Boris Becker hätte seinen Ausflug in die Hitler-Zeit besser gelassen

Deutschlands Tennislegende Boris Becker hat bei einem privaten Ausflug in die Zeitgeschichte eine bahnbrechende Entdeckung gemacht, nämlich: Dass Adolf Hitler das Kriegsende 1945 überlebte und nach Kolumbien floh. Das war ihm wohl auch neu: 

„Wow“, schreibt Becker auf Elon Musks Plattform X: „Was stimmt nicht an all den Filmen, die behaupten Hitler starb in Deutschland und Österreich…“ 

Nun fällt uns zwar kein Film ein, der behauptet hätte, der Chefnazi sei in Österreich gestorben. Das wäre auch originell, denn es gibt zwar eine Menge an Verschwörungstheorien über Hitlers physisches Ende. Allerdings spielt keine davon in Hitlers Geburtsland. 

Viele Menschen hängen an dem, was Becker sagt

Auch bleibt es wohl auf ewig Beckers biologisches Geheimnis, wie man zugleich in Deutschland wie Österreich sein Ende finden kann. Ironie beiseite: 

Ein Ex-Tennisspieler wechselt temporär sein Fach – weshalb sollte das überhaupt interessieren? Nun – Becker ist eine Person der Zeitgeschichte. Und obwohl seine sportliche Vergangenheit lange zurückliegt, hat Becker in den Augen vieler Menschen einen Promi-Status. Viele Menschen hängen an dem, was Becker von sich gibt. Auf der Digitalplattform X folgen dem Mann knapp 640.000 Menschen. 

„Boris Becker teilt Zweifel an Hitlers Tod im Führerbunker“, schrieb die "Jüdische Allgemeine" über ihren Artikel, der sich mit dem Vorgang wissenschaftlich korrekt befasst. Becker teilte einen „Post“ des an sich nicht unseriösen „History Nerd“. Dieser wiederum postete ein CIA-Dokument, das der amerikanische Geheimdienst angeblich „gerade“ bestätigt habe („just confirmed“). 

 FBI fahndete nach Hinweisen zum Verbleib Hitlers

Dieses Dokument wiederum ist authentisch, obwohl Adolf darin mit „ph“ geschrieben wird. Es stammt vom 3. Oktober 1955 – veröffentlicht wurde es tatsächlich allerdings schon vor acht Jahren, es handelt sich also nicht um die überraschende Publikation eines Geheimnisses. 

Jedenfalls berichtete ein – angebliches – SS-Mitglied namens Philipp Citroen an den CIA-Agenten in Caracas/Venezuela, Hitler habe sich in der kolumbianischen Stadt Tunia aufgehalten. Er sei noch im selben Jahr nach Argentinien weitergereist. Seine Tarnung sei die eines Angestellten der Königlich Niederländischen Handelsflotte gewesen. 

Tatsächlich fahndete das FBI nach dem Zweiten Weltkrieg nach Hinweisen über den Verbleib Hitlers. Zum einen war der damalige Geheimdienstchef Edgar Hoover selbst wohl offen für Verschwörungstheorien, so beschreiben es Zeitzeugen. 

 Verschwörungstheorien blühten schon immer

Zum anderen herrschte tiefster Kalter Krieg, und die Amerikaner trauten den Russen nicht über den Weg. Und deren Soldaten hatten Überreste Hitlers gefunden, etwa Teile seines Gebisses, die noch heute in Moskau lagern sollen. Der Vermerk des venezolanischen CIA-Agenten wurde jedenfalls niemals verifiziert. 

Die Verschwörungstheorien blühten immer schon. Sie verbreiteten sich zu allen Zeiten rasant – es gibt auch einen negativen Heldenstatus, selbstredend dann auch über einen der größten Schurken der Welt. 

Weil damit aber zu allen Zeiten auch politisch Schindluder getrieben wird, und weil die historiographische „Bewältigung“ des sogenannten Dritten Reiches Teil der deutschen politischen Kultur ist, braucht es faktische Klarheit. Und die sieht so aus:  

Etliche Zeugenaussagen bestätigen Hitlers Tod – am 30. April 1945, um circa 15.30 Uhr. Der Kammerdiener des „Führers“, Heinz Linge, fand die Leichen Hitlers und seiner Frau Eva Braun – geheiratet hatten sie erst tags zuvor – in einem von Hitlers Privatgemächern im bombensicheren „Führerbunker“ in Berlin. 

Die Leichen der Eheleute sollten verbrannt werden

Die sowjetischen Soldaten standen zu der Zeit schon in Berlin. Auf dem Reichstag wehte die Sowjetflagge, der Krieg war für Deutschland längst verloren. Was Männer der Verbrecherorganisation SS nicht daran hinderte, noch Jagd zu machen auf deutsche Deserteure. Die wurden brutal erschossen, noch bis in die letzten Stunden des Krieges. 

Am Mittag des 30. April eröffnete Hitler seinem persönlichen Adjutanten Otto Günsche sowie seinem Sekretär Martin Bormann seine Selbstmordabsicht. So gab es Günsche bei seiner Vernehmung im Juni 1956 zu Protokoll: 

Hitler „eröffnete mir dann auch persönlich, dass er sich nun erschießen wird. Dass auch Fräulein Braun aus dem Leben scheiden werde. Er wollte weder lebend noch tot in die Hände der Russen fallen“. Die Leichen der Eheleute sollten verbrannt werden. Dies geschah durch Hitlers letzten drei Getreuen am selben Tag am Nachmittag, rund eine halbe Stunde nach dem Suizid, um circa 16 Uhr. 

Hitlers Tod wird 1956 offiziell

Der Historiker Anton Joachimsthaler beschrieb „Hitlers Ende“ so: Adolf Hitler und seine Frau sitzen im Arbeitszimmer auf dem Sofa. Zuerst beißt Eva auf eine Blausäureampulle und kippt dann seitlich auf Hitler. Anschließend schießt sich Hitler mit einer Pistole Kaliber 7,65 mm, die er in der rechten Hand hält, in den Kopf. 

Offiziell wird Hitlers Tod vom Berchtesgadener Amtsgericht erst am 25. Oktober 1956 erklärt – vor allem aufgrund der Aussagen Linges, Hitlers Kammerdiener. Der Richter, ein Doktor Stephanus, hält fest: 

„Es kann nicht mehr der geringste Zweifel darüber bestehen, dass Adolf Hitler sich am 30. April 1945 im Führerbunker der Reichskanzlei in Berlin mit eigener Hand, und zwar durch einen Schuss in die rechte Schläfe, das Leben genommen hat.“ Macht es überhaupt einen Unterschied, ob Hitler 1945 gestorben ist oder erst später und dann irgendwo anders? 

Schuster, bleib bei deinen Leisten

Allerdings: Hitler entzog sich am 30. April 1945 der Justiz der Sieger – ein feiger Akt, mit dem er sich nicht nur seinen Richtern, sondern auch der Gerechtigkeit entzog. 

Wäre Hitler tatsächlich die Flucht gelungen, es hätte den jahrelang selbst gesetzten Mythos von der eigenen Unbesiegbarkeit am Leben erhalten. Und damit eine Aufarbeitung der Menschheitsverbrechen durch die deutsche Bevölkerung wohl erheblich erschwert. 

Hitler – „im Felde unbesiegt“ – es wäre nach der Geschichtsfälschung durch die Oberste Heeresleitung nach dem Ersten Weltkrieg die nächste Dolchstoßlegende gewesen. 

Über Boris Becker kann man vielleicht dies anmerken: Wer sich auf seifiges geschichtliches Gelände begibt, kann, wenn er dort ausrutscht, an der politischen Kasse einen Rabatt als Tennisidol kaum geltend machen. Mit einer in 2300 Jahren bewährten, altgriechischen Redewendung: Schuster, bleib bei deinen Leisten.