Die Überhitzung am Gasmarkt: Wie internationale Krisen den Gaspreis wieder nach oben treiben

Lieferschwierigkeiten in Norwegen und die Angst vor einem offenen Krieg im Golf von Persien haben die Gaspreise in Europa steigen lassen. Vor allem Gas- und Ölkunden sollten Geduld beweisen.
München - Dass der Energiemarkt teils starken Preisschwankungen unterliegt, ist bekannt. Interessant ist zurzeit, in welch unterschiedliche Richtungen sich die Preise entwickeln: Während Stromkunden so günstig kaufen können wie in den Vorkrisenjahren, sollten Gas- und Ölkunden weiter Geduld beweisen.
Engpässe beim wichtigen Gasexporteur: Folgen für Gaspreise
Im Frühjahr war die Gaskrise fast vergessen: Stellenweise kostete die Megawattstunde mit 25 Euro nur ein Viertel mehr, als vor dem russischen Überfall auf die Ukraine. Das ist erstmal vorbei: Seit Mitte April hat sich ein Niveau von 35 Euro eingependelt, vergangene Woche sprang der europäische Referenzpreis dann sogar kurz über die 40-Euro-Marke. Zum Vergleich: Bevor Russland seine Gaslieferungen einstellte, kostete die Megawattstunde rund 20 Euro. Tobias Federico vom Beratungshaus Energy Brainpool erklärt: „Wir sehen aktuell grundsätzlich höhere Gaspreise in Europa, weil der Markt immer noch das Risiko von Gefechten im Persischen Golf einpreist.“ Sollte der Iran als Unterstützer der Hamas offen eingreifen, drohen im Extremfall auch Gefechte im Persischen Golf, genauer der Meerenge von Hormus. Das ist eine der weltweit wichtigsten Routen für den Erdgasexport.
Vergangene Woche kamen Engpässe bei Europas wichtigstem Gasexporteur dazu: „Vergangene Woche sprangen die Preise dann über die 40-Euro-Marke, weil Norwegen technische Probleme mit seinen Gaslieferungen hatte“, so Federico. Inzwischen konnten die Skandinavier ihre Kapazitäten aber wieder hochfahren – und auch die Lage in Nahost könnte sich entspannen: „Der Iran dürfte kein Interesse an einem Krieg an der Straße von Hormus haben, weil er damit auch dem Gasexporteur Katar schaden würde. Die beiden Staaten pflegen relativ enge Kontakte.“ Federico folgert: „Fundamental spricht damit nichts gegen fallende Gaspreise in Europa. Auch die Chartanalyse deutet gerade in diese Richtung.“ Wunder darf man hier jedoch nicht erwarten. Angesichts der vollen Gasspeicher könnte es aber durchaus sein, dass es im September erneut ein Überangebot von Flüssiggas gibt, so wie 2023. Für diese Prognose sei es aber noch zu früh.
Strompreise doppelt so hoch wie vor Krise
„Der Strompreis wird im Wesentlichen aus den Kosten für Gas und europäische Emissionszertifikate gebildet. Um letztere war es zuletzt relativ ruhig, deshalb ist Gas gerade der wichtigste Preissetzer“, erklärt Tobias Federico. Damit sind die Strompreise rund doppelt so hoch wie vor der Krise. „Falls die Gaspreise wie erwartet fallen, werden auch die Strompreise mit ihnen sinken, im Großhandel wahrscheinlich rund zehn Prozent.“
Tipp für Verbraucher: Günstige Gasverträge gibt es aktuell für rund 8,3 Cent die Kilowattstunde. Anfang April waren es noch sieben Cent. Das zeigen Daten des Vergleichsportals Verivox. Damit liegt der Preis inzwischen mehr als 60 Prozent über dem Vorkrisenniveau. Ganz anders Strom: Durch die Abschaffung der EEG-Umlage durch die Ampel-Regierung zahlen Verbraucher seit Anfang April relativ konstant genauso viel wie 2019. Aktuell sind es 26,2 Cent im Bundesdurchschnitt. Erdgasnutzer können auf leicht fallende Preise spekulieren.
Schwäche bei Ölpreisen
Ein Barrel kostet derzeit kaum 80 Dollar, ein Wert der besonders für Saudi-Arabien als Schmerzgrenze gilt. Noch Ende April waren es 89 Dollar pro Fass. Der Grund sind laut einer Analyse der Commerzbank schwache Wirtschaftsdaten aus den USA und die Sitzung des Kartells Opec+ am 2. Juni, bei der größere Exportkapazitäten ab Oktober beschlossen wurden. Die Commerzbank hält die aktuelle Schwäche indes für übertrieben und erwartet, dass Rohöl zum Jahresende und 2025 rund 90 Dollar kosten wird.
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Tipp für Verbraucher: Heizöl kostet in Bayern derzeit rund 96 Cent. Oliver Klapschus vom Vergleichsportal Heizöl24 sieht Potenzial: „Der Abwärtstrend beim Heizöl ist seit April intakt, der beim Gasöl sogar seit Februar. Als nächstes Kursziel sehe ich in Bayern die 90 Cent.“ Bei 88 Cent sieht er die Untergrenze. „Kunden können jetzt durchaus noch etwas abwarten. Man sollte nur zuschlagen, wenn die Preise schnell nach oben drehen. Bei einem Euro den Liter würde ich die Reißleine ziehen.“