Katastrophenfall nach Hagelunwetter ausrufen? Kochler Bürgermeister verteidigt seine Aussage gegen Kritik

  1. Startseite
  2. Lokales
  3. Bad Tölz
  4. Kochel am See

KommentareDrucken

Am 26. August 2023 war ein schweres Hagelunwetter über den südlichen Landkreis gezogen. Im Loisachtal waren Benediktbeuern, Ried (Foto), Pessenbach sowie Teile von Bichl und Kochel am stärksten betroffen. © arp

Hätte der Landkreis nach dem schweren Hagelunwetter Ende August 2023 den Katastrophen-Fall ausrufen sollen? Mit dieser Aussage sorgt jetzt der neue Kochler Bürgermeister Jens Müller für Wirbel und bekommt Kritik vom Landrat und vom Kreisbrandrat.

Kochel am See – Das Auftreten des neuen Kochler Bürgermeisters Jens Müller bei der örtlichen Feuerwehrversammlung am Freitag sorgt für Wirbel. Wie berichtet hatte Müller kritisiert, dass der Landkreis nach dem Hagelunwetter Ende August 2023 nicht den Katastrophenfall ausgerufen hatte. Offensichtlich, sagte Müller in der Versammlung, habe es „Ablauf- und Verständigungsprobleme gegeben“. Und weiter: „Wäre es um Menschenleben gegangen, hätte es wegen der mangelhaften Organisation und Verständigung Tote gegeben.“ Auch wenn die Ausrufung des Katastrophenfalls „juristisch nicht 100 Prozent korrekt gewesen wäre“, hätte man „pragmatisch handeln müssen“, sagte Müller, selbst Jurist.

Sowohl bei Kreisbrandrat Erich Zengerle als auch bei Landrat Josef Niedermaier, oberster Dienstherr der Feuerwehren im Landkreis, sorgen Müllers Aussagen für Befremden. Jens Müller war im August noch nicht im Amt, und Zengerle und Niedermaier kritisieren, dass er diese Aussagen nun tätige, ohne detaillierten Einblick zu haben. Müllers Aussagen seien „starker Tobak“, meint Niedermaier.

Landrat Josef Niedermaier.
Landrat Josef Niedermaier. © arp

Niedermaier sprach mit dem Innenminister

Damals sei „sehr wohl diskutiert worden“, ob man den Katastrophenfall (K-Fall) ausrufe, sagt Niedermaier. Er habe noch in der Nacht mit Innenminister Joachim Herrmann telefoniert und die Lage erörtert. „Im Landkreis Garmisch-Partenkirchen war da schon der K-Fall ausgerufen worden, und der Minister sagte, er werde den Garmischer Landrat jetzt nicht zurückpfeifen“, so Niedermaier. Um den K-Fall auszurufen, brauche es gewisse Voraussetzungen, zum Beispiel, dass man die Lage nur mit überregionaler Hilfe in den Griff bekomme. Werde der K-Fall ausgerufen, würden sich aber auch die Organisationsstrukturen verkomplizieren. In diesem Fall hätte die Einsatzleitung der Feuerwehr dann nicht in Benediktbeuern sitzen können, sondern hätte ins Landratsamt gemusst.

(Unser Bad-Tölz-Newsletter informiert Sie regelmäßig über alle wichtigen Geschichten aus Ihrer Region. Melden Sie sich hier an.)

Im K-Fall geht es auch um die Finanzierung der Einsatzkosten. Wie Niedermaier berichtet, habe der Innenminister bei jenem Gespräch versichert, dass die Gemeinden die Materialkosten der Feuerwehr wie bei einem K-Fall abrechnen könnten. „Wir haben diese Zusage von Joachim Herrmann und von Ministerpräsident Söder.“ Den K-Fall auszurufen, hätte Ende August „nichts verändert“, sagt Niedermaier.

Kreisbrandrat Erich Zengerle.
Kreisbrandrat Erich Zengerle. © sh/Archiv

Zengerle: K-Fall hätte nichts geändert

Das Gleiche sagt Kreisbrandrat Erich Zengerle, der nach dem Unwetter die ganze Zeit als Einsatzleiter tätig war. „Wir hatten unmittelbar nach dem Unwetter genügend Einsatzkräfte zur Verfügung, und es stand auch zu jeder Zeit genügend Material zur Verfügung.“ Die Helfer, auch aus den Nachbarlandkreisen Weilheim-Schongau und München, seien rasch zur Stelle gewesen. „Ein Katastrophenfall hätte am Einsatz nichts geändert“, sagt auch Zengerle. Bevor Müller „solche Aussagen tätige“, sollte er sich „erst mal informieren“, findet der Kreisbrandrat. In der Einsatzleitung der Feuerwehr hätten bis zu 20 Personen gearbeitet. „Wir hätten auch sonst keine andere Struktur gehabt.“ Niedermaier vermutet, dass Müllers Aussagen damit zusammenhängen, dass sich die Kochler Ortsteile Ried und Pessenbach bei den Aufräumarbeiten von der Einsatzleitung in Benediktbeuern benachteiligt fühlten. Das sei mittlerweile in einer Dienstbesprechung erörtert worden. Man habe darüber gesprochen, was nicht so gut gelaufen war, und wie man es künftig besser machen könnte, so Niedermaier. „Daran hätte aber auch das Ausrufen eines K-Falls nichts geändert.“

Müller bleibt bei seiner Kritik - und nennt Hintergründe

Jens Müller verteidigte am Montag seine Aussagen. Er berichtet, dass es Anfang Februar – also kurz nach seinem Amtsantritt – eine Besprechung mit den Feuerwehren aus Kochel und Ried und dem Landratsamt gegeben habe. Dabei sei zum Beispiel zur Sprache gekommen, dass der Kochler Kommandant nach dem Unwetter am Samstag bis Montag nicht gewusst hätte, wo man Sandsäcke bekommt. „Da ist bei der Einsatzleitung in Benediktbeuern nicht alles optimal gelaufen“, wiederholt Müller seine Kritik. Wäre der K-Fall ausgerufen worden, hätte man solche Dinge leichter regeln können, ist sich Müller sicher.

Jens Müller, seit Ende Januar Bürgermeister von Kochel.
Jens Müller, seit Ende Januar Bürgermeister von Kochel. © privat

Bei dieser Besprechung sei die Kritik beim Landratsamt „angekommen“, betont Müller aber auch. Das Treffen sei „gut gewesen, und es wurde darüber gesprochen, was verbessert werden muss“. Zum Beispiel hätte die Feuerwehr in Kochel bis Anfang Februar noch nicht gewusst, wie man die Einsätze abrechnen solle. Es sei erst jetzt kommuniziert worden, wie es laufe, nämlich so, als wäre der K-Fall ausgerufen worden. Dass der Freistaat 80 Prozent und das Landratsamt 20 Prozent der Kosten trage, rechne er „dem Amt hoch an“. Müller glaubt aber auch, dass es nicht so weit gekommen wäre, hätte der Landkreis Garmisch-Partenkirchen nicht frühzeitig den Katastrophenfall ausgerufen. Müller sagt weiter: „Als Bürgermeister bin ich auch Dienstherr unserer Feuerwehr, und ich erlaube mir, solche Dinge öffentlich anzusprechen, wenn es um unseren Ort geht. Da nehme ich kein Blatt vor den Mund.“

Auch interessant

Kommentare