Der Iran-Israel-Krieg offenbart zwei wunde Punkte Chinas

Der Krieg zwischen Israel und dem Iran ist für den Moment zu einem Stopp gekommen. Seine Auswirkungen sind aber weiterhin spürbar und verändern das Kalkül fernab der Konfliktregion am Persischen Golf. 

In Peking hat man sich den Kriegsverlauf genau - und mit Bestürzung - angeschaut. Denn Donald Trump ist allen Wahlkampfankündigungen zum Trotz in den Krieg Jerusalems gegen Teheran eingestiegen. Dabei hatten ihn im Vorfeld sogar Teile der Republikanischen Partei und seiner MAGA-Bewegung heftig kritisiert. 

Letztlich ging alles schneller als erwartet. Trump angekündigt, sich binnen zwei Wochen entscheiden zu wollen, ob die USA in den Krieg eingreifen. Das sagte er aber offenbar nur, um den Iran in vermeintlicher Sicherheit zu wägen. Bekanntermaßen schalteten sich die Vereinigten Staaten schon kurze Zeit später ein und attackierten iranische Atomanlagen.

Trump hat einen Teil seiner Wählerschaft befriedigt

Zum Einsatz gedrängt hat den US-Präsidenten der israelische Premierminister Netanjahu. Mit dem Eingreifen der Vereinigten Staaten hat Trump einen Teil seiner Wählerschaft, die Israel sehr nahe steht, befriedigt.

Gleichzeitig half er einem engen Verbündeten der USA, ohne dabei seine grundsätzliche außenpolitische Doktrin der Nichteinmischung in fremde Kriege völlig aufzugeben. Der US-Präsident betonte bei einer Fernsehansprache, dass die US-Luftwaffe einen einmaligen, präzisen Schlag auf iranische Atomanlagen vollzogen habe. 

Diese Schläge haben gesessen - zumindest, wenn man Trumps Worten glaubt. Inzwischen hat auch Teheran eingeräumt, dass die eigenen Atomanlagen "schwer beschädigt" worden sind.

Das Hin und Her des US-Präsidenten im Kontext der Nato, ob Washington seinen Verbündeten im Zweifelsfall wirklich zu Hilfe eilen würde, hatte Peking in der Vergangenheit zu einer folgenschweren Einschätzung bewogen. Man ging davon aus, dass die USA in den Augen ihrer Bündnispartner nicht mehr als zuverlässig gelten. 

Diese Abwägung ist für die Volksrepublik wichtig im Hinblick auf zwei bedeutende Alliierte der Vereinigten Staaten in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft: die Philippinen und Taiwan. 

Peking hat Provokationen gegen Philippinen hochgefahren

Mit Manila haben die USA ein glasklares Verteidigungsabkommen. Sollte die Regierung dort den Verteidigungsfall ausrufen, würde Washington der Nation zu Hilfe eilen müssen. 

In den vergangenen Jahren hat Peking die Provokationen gegen die Philippinen hochgefahren. Der Grund dafür ist, dass die Kommunistische Partei die Hoheit über das Südchinesische Meer verlangt. 

Nach internationalem Seerecht gehört es in großen Teilen zu den Philippinen. Die Küstenwachen beider Länder sind in der Vergangenheit bereits mehrfach in Konfrontationen geraten. Glücklicherweise kam dabei niemand zu Schaden. 

Mit Taipeh pflegt Washington eine verbindliche Partnerschaft, deren militärische Komponente allerdings nicht ausbuchstabiert ist. Auch hier behauptet China, dass das Eiland zur Volksrepublik gehöre. 

Peking möchte keinen militärischen Konflikt mit den USA

Allerdings wird die Insel demokratisch regiert, die Einwohner sehen sich nicht als Chinesen, sondern als Taiwaner. Peking hatte vermutet, dass Trump die Unterstützung für die Insel aufgeben könnte, wenn man ihm einen "Deal" anböte. 

Vor Wochen warnte der amerikanische Verteidigungsminister Hegseth, dass eine Invasion Taiwans unmittelbar bevorstehe. Die USA wären in diesem Fall bereit, Taipeh zu Hilfe zu kommen. 

Nachdem Washington mit seiner Bündnistreue im Falle Israels Ernst gemacht hat, dürfte sich Chinas Machthaber Xi einen Angriff oder eine Blockade der Insel noch einmal überlegen. Einen militärischen Konflikt mit den USA möchte niemand in Peking. 

Dazu kommt ein anderes Problem: die potentielle Sperrung der Straße von Hormus. Das wäre für China ein Horrorszenario. Denn die Volksrepublik bezieht jeden Tag rund 1,8 Millionen Barrel Öl aus dem Iran. Xi braucht diese Menge, um die chinesische Wirtschaft am Laufen zu halten. 

USA haben Straße von Hormus gestört

Umso herausfordernder ist folgende Erkenntnis: Der Krieg zwischen Israel und dem Iran gefährdet die Energieversorgung der Volksrepublik. Immer wieder droht der Iran mit einer Schließung der Straße von Hormus, auch seit dem US-Angriff. Für China wäre das fatal.

Schon der Ukraine-Krieg hatte die Abhängigkeit Pekings vom internationalen Handel offengelegt. Weizen und Düngemittel aus der Ukraine konnten nicht mehr über das Schwarze Meer in Richtung China transportiert werden. 

Xi hat daraufhin seinen Einfluss bei Kreml-Chef Wladimir Putin geltend gemacht. Ein Abkommen sicherte anschließend die Ausfuhr der für die Volksrepublik wichtigen Produkte über die Handelsroute zu Wasser. 

USA können Peking empfindlich treffen 

Für Peking sind die aktuellen Geschehnisse ein Stresstest. Vor gerade einmal zwei Wochen hatte die Volksrepublik noch die Oberhand im Handelskonflikt mit den USA. 

Peking drosselte die Ausfuhr kritischer Mineralen und seltener Erden in Richtung "Neue Welt" drastisch, sodass Trump klein beigeben und Zugeständnisse machen musste. Das Blatt hat sich nun gewendet, zumindest im Hinblick auf das "big picture", das große Ganze. 

Die Vereinigten Staaten haben, das hat der Eingriff in den Krieg gegen den Iran gezeigt, Mittel und Möglichkeiten, Peking politisch und in seiner Energieversorgung empfindlich zu treffen. Für die Philippinen und für Taiwan bedeutet diese Entwicklung vorerst: aufatmen. 

Über den Gastautor

Alexander Görlach unterrichtet Demokratietheorie und -praxis an der New York University. Zuvor hatte er verschiedene Positionen an der Harvard Universität und dem Carnegie Council for Ethics in International Affairs inne. Nach einer Zeit als Gastprofessor in Taiwan und Hongkong hat er sich auf den Aufstieg Chinas konzentriert und was dieser für die Demokratien in Ostasien im Besonderen bedeutet. Von 2009 bis 2015 war Alexander Görlach  der Herausgeber und Chefredakteur des von ihm gegründeten Debatten-Magazins The European. Er lebt in New York und Berlin.