Schneider verspricht: Deutschland löst „bald“ sein großes Wald-Versprechen ein

Sonntag, 16. November, 08.56 Uhr: Es ist Restday auf der Weltklimakonferenz! Nach sechs Tagen Verhandlungen auf der COP legen die Verhandler und Beobachter am Sonntag offiziell einen Ruhetag ein. Wohlverdient, da die Verhandlungstage lang und zäh sind. Das scheint auch die Taktik des COP-Präsidenten Do Lago zu sein. Mit langen Konsultationen und intensiven Sitzungen hält er die Delegationen auf Trab, testet ihre Ausdauer und hält seine Schluss-Pläne noch im Hintergrund. Für die kommende Woche dürften die Verhandlungen also hitziger und politischer werden – vor allem mit der „Eintritt der Minister“ in die Gespräche, die derzeit in Belém ankommen.

Auch Umweltminister Carsten Schneider ist seit Samstag vor Ort. Bei einem Besuch einer brasilianischen Parkanlage, die bei der Klimaanpassung helfen soll, wurde Schneider zu Deutschlands noch offenem Versprechen ausgefragt: Wie viel Geld steckt Deutschland in den von Brasiliens Regierung auf der Weltklimakonferenz ins Leben gerufenen Regenwaldfonds?

„Ich habe in den letzten Tagen in Berlin dazu noch die Gespräche geführt und ich hoffe, dass wir in kürzester Zeit auch genau sagen können, in welche Größenordnung das geht“, sagte Schneider (SPD) nach seiner Ankunft in Belém. „Aber Sie können sich darauf verlassen, dass, wenn Deutschland das macht, das ordentlich ist.“

Auf dem Klimagipfel sind die Erwartungen an die Bundesregierung groß, nachdem Kanzler Friedrich Merz (CDU) beim Leader Summit im Vorfeld der COP eine „namenhafte Summe“ aus Deutschland in Aussicht gestellt hatte – und dann ohne konkrete Details abgereist war. Nach dem letzten Koalitionsausschuss sucht man weiterhin nach der genauen Höhe des deutschen Beitrags für den sogenannten „Tropenwälder-für-immer-Fonds“ (TFFF).

Tausende ziehen in farbenfroher Demo durch die Straßen von Belém

18.57 Uhr: Auf dem COP-Gelände sind die Demonstrationsmöglichkeiten mittlerweile deutlich eingeschränkt, für die Stadt Belém gilt das jedoch nicht. Zur Halbzeit der Klimakonferenz haben Tausende Menschen für mehr Ehrgeiz im Kampf gegen die Erderhitzung und den Schutz indigener Gemeinschaften demonstriert. Der „Marsch fürs Klima“ zog am Vormittag (Ortszeit) mit lauten Gesängen und Parolen durchs Zentrum von Belém. 

Der große Protestzug in Belém wurde angeführt von Indigenen, die in Brasilien ihre angestammten Gebiete - unter anderem im Regenwald - gegen Agrarkonzerne, Holzfäller und illegale Goldschürfern verteidigen müssen. 

Anders als bei den vorangegangenen Klimakonferenzen in autoritären Staaten wie Aserbaidschan oder Ägypten gibt es in diesem Jahr in Belém auch im Stadtgebiet sichtbare Proteste. So tagt parallel zur UN-Klimakonferenz auf dem Gelände der Universität der „Gipfel des Volkes“ („People's Summit“) mit Hunderten Organisationen, Bewegungen und Netzwerken aus Brasilien und dem Ausland.

Erst am Freitag hatten Dutzende Indigene und andere Klimaaktivisten morgens stundenlang den Haupteingang der Konferenz blockiert. Und am Dienstagabend stürmten Indigene und andere Aktivisten sogar die Eingangshalle der eigentlich stark gesicherten Zeltstadt. Sie brachen gewaltsam Türen auf und lieferten sich ein Gerangel mit Sicherheitskräften.

Aktivisten nehmen an einem Klimaportest während der Weltklimakonferenz im brasilianischen Belém teil
15.11.2025, Brasilien, Belem: Aktivisten nehmen an einem Klimaprotest während des COP30-Klimagipfels in Belem, Brasilien, teil. Andre Penner/AP/dpa

Erstmals spricht die COP über eine unangenehme Klima-Wahrheit

14.31 Uhr: Premiere übrigens bei dieser Weltklimakonferenz: Im Entwurf für einen der sogenannten Abschlusstexte taucht erstmals ein Absatz auf, der die Klima-Problematik bei sogenannten „kritischen Materialien“ würdigt. Dabei handelt es sich um Rohstoffe wie Kobalt, Mangan oder Kupfer, die für Solarpaneele oder Batterien unerlässlich sind – aber nicht selten in den Staaten des globalen Südens unter unwürdigen Bedingungen für Mensch und Natur abgebaut werden.

Dass eine klimaschonende Energiewende zum Teil auch mit Raubbau an der Natur verbunden ist – das ist ein Paradox, über das man in COP-Kreisen bislang nicht so gerne gesprochen hat. Bis jetzt. Im aktuellen Text zum Thema „Just Transition“ (auf deutsch circa: „Gerechter Übergang“) enthält einen Hinweis auf „die sozialen und ökologischen Risiken, die mit dem Ausbau von Lieferketten für saubere Energietechnologien verbunden sind (...).“

Die Initiative geht zurück auf eine Reihe afrikanischer Staaten, aber auch die EU, das Vereinigte Königreich und Australien sprechen sich dafür aus, die Menschenrechts- und Umweltproblematik beim Abbau kritischer Rohstoffe noch stärker in den Blick zu nehmen. Ob die Passage es in den Abschlusstext schafft, ist noch unklar – doch sie wäre eine Premiere in der Geschichte der Klimakonferenzen. 

Der kaum lösbare „Adaptation“-Problem

13.23 Uhr: Ein weiterer Streitpunkt ist das ganze Feld „Adaption“, wo es um Anpassungsmaßnahmen für den Klimawandel geht, etwa Staudämme gegen die Fluten oder die Entwicklung hitzeresistener Getreidesorten in der Landwirtschaft. Sie merken schon: „Adaption“ ist also vor allem eine Frage des Geldes. Aufgrund der kriselnden Weltwirtschaft und des Klima-Rückzugs der USA sitzt dieses Geld aber weitaus nicht mehr so locker wie früher.

Diese finanzielle Realität kollidiert in Belém mit der Klima-Realität: Staaten wie der Irak, die Fidschi-Inseln oder auch Gastgeber Brasilien ächzen immer mehr unter den Folgen des Klimawandels, seien es Dürren, Extremwetterereignisse oder der Anstieg des Meeresspiegels. Ein Klimawandel, der vor allem durch Emissionen der reichen westlichen Industriestaaten plus China verursacht wurde. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen braucht die Weltgemeinschaft bis 2035 mehr als 300 Milliarden Dollar jährlich zur Klimafolgen-Anpassung. Derzeit liegt die jährlich mobilisierte Summe bei knapp einem Zehntel dessen. 

Klimakonferenz, Tag 6: Jetzt kommen die Minister

Samstag, 15. November, 12.01 Uhr: Herzlich willkommen zum sechsten Tag der Weltklimakonferenz! Das Geplänkel geht zu Ende, langsam wird es ernst. Am heutigen Samstag werden die ersten Minister der UN-Teilnehmerstaaten eintreffen, um den bisher ausgearbeiteten Stand der Dinge in konkrete Ergebnisse zu übersetzen. Auch Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD) soll am heutigen Samstag in Belém ankommen.

Auf die Regierungsvertreter kommt eine Menge Arbeit zu, denn das Tempo bei den Verhandlungen ist noch nicht so groß wie die Ambitionen der brasilianischen Gastgeber. Bei vielen Themen sind die Fronten noch verhärtet, und Brasiliens Präsident Lula hat sich darüber hinaus auch noch in den Kopf gesetzt, dass diese COP einen verpflichtenden Fahrplan zum weltweiten Ausstieg aus den fossilen Energien beschließen soll. Was für das Team rund um COP-Chef André Corrêa do Lago insofern herausfordernd ist, als dass dieses Vorhaben ursprünglich gar nicht auf der Agenda stand. 

Erste Ideen, wie das gelingen soll, gibt das schon. Expertinnen und Experten bringen etwa eine Art globaler Hilfstrupp ins Spiel, der Ländern beistehen soll, die einen Ausstieg aus den fossilen Energien planen. Aber von einem Durchbruch ist man noch weit entfernt: Schätzungen zufolge stehen mehr als 60 Länder bereits hinter Lulas Vorschlag, darunter auch Deutschland. Aber für eine Einigung braucht es alle 194 Mitgliedsstaaten.

Das ist am fünften Tag der Weltklimakonferenz passiert

23.04 Uhr: Die erste Woche der Weltklimakonferenz ist fast vorbei, und die Verhandlungen nehmen langsam Fahrt auf. Aber auch die Spannungen außerhalb des COP-Geländes nehmen zu. Das Wichtigste des Tages im Überblick: 

  • Bitte nehmen Sie den Seiteneingang: Eine Gruppe indigener Protestierender blockierte am Vormittag den Haupteingang zum COP-Gelände, die zehntausenden Teilnehmer mussten einen eilig arrangierten Seiteneingang nutzen. Am Vormittag trat COP30-Präsident Andre Correa do Lago persönlich an die Protestierenden heran, um das Gespräch zu suchen
  • Willkommen bei TAFF: Das ambitionierte brasilianische Vorhaben, einen Fahrplan zum weltweiten Ausstieg aus den fossilen Energien zu beschließen, nimmt immer mehr Gestalt an. Der sogenannte TAFF-Plan hat die Unterstützung überraschend vieler Staaten, darunter Deutschland. Aber der Widerstand von Ölstaaten wie Saudi-Arabien ist gewiss.
  • Die Briten und der Peinlich-Auftritt: Mit großem diplomatischem Tamtam war das Vereinigte Königreich nach Brasilien gereist – nur um dann eingestehen zu müssen, dass es in das brasilianische Herzensprojekt, den Regenwaldfonds, nichts einzahlen werde. Nun versuchen sich die Briten an einer Kehrtwende, die nicht wie eine aussehen soll.
  • Die große Protest-Enttäuschung: Auf der ersten COP in einem demokratischen Land seit 2021 sollte die Zivilgesellschaft endlich wieder die Möglichkeit zu Protesten erhalten – so lautete das Versprechen der brasilianischen Organisatoren. Doch ein eskalierter Protest und ein Brandbrief des UN-Klimachefs reichten, um dieses Versprechen auszuhöhlen.
Der britische Premierminister Keir Starmer, Brasiliens Präsident Lula und der britische Kronprinz William (von links) am Donnerstag letzter Woche beim Treffen der Regierungschefs im Vorfeld der COP 30 in Belém
Der britische Premierminister Keir Starmer, Brasiliens Präsident Lula und der britische Kronprinz William (von links) am Donnerstag letzter Woche beim Treffen der Regierungschefs im Vorfeld der COP 30 in Belém Mauro PIMENTEL / POOL / AFP

„Brasilianer kochen vor Wut“: Briten wollen Peinlich-Auftritt ungeschehen machen

21.47 Uhr: Wissen Sie, auf wen die brasilianischen Gastgeber gerade besonders sauer sind? Die Briten. Mit einer großen Delegation war das Vereinigte Königreich nach Belém gereist, Premierminister Keir Starmer hielt beim Treffen der Regierungschefs eine Lobesrede auf Brasiliens Präsident Lula, Prinz William nahm an einer Preisverleihung teil.

Dumm nur: Wenige Tage vor dem Start der COP musste die britische Regierung einräumen, in das große Leuchtturmprojekt der Gastgeber – den Regenwaldfonds TFFF – nun doch nicht einzahlen zu wollen. Dabei hatte es zuvor Signale gegeben, London wolle bis zu einer Milliarde Dollar beisteuern. „Die Brasilianer kochen vor Wut“, zitierte der „Guardian“ aus Regierungskreisen. Vor allem Premierminister Starmer war internationaler Hohn und Spott gewiss.

Alles nur ein Missverständnis, erklären die Briten jetzt plötzlich. Man habe nie behauptet, dass man niemals einzahlen wolle – nur jetzt gerade gehe es eben nicht. „Als die Entscheidung getroffen wurde, den Haushalt auf die Woche nach der COP zu verschieben, hat das Probleme innerhalb der Regierung verursacht“, sagte Londons Klimabeauftragte Rachel Kyte jetzt in einem Podcast der britischen „Times“. „In den Diskussionen zwischen Präsident Lula und Premierminister Starmer hieß es immer 'nicht jetzt', es hieß nicht 'niemals'“.

Hintergrund: Wie die Bundesregierung muss auch London noch endgültig seinen Haushalt fürs nächste Jahr verabschieden. Ein erster Entwurf von Finanzministerin Rachel Reeves wird bis Ende des Monats erwartet. Aber ohne den finalen Haushalt zu kennen, sei es eben unmöglich, sich zu einer Einzahlung in den Fonds zu verpflichten, argumentieren die Briten.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) löste das Problem auf andere Art: Er erklärte, Deutschland werde auf jeden Fall in den Fonds einzahlen – nur wie viel, das könne man eben noch nicht sagen. Eine Entscheidung wird ebenfalls für Ende November erwartet.

mit Agenturmaterial
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