Wie professionell Betrüger bei sogenannten Schockanrufen vorgehen: Das zeigt ein Blick in das Vernehmungsprotokoll eines Opfers aus Wolfratshausen.
Wolfratshausen – Anhand eines anonymisierten Vernehmungsprotokolls, das Andreas Czerweny, Leiter der Polizeiinspektion Wolfratshausen, unserer Zeitung zur Verfügung gestellt hat, wird deutlich, wie groß der Druck ist, den die Trickbetrüger bei ihren Schockanrufen auf ihre Opfer ausüben – und wie professionalisiert organisiert und abgestimmt die Täter vorgehen. Das Stresslevel wird permanent hochgehalten, um eine rationale Entscheidung des hoch emotionalisierten Gegenübers zu verhindern.
„Meine Frau habe eine 29-Jährige totgefahren“
Der Geschädigte wurde gegen 11 Uhr zuhause auf seinem Festnetztelefon angerufen. „Zu Beginn war eine schluchzende Frau am Telefon, die ich für meine Ehefrau hielt. Ich habe sie nicht verstanden und fragte immer wieder, was los ist, doch die Frau schluchzte nur.“ Dann übernahm ein Mann, der sich als Polizeihauptkommissar Sommer vorstellte, das Gespräch. „Er sagte, dass meine Frau bei der Polizei ist, sie sei über eine rote Ampel gefahren und habe eine 29-jährige Frau totgefahren. Man müsse den Fall der Staatsanwaltschaft übergeben.“ Seine Frau könne aber – vorausgesetzt, „Staatsanwalt und Richter“ wären damit einverstanden – auf freien Fuß gesetzt werden, sofern er eine Kaution in Höhe von 80 000 Euro hinterlege.
Daran scheitert angeblich die Münzübergabe im Amtsgericht
Unser Wolfratshausen-Geretsried-Newsletter informiert Sie regelmäßig über alle wichtigen Geschichten aus Ihrer Region. Melden Sie sich hier an.
„Man fragte dann nach meiner Handynummer, da über das Handy das weitere Vorgehen besprochen und aufgezeichnet würde – ich dürfe aber nicht auflegen, somit waren dann schließlich beide Leitungen belegt.“ Die Täter fragten nach Bargeld oder Gold, der Geschädigte gab an, nicht über 80 000 Euro Bargeld, aber über Goldmünzen im Wert von etwa 30 000 Euro zu verfügen. „Zuerst hieß es, dass ich die Münzen beim Amtsgericht Wolfratshausen an der Kasse hinterlegen müsse. Doch dann wurde mir gesagt, dass man bei meiner Frau einen Alkohol- und einen Corona-Test gemacht habe. Alkohol habe sie nicht im Blut, doch der Corona-Test sei positiv ausgefallen. Da ich auch Corona haben könnte, sei eine Hinterlegung der Münzen beim Notar im Amtsgericht nicht möglich.“
Stattdessen vereinbarten die Betrüger gegen 11.20 Uhr mit dem Ehemann, dass die Übergabe der Goldmünzen auf einem Parkplatz in der Nähe des Feuerwehrgerätehauses erfolgen könne. „Ich war durchgehend am Handy“, riss die Verbindung kurz ab, rief der angebliche Hauptkommissar sofort wieder an. Er, der Geschädigte, solle sein Kfz-Kennzeichen angeben, dann würde ihm „die Polizei“ einen Stellplatz reservieren.
Falscher Polizist hält das Stresslevel permanent hoch
„Auf dem Parkplatz angekommen, sagte mir der Polizist am Telefon, ich solle das Radio ganz laut aufdrehen, das habe ich zweimal gemacht. Daraufhin kam ein Mann mit einer Baseballmütze auf dem Kopf und einem Handy am Ohr zu meinem Auto.“ Der Wolfratshauser übergab dem Unbekannten den Beutel mit den Münzen. „Ich sollte im Auto warten, er bringe mir die Quittung, die ganze Zeit über war der vermeintliche Polizist am Handy.“ Auch der „fragte mich, ob ich eine Quittung haben wolle, ich sagte ,gerne‘ – dann legte der auf“.
Meine news
Den Geldabholer beschreibt der Geschädigte in seiner Vernehmung als älter als 40 Jahre, 1,80 bis 1,85 Meter groß, „etwas unrasiert“, komplett schwarz gekleidet mit schwarzer Baseballmütze. „Gesagt hat er nichts.“
Unmittelbar nach der Übergabe der Goldmünzen erreichte der Geschädigte seine Ehefrau per Telefon zuhause. Der angebliche Verkehrsunfall mit Todesfolge entpuppte sich als perfekt inszenierte Lügengeschichte. cce