir eine Immobilie aufkaufen. Bei Handwerksbetrieben ist das nicht so natürlich gegeben.