Indiens Premier Modi: Beliebt, polarisierend und auf dem Weg zur dritten Amtszeit
Wenige Monate vor der Parlamentswahl in Indien sieht Premierminister Narendra Modi bereits wie der sichere Sieger aus. Das liegt auch an der Schwäche der Opposition. Manche fürchten eine Autokratie.
Narendra Modi schnorchelte im türkisfarbenen Meer vor den indischen Lakshadweep-Inseln und ging in Badelatschen am Strand spazieren. Es war eine „berauschende Erfahrung“, schrieb Indiens Premierminister auf X und pries die unberührte und abgelegene Inselgruppe – mit speziellem Blick auf die 70 Seemeilen südlicher gelegenen Malediven: Seit in dem Inselstaat der neue, China-freundliche Präsident Mohammed Muizzu regiert und indische Truppen des Landes verwies, herrscht Eiszeit zwischen Neu-Delhi und Male. Sogleich griffen Regierungsbeamte, Bollywood-Stars und Cricketspieler Modis Anspielung auf – und riefen in Sozialmedien unter den Hashtags #BoycottMaldives und #ExploreIndianIslands dazu auf, die Malediven künftig zu meiden und lieber ins Lakshadweep-Archipel zu reisen.
Es ist nur ein kleines Beispiel für den Einfluss, den Narendra Modi in zehn Jahren als Premierminister Indiens gewonnen hat. Fast acht von zehn Indern haben eine positive Meinung über Modi, darunter 55 Prozent eine sehr positive Meinung, wie kürzlich eine Umfrage des Pew Research Center in Washington ergab. Kaum jemand zweifelt daran, dass Modi und seine BJP die anstehenden Parlamentswahlen gewinnen werden, die über mehrere Wochenenden im April und Mai stattfinden.
Dabei polarisiert der Premierminister durchaus. Zwar hat Modi die Wirtschaft gefördert und Indien einen Platz auf der Weltbühne gesichert. Doch zugleich trieb er seine Agenda einer Stärkung des Hinduismus im öffentlichen Leben des eigentlich säkularen Indien voran. Kritiker werfen Modi zudem eine schleichende Machtkonzentration sowie Behinderung von Justiz und Medien vor. Manche fürchten gar, dass Indien unter Modi zu einer Hindu-Autokratie werden könnte.
Parlamentswahl in Indien: Modi peilt dritte Amtszeit an
Vorerst peilt Modi seine dritte Amtszeit an. 2014 hatten Protestwähler ihn und die BJP mit 31 Prozent der Stimmen an die Macht gespült und die langjährige Regierungspartei Congress aus dem Amt gefegt. 2019 baute Modi die Mehrheit der BJP auf 37 Prozent aus, er regiert mit 38 Kleinparteien in einer Koalition namens National Democratic Alliance.
Für die Wahl gibt die BJP sich siegesgewiss. Nachdem die Partei bei Regionalwahlen im Dezember drei wichtige Bundesstaaten des religiösen, ländlichen Nordens gewonnen hatte, konstatierte Modi: „Dieser Hattrick sichert uns den Sieg für 2024.“ Hauptgegner Congress regiert nur noch drei der 29 Bundesstaaten und ist auf der nationalen Ebene derzeit schwach.
Indien: Aufstieg und wirtschaftliche Entwicklung
Indiens wirtschaftlicher und politischer Aufstieg hat dabei zunehmend Einfluss auf die anhaltende Popularität Modis. Im September 2023 empfing der Premierminister in Neu-Delhi zum G20-Gipfel Staats- und Regierungschefs, darunter US-Präsident Joe Biden. Das Ausland umgarnte ihn als wichtigen Partner und Gegengewicht zum autoritären China. In Indien seien viele Menschen der Auffassung, „dass Modi den Status ihres Landes auf der Weltbühne erhöht und dem Land einen Platz an der Weltspitze gesichert hat“, schreibt der Südasien-Experte Milan Vaishnav von der Denkfabrik Carnegie Endowment for International Peace.
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2023 überholte Indien zudem China als bevölkerungsreichstes Land der Welt und verzeichnete mit acht Prozent das schnellste Wachstum aller großen Volkswirtschaften. Modi will Indien bis 2047 zu einem entwickelten Land machen; er wirbt um Firmen, die Alternativen für den Standort China suchen, und im ganzen Land entsteht neue Infrastruktur. Außerdem kümmerte sich die Modi-Regierung verstärkt darum, dass auch arme Familien in ländlichen Regionen Zugang zu Toiletten, Bankkonten und Stromanschlüsse bekommen.
Modis Beliebtheit ist immens
Zugleich aber sind Modis Name und der seiner Partei mit einer kompromisslosen Religions-Agenda verbunden – und mit blutigen Unruhen, die bis heute nachwirken. Als Modi den Bundesstaat Gujarat regierte, kamen dort bei Kämpfen und Pogromen gegen Muslime mehr als 1000 Menschen ums Leben, 2500 wurden verletzt. Seiner Regierung warfen viele Wegsehen vor.
Ein noch älterer Vorfall drängt derzeit wieder in die Schlagzeilen: 1992 brannte ein auch von der BJP angestachelter Hindu-Mob eine 450 Jahre alte Moschee in der Stadt Ayodhya nieder – weil sie angeblich dort stand, wo einst die Hindu-Gottheit Ram geboren wurde. Der Brand zerstörte die Moschee und führte zu Unruhen, bei denen mehr als 2000 Menschen ums Leben kamen, vor allem Muslime. Die Regierung ließ an der Stelle einen Hindu-Tempel errichten, den weihte Modi am 22. Januar dieses Jahres höchstpersönlich einweihte. Es war eine Art Triumphzug für den Kurs des Premiers und gilt als inoffizieller Wahlkampfauftakt.

Die BJP-Agenda für Modis dritte Amtszeit sei vor allem kultureller Natur, glaubt Robin Jeffrey von der Australian National University. „Indien wird ein religiöser Staat werden, durchdrungen von der BJP-Version dessen, was es bedeutet, ein Hindu zu sein.“ 80 Prozent der Inder sind Hindus, viele von ihnen scheinen die religiöse Linie zu mögen. Doch für Indiens 200 Millionen Muslime sowie Christen und alle, die einen pluralistischen Staat bevorzugen, werde die Zukunft nicht einfach, so Jeffrey.
Um Indiens säkulare Verfassung zu ändern, bräuchte Modis Koalition allerdings eine Zweidrittelmehrheit im Parlament sowie die Zustimmung von mehr als der Hälfte der Bundesstaaten. Das wäre sogar für die BJP schwierig zu erreichen. Auch die Opposition schreiben Beobachter noch nicht ab. Um die Zersplitterung zu beenden, gründeten mehr als zwei Dutzend Oppositionsparteien die Indian National Developmental Inclusive Alliance (kurz INDIA) an. Vielleicht wird der Wahlkampf damit doch noch ein bisschen spannend.