Im Zoll-Streit mit den USA könnte es auch für Xi bald eng werden

Der Handelskrieg zwischen den USA und China gerät völlig außer Kontrolle. Beide Leader, US-Präsident Donald Trump und Chinas Machthaber Xi Jinping, bewegen sich nicht aufeinander zu. US-Strafzölle auf chinesische Einfuhrware liegen mittlerweile bei 145 Prozent, die für amerikanische Importe in die Volksrepublik bei 125 Prozent.

Kein Experte zweifelt daran, dass diese Eskalation Auswirkungen auf die beiden größten Volkswirtschaften der Welt haben wird - und darüber hinaus den Rest der Welt in Mitleidenschaft zieht. 

Trump will China offenbar vom Rest der Welt abkoppeln

In den USA nehmen Trumps Pläne täglich neue Gestalt an. Erst nachdem die Aktienmärkte radikal verloren und die Finanzmärkte an den Rand des Abgrunds taumelten, entschied er sich, die Strafzölle, die er kurz zuvor über nahezu alle Länder der Welt (Russland zählte zum Beispiel nicht dazu) verhängt hatte, für 90 Tage auszusetzen. 

Nur China wurde davon nicht nur ausgenommen. Im Gegenteil: Für Peking hagelte es sogar höhere Strafzölle. Trumps Ziel scheint zu sein, China völlig zu isolieren und vom Rest der Weltwirtschaft abzukoppeln. 

In 90 Tagen wird er von den Europäern, den Kanadiern und Amerikas Alliierten in Asien, allen voran Südkorea und Japan, fordern, ihr China-Geschäft aufzugeben oder doch zumindest massiv zu reduzieren. Anderenfalls drohen die angekündigten Strafzölle. 

Trump folgt hier exakt seinem Playbook aus seiner Zeit als Immobilienhai. Er schafft sich Möglichkeiten, seine Opponenten maximal unter Druck zu setzen, sodass sie am Ende keine andere Möglichkeit mehr haben, als auf sein Angebot einzugehen. In Amerika gefällt vielen Trump-Fans dieses Vorgehen. 

In China werden antiamerikanische Stimmen lauter

Auch dass dabei Jahrzehnte alte Allianzen zerbrechen, stört einige kaum. Mittlerweile nimmt sogar eine Anti-Europa-Stimmung in den USA Fahrt auf, befeuert von Trump, der die Verbündeten in der Alten Welt bei der Ankündigung der Strafzölle im Rosengarten des Weißen Hauses “erbärmlich” nannte. 

Allerdings dämmert es mehr und mehr MAGA-Amerikanern, dass sich ihre eigene Situation nicht verbessert, in manchen Fällen sogar verschlechtert hat, seit Donald Trump im Weißen Haus sitzt. 

Auch in China werden antiamerikanische Stimmen immer lauter. Im Moment obsiegt der Kampfgeist, der die Reihen geschlossen hält. Es hilft, dass Machthaber Xi Jinping schon seit Jahren davor gewarnt hat, dass das Land womöglich auf harte geo-politische Zeiten zusteuert. 

Seit seinem Amtsantritt 2013 spricht er davon, dass der Westen im Abwind, China jedoch im Aufwind sei. Allerdings, und der Tenor wurde seit der Pandemie immer düsterer, arbeiteten "finstere Mächte” im Hintergrund daran, Chinas Aufstieg zu blockieren. 

Nichts wäre für Xi schlimmer als ein Gesichtsverlust im Weißen Haus

Peking kommuniziert auf seine Art, dass es trotz der Strazollspirale bereit ist, mit Washington zu sprechen. Allerdings schweben der Kommunistischen Partei dabei Treffen auf der Arbeitsebene vor, bei denen in knochenharter, trockener Manier ein Deal gezimmert wird. 

Donald Trump und seine Administration hingegen wollen den US-Präsidenten und Xi Jinping gemeinsam in einen Raum stecken, damit sie, ganz nach der Imperialistenart, gemeinsam einen Deal aushecken. 

Nicht erst seit der gescheiterten Begegnung zwischen Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus hält man in Peking von solchen unvorbereiteten, spontanen Meetings nichts. Nichts wäre schlimmer als ein Gesichtsverlust für Xi im Weißen Haus, wenn er von Trump abgekanzelt würde.

Den Menschen in China geht es wirtschaftlich schlechter als vor der Pandemie

Angeblich, so heißt es im chinesischen Internet, habe die Regierung in Peking die USA mit 34 Prozent Strafzöllen belegt und nicht mit 33 Prozent oder 35 Prozent, um an die 34 Strafanklagen zu erinnern, wegen derer der US-Präsident vor Gericht stand. Wie lange diese subtilen Reaktionen die chinesische Bevölkerung zufrieden stellen können, bleibt abzuwarten. 

Den Menschen in China geht es wirtschaftlich betrachtet nicht so gut wie noch vor der Pandemie. Der Immobilienmarkt ist kollabiert und mit ihm hat die Mittelschicht ihre Ersparnisse verloren, die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 20 Prozent, die Binnennachfrage lahmt, die Leute blicken unsicher in die Zukunft. 

Da Xi sein politisches Geschick mit seiner Vision eines prosperierenden Chinas, das die Welt dominiert, verknüpft hat, wird er die negativen Auswirkungen des Handelskriegs mit den USA auf niemanden in seinem Gefolge schieben können.

Für Xi könnte es eng werden

Im Moment sieht es nicht danach aus, als ob seine Tage gezählt wären. Aber im Jahr 2027, wenn die “Wahl” für seine vierte Amtszeit ansteht, könnte ihm die Gefolgschaft verweigert und er, mit Lorbeerkränzen behängt, aufs Altenteil geschickt werden. 

Sollten die Chinesinnen und Chinesen, von den Auswirkungen des Handelskriegs mit den USA hart getroffen, in den kommenden Wochen auf die Straße gehen und demonstrieren, so wie sie es im November 2022 gegen die drakonischen Anti-Corona-Maßnahmen Pekings getan haben, könnte es in der Tat schon vorher eng werden für Chinas Paramount Leader. 

Damals rettete ihn nur, dass er über Nacht alle Maßnahmen für beendet und den Pandemie-Erreger für besiegt erklären konnte. Doch dieses Mal ist Xi in seinen Möglichkeiten von dem, was in Washington entschieden wird, beschränkt. 

Über den Gastautor

Alexander Görlach unterrichtet Demokratietheorie und -praxis an der New York University. Zuvor hatte er verschiedene Positionen an der Harvard Universität und dem Carnegie Council for Ethics in International Affairs inne. Nach einer Zeit als Gastprofessor in Taiwan und Hongkong hat er sich auf den Aufstieg Chinas konzentriert und was dieser für die Demokratien in Ostasien im Besonderen bedeutet. Von 2009 bis 2015 war Alexander Görlach  der Herausgeber und Chefredakteur des von ihm gegründeten Debatten-Magazins The European. Er lebt in New York und Berlin.