„Könnte uns das Genick brechen“: Bäcker fordern mehr Lohn - Bezahlung nicht einziges Problem
Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten fordert mehr Lohn in Bäckereien. Doch die Bezahlung ist längst nicht das einzige Problem, mit dem die Bäcker zu kämpfen haben.
Wolfratshausen – Früh aufstehen, arbeiten an den Wochenenden – Punkte, die die Arbeit in einer Bäckerei für viele unattraktiv machen. Nun fordert die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) 380 Euro mehr Lohn für die rund 560 Beschäftigten in den 44 Bäckereibetrieben im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen. Diese Erhöhung soll für die Beschäftigten aller Tarifgruppen gelten, unabhängig davon, ob sie in der Produktion oder im Verkauf arbeiten.
Gewerkschaft fordert mehr Lohn für Bäcker: Handwerk soll für Nachwuchs attraktiver werden
„Wir wollen so den Lohnabstand weiter verringern und machen das Bäckerhandwerk damit für den Nachwuchs attraktiver“, erklärt Manuel Halbmeier, Geschäftsführer der NGG Rosenheim-Oberbayern. Schließlich haben die Bäckereien mit einem enormen Fachkräftemangel zu kämpfen, sowohl in der Backstube als auch hinter der Verkaufstheke. Die Bäcker in der Region sehen in der Bezahlung der Angestellten jedoch nicht das einzige Problem für den Personalmangel im Bäckerhandwerk.
Florian Perkmann, Obermeister der Bäcker-Innung Miesbach-Bad Tölz-Wolfratshausen, und Inhaber der Bäckerei Perkmann in Miesbach mit 37 Mitarbeitern, hält den Vorschlag der NGG für „gut gemeint“, aber im Hinblick auf den Fachkräftemangel sei dieser nicht die alleinige Lösung. Die Forderung der NGG sei berechtigt, aber letztendlich sieht er die einzelnen Betriebe in der Pflicht, gute Arbeitsbedingungen für die Angestellten zu schaffen.
Nicht nur der Betrieb muss leben, auch die Mitarbeiter müssen von ihrem Lohn leben können.
In diesem Zusammenhang erinnert er daran, dass die Löhne im letzten Jahr bereits um zehn Prozent erhöht wurden. „Nicht nur der Betrieb muss leben, auch die Mitarbeiter müssen von ihrem Lohn leben können“, so Perkmann. Das Gesamtpaket müsse passen. „Wenn ein Arbeitgeber nicht willig ist, das Geld für seinen Mitarbeiter zu bezahlen, dann braucht er auch keine Hilfestellung der Gewerkschaft“.
Zurzeit herrsche im Bäckerhandwerk ein absoluter Arbeitnehmermarkt: „Wenn der Betrieb den Lohn nicht zahlen möchte, den der Mitarbeiter gerne hätte, könnte dieser sich einen anderen Arbeitgeber aussuchen.“ Ebenso die Work-Life-Balance spiele eine immer größere Rolle bei der Jobsuche. Das Bäckerhandwerk müsse dringend wieder attraktiver gestaltet werden, fordert Perkmann. Gemeint sei damit vor allem die Nachtarbeit, die laut dem Bäckermeister sogar einen „Entzug aus dem sozialen Umfeld bedeuten kann“.
Auch Tim Burger, Juniorchef der Bäckerei Burger in Geretsried, sieht die unattraktive Arbeitszeit als einen möglichen Grund für den Personalmangel. Um wieder mehr Menschen für den Bäckerberuf zu begeistern, „würden die geforderten 380 Euro mehr Lohn sicher helfen, allerdings ist diese Erhöhung für die Betriebe schwer zu stemmen.
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Unattraktive Arbeitszeit möglicher Grund für Personalmangel in der Backstube
Zu den ohnehin hohen Personalkosten kommt, dass die Energie- und die Rohstoffpreise extrem gestiegen sind, der Mehlpreis beispielsweise hat sich verdoppelt.“ Die Lohnerhöhung würde den Fachkräftemangel vielleicht beheben, aber ob auch der Betrieb davon profitiert, sei fraglich. „Die Mehrkosten können nicht auf die Kunden umgelegt werden. Die Leute würden sonst einfach wegbleiben“, so Burger.
Um die Arbeit im Bäckerhandwerk attraktiver zu gestalten, hat sein Unternehmen verschiedene Benefits für die Angestellten eingeführt, zum Beispiel wie kostenlose Weiterbildungen, gratis Snacks und Obst, einen E-Bike-Verleih sowie die Übernahme von Beiträgen für Fitnessstudios. Es sei eine „schwere Situation“ für alle, für die Betriebe und für die Mitarbeiter. Denn auch die Beschäftigten haben mit höheren Lebenshaltungskosten zu kämpfen. Allerdings: Auf einen Schlag 380 Euro mehr bei 35 Mitarbeitern – „das könnte uns das Genick brechen“, erklärt Burger.
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Bäckermeister Michael Detter aus Bad Tölz ist der Meinung, „dass immer höhere Bruttolöhne nicht die Lösung sind, weil davon netto wegen der hohen Abgaben nicht so viel übrig bleibt.“ Dabei, so Detter, sei die Region um Bad Tölz sehr kaufkräftig, sodass er für seine Backwaren mehr verlangen – und im Gegenzug seine 14 Mitarbeiter sehr gut entlohnen könne. Er bezahle seine Angestellten im Schnitt zehn Prozent über Tarif, unterm Strich mache sich dies aber kaum bemerkbar. „Ich hoffe auf die Politik, dass Grenzen gezogen werden und bis zu einem gewissen Einkommen keine Abgaben bezahlt werden müssen.“
Bäckerei bietet Angestellten bereits Vergünstigungen wie Tankgutscheine
Auch Detter bietet seinen Mitarbeitern andere Vergünstigungen wie Tankgutscheine oder steuerfreie Nachtzuschläge und lange Wochenenden, an denen Samstag und Sonntag freigenommen werden kann. Die Nachtarbeit sieht er dabei allerdings nicht nur als Nachteil für das Bäckerhandwerk: „Wenn man ein Frühaufsteher ist, ist das kein Problem. Dafür kann ich tagsüber zu Behörden oder zum Skifahren gehen, wofür andere dann extra freinehmen müssen“, meint der Bäckermeister.
Die NGG Rosenheim-Oberbayern macht sich unterdessen bereit für einen „heißen Streik-Winter“: Für Ende Januar ist die zweite Verhandlungsrunde zwischen der Gewerkschaft NGG und dem bayerischen Bäckerhandwerk angesetzt. Von Simone Wittig
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