Alles Gute für den Heuschneider, alles Schlechte für Internet-Schmarotzer
Alles Gute für den Heuschneider, alles Schlechte für Internet-Schmarotzer
Wenn ein Betrieb wie der Dorfener Elektronikfachbetrieb ins Insolvenzverfahren muss, hat das viele Gründe. Einer ist besonders ärgerlich, aber leicht abstellbar: Kauft wieder öfter beim lokalen Händler! Und wenn das nicht geht, dann missbraucht zumindest nicht seine Arbeitskraft. Ein Kommentar.
Jetzt also auch noch „Der Heuschneider“. Dorfens wichtigstes Elektrogeschäft steckt im Insolvenzverfahren. Man mag es gar nicht glauben, dass ihm der Saft abgedreht wird. Aber andererseits: Ein Erding konnte man sich auch nicht ohne Leuchttürme wie Kainz, Deffner, Mayr-Wirt oder Sport Gerlspeck vorstellen (die beileibe nicht alle insolvent gingen, aber halt jetzt schlichtweg aus den unterschiedlichsten Gründen nicht mehr da sind). Und noch ist es ja auch in Dorfen nicht so weit, wir wünschen Stefan Tremmel, dem Insolvenzverwalter und den 25 Mitarbeitern viel Glück.
Rein rechnerisch gesehen ist es eh keine Überraschung. Allein von Januar bis Juni gab es in Deutschland 11 000 Insolvenzen, fast 30 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Es bleibt dennoch eine Tragödie, was gerade mit dem fest in der Heimat verwurzelten Betrieb passiert. Und mit einem Geschäftsführer, der sich nicht nur fürs eigene Geschäft, sondern für seine Stadt interessiert und sich als Vorsitzender des Förderkreises stark macht. Diese Stadt Dorfen könnte jetzt einen „Nahversorger“ verlieren. Aber wer braucht schon noch Nahversorger in der Welt der Internetbesorger?
Was ein Händler vor Ort erwarten darf, das sind der Respekt und die Fairness der Kunden.
Nein, das Netz trägt nicht (allein) daran Schuld, dass es mit dem Einzelhandel vor Ort bergab geht. Die schwache Konjunktur, das Ende der Corona-Ausnahmereglungen, hohe Energie- und andere Betriebskosten – die Unternehmen kämpfen derzeit an viel zu vielen Fronten gleichzeitig. Und dann auch noch diese übermächtige Internet-Konkurrenz, deren Chefs so viel Geld verbrennen, dass sie sich selbst auf den Mond schießen können. Der Kampf ist schwierig, wenn du es gegen die ganze Welt aufnehmen musst. Das lässt sich nicht mehr zurückdrehen, das will der Verbraucher nicht, und das verlangt der Händler auch gar nicht. Natürlich ist der Online-Kauf ein erfolgreiches und praktisches Geschäftsmodell. Wer nutzt das nicht? Was ein Händler vor Ort aber erwarten darf, das sind der Respekt oder die Fairness der Kunden.
Sich im Laden beraten lassen, dann das Produkt (Schuhe, Brillen, Kopfhörer, Waschmaschinen etc.) scannen, um es um 20 Prozent günstiger im Netz zu bestellen – das ist schamlos, für den Händler frustrierend und schlimmer als ein Null-Summen-Spiel, denn er steckt ja auch noch Zeit rein. So ein Verhalten ist inzwischen gängige Praxis, wie mir immer wieder bestätigt wird. Aber was tun? Früher gab es im Handel Strafzölle, nutzte aber nix. Aber wie wär's mit einem Strafenkatalog? Ein paar Beispiele:
Wer sich eine halbe Stunde vom Fachmann beraten lässt, ohne überhaupt einkaufen zu wollen, muss die doppelte Zeit mit Alexa diskutieren, einen vollpubertären Teenager bespaßen oder ganz einfach gegen eine Wand anreden.
Wer im Reisebüro nach Schnäppchen fragt und dann bei www.supersuperbilligreisen.de bucht, bekommt im Flieger den Mittelplatz zwischen zwei schwitzenden Sumo-Ringern und aus dem Bordrestaurant nur Burger-King-Fraß.
Schuh- oder Taschen-Abfotografierer werden von allen angesagten Influencern downgegradet und mit schlechten Bewertungen überhäuft.
Wer beim Gruber einen Anzug probiert und dann online bestellt, muss die QR-Zugangscodes von zehn Billig-Portalen abmalen – mit einem viel zu breiten Edding.
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Wer sich vom Heuschneider den neuen Smart-TV erklären lässt und dann im Netz zuschlägt, wird bei späteren Reparaturarbeiten in eine zweistündige Warteschleife verbannt. Aber halt, das ist ja heute schon so.
Zugegeben, das hilft dem Heuschneider in seiner Situation nicht viel. Aber schaden würde es ihm auch nicht. Und gerecht wär’s auch. Alles andere liegt in der Hand des Insolvenzverwalters – und der künftigen Kunden.