Zugriff vormittags um 10 Uhr bei Paris – 22-Jähriger festgenommen

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Der mutmaßliche Mörder eines 74-jährigen Herrschingers ist gefasst. Bei dem Verdächtigen handelt sich um einen 22 Jahre alten serbischen Staatsbürger. Kräfte einer französischen Spezialeinheit nahmen ihn am Donnerstag gegen 10 Uhr in einem Vorort der Hauptstadt Paris fest.

Pressekonferenz in den Räumen der PI Herrsching (v.l.): Herrschings Polizeichef Winfried Naßl, der Leiter der Kripo Fürstenfeldbruck, Manfred Frei, und Michael Graf vom Präsidium.
Pressekonferenz in den Räumen der PI Herrsching (v.l.): Herrschings Polizeichef Winfried Naßl, der Leiter der Kripo Fürstenfeldbruck, Manfred Frei, und Michael Graf vom Präsidium. © Peter Schiebel

Der mutmaßliche Täter ist gefasst, viele Fragen sind aber nach wie vor offen, vor allem die nach dem Motiv. Eine Woche nach dem tödlichen Angriff auf einen 74 Jahre alten Herrschinger in dessen Wohnhaus an der Straße Zur Kohlstatt stellten Herrschings Polizeichef Winfried Naßl, der Leiter der Kriminalpolizei Fürstenfeldbruck, Manfred Frei, und Michael Graf von der Pressestelle des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord am Freitagnachmittag den aktuellen Stand der Ermittlungen dar. Demnach ist ein 22 Jahre alter serbischer Staatsbürger dringend tatverdächtig.

Der Mann ist nach Angaben von Frei in Deutschland nicht gemeldet und polizeilich bislang nicht in Erscheinung getreten. Nach dem bisherigen Ermittlungsstand kam er am Freitag vor einer Woche, 12. Juli, um kurz vor 17 Uhr mit der S-Bahn in Herrsching an, ganz offenbar alleine. Zwischen 17.20 und 17.30 Uhr nahm ihn eine Überwachungskamera im Edeka-Markt an der Seestraße auf – diese Bilder sollten in der Folge zum entscheidenden Hinweis führen. Gegen 21.20 Uhr klingelte er am Wohnanwesen des 74 Jahre alten ehemaligen Chefdesigners von Rolls-Royce. Als dieser öffnete, griff der 22-Jährige ihn unvermittelt an und fügte ihm mit einem Messer so schwere Verletzungen zu, dass der Mann wenig später daran starb. „Es ist davon auszugehen, dass er mit dem Messer in der Hand in das Haus gegangen ist“, so Frei.

Das war eines der Bilder, mit denen die Polizei nach dem Verdächtigen fahndete. Es entstand am Wohnhaus des Opfers.
Das war eines der Bilder, mit denen die Polizei nach dem Verdächtigen fahndete. Es entstand am Wohnhaus des Opfers. © Polizei

Wo sich der 22-Jährige in den vier Stunden dazwischen aufgehalten und wo er sich umgezogen hat, weiß die Polizei nach Aussagen Freis, macht dazu aus ermittlungstaktischen Gründen aber keine Angaben – ebenso wenig übrigens wie zu den gefundenen Gegenständen. Gleich nach der Tat flüchtete der Mann in Richtung Ammersee. Seinen roten Rucksack wollte er an einer Bootshütte unweit des Dampferstegs im See verschwinden lassen. „Er beschwerte ihn mit Steinen, auf dass er nicht aufschwemmt“, schilderte Frei. Danach fuhr er mit der S-Bahn nach München.

Diese Drohnenaufnahme zeigt das Einfamilienhaus, in dem sich das Verbrechen ereignete.
Diese Drohnenaufnahme zeigt das Einfamilienhaus, in dem sich das Verbrechen ereignete. © Polizei

Derweil liefen rund um das Anwesen Zur Kohlstatt sofort umfangreiche Fahndungsmaßnahmen an. Bis gegen 4.15 Uhr am Samstag waren neben Streifenbeamten aus Herrsching, Dießen, Starnberg, Fürstenfeldbruck und Germering, Hundeführern und Bundespolizei auch ein Polizeihubschrauber und ein Drohnenpilot der Herrschinger Feuerwehr im Einsatz, schilderte Winfried Naßl. Die Kripo war mit zwei Teams der Spurensicherung, drei Teams des für Kapitaldelikte zuständigen Kommissariats 1, Beamten des Kriminaldauerdienstes und Forensikern bis gegen 5.30 Uhr vor Ort, ergänzte Frei. Gegen 11 Uhr am Samstag seien die Arbeiten fortgesetzt worden.

Dann gab es einen entscheidenden Hinweis: Ein Passant entdeckte den roten Rucksack am späten Samstagvormittag im Wasser und meldete den Fund sofort der Polizei. In dem Rucksack fanden die Ermittler Hinweise auf einen Edeka-Markt. „Wir haben alle Edeka-Märkte in der Umgebung überprüft“, schilderte Frei das weitere Vorgehen der Ermittler. An der Seestraße gab es schließlich den Treffer. Ein Abgleich mit den Fotos aus dieser Überwachungskamera mit Bildern aus einer Kamera am Wohnhaus des Opfers legte den Schluss nahe, dass es sich um ein und dieselbe Person handelt. Frei: „Wir waren uns sicher, dass dieser Rucksack dem Verdächtigen zuzuordnen ist.“ Kripo und Staatsanwaltschaft gingen daraufhin am Montag mit den Bildern an die Öffentlichkeit.

Den Rucksack wollte der Täter nach dem Angriff im Ammersee versenken. Bei dieser Bootshütte fand ein Passant ihn jedoch.
Den Rucksack wollte der Täter nach dem Angriff im Ammersee versenken. Bei dieser Bootshütte fand ein Passant ihn jedoch. © Polizei

Diese Fahndung erwies sich als Volltreffer. Es gab eine Reihe von Hinweisen, „darunter einen auf eine konkrete Person“, berichtete Frei. Dieser Hinweis sei aus München gekommen. Parallel habe dazu der Verdächtige „digitale Spuren“ hinterlassen. Die 30-köpfige Ermittlungsgruppe (EG) Mühlfeld habe allein 1,5 Terrabyte Daten gesichtet. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden in der Folge Zielfahndern des Bayerischen Landeskriminalamts (BLKA) übermittelt. „In enger Abstimmung mit der sachleitenden Staatsanwaltschaft München II und den beteiligten ausländischen Polizeibehörden gelang es dieser speziellen Organisationseinheit, die Spur des Mannes aufzunehmen“, teilte die Polizei mit.

Der 22-Jährige hatte in der Zwischenzeit seine Flucht fortgesetzt: von München aus weiter nach Innsbruck, Zürich und schließlich nach Frankreich. Die Kripo geht davon aus, dass der Mann die meisten Strecken mit der Bahn zurückgelegt und sich dazwischen bei Bekannten aufgehalten hat. „Man kennt sich untereinander“, sagte Frei und sprach von „Anlaufstellen“. Ob diese einem kriminellen Milieu zuzuordnen sind, ist jedoch reine Spekulation. „Es kann auch sein, dass man zum Beispiel aus dem gleichen Dorf kommt.“

Die Flucht endete am Donnerstagvormittag in einem Appartement in Aubervilliers, einem etwa 90 000 Einwohner großen Vorort nordöstlich der französischen Hauptstadt Paris. Dort erfolgte gegen 10 Uhr der Zugriff durch eine französische Spezialeinheit. Der Mann habe sich widerstandslos festnehmen lassen und sei unbewaffnet gewesen, erklärte Frei. Die Zusammenarbeit mit den französischen Behörden habe das Bundeskriminalamt (BKA) koordiniert. Diese sei hervorragend gewesen, erklärte der Kripochef. Gegen 15 Uhr am Donnerstag sei die offizielle Bestätigung eingegangen. „Uns war wichtig, dann als Erstes persönlich die Ehefrau zu informieren.“ Die 65-Jährige hatte den Angriff auf ihren Mann mitbekommen und war über die Terrasse zum Nachbarn geflüchtet. Sie sei „eine sehr starke Frau“, aber natürlich auch „sehr betroffen“, betonte Frei.

An dieser Bootshütte fand ein Passant den roten Rucksack.
An dieser Bootshütte fand ein Passant den roten Rucksack. © Polizei

Der mutmaßliche Mörder befindet sich nun in Gewahrsam. Er werde einem Ermittlungsrichter vorgeführt, ein Pflichtverteidiger werde ihm zur Seite gestellt, schilderte Frei das weitere Vorgehen. Ein europäischer Haftbefehl liege vor. Sollte der Mann mit einer Auslieferung nach Deutschland einverstanden sein, rechnet Frei damit, dass das „in zehn bis 14 Tagen“ über die Bühne geht. Wenn nicht, könne sich das Auslieferungsverfahren zwei bis drei Monate hinziehen, sagte er.

Nicht zuletzt von dem Verdächtigen selbst erhoffen sich die Ermittler Antworten auf die nach wie vor offenen Fragen, vor allem die nach dem Motiv. Denn das scheint bislang völlig unklar zu sein. „Es sieht aktuell nicht nach einer persönlichen Beziehung aus“, sagte Frei. Auch gestohlen wurde aus dem Anwesen nichts. Was dann hinter der Tat steckt? „Ich beteilige mich nicht an Spekulationen“, betonte der Kripochef und sagte: „Der Fall ist sehr ungewöhnlich.“ Deswegen und weil längst noch nicht alle Spuren ausgewertet sind, wird die Ermittlungsgruppe Mühlfeld bis auf Weiteres nicht aufgelöst.

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