Grenzkontrollen zur Terror-Abwehr in Deutschland: Experte nennt eine große Schwachstelle

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An den Grenzen zu Frankreich, Dänemark, Belgien und den Niederlanden wird wieder kontrolliert. Doch Terror-Kanäle könnten den Kampf gegen Gefährder erschweren.

Berlin – Plötzlich sind die Grenzen nicht mehr abstrakt: Seit 1995 gilt eigentlich freier Reiseverkehr zwischen Deutschland und Nachbarn wie Frankreich, Dänemark, Belgien und den Niederlanden. Als Errungenschaft der europäischen Idee wurde das gefeiert. Doch wegen der Migrationsdebatte und einer angespannten Sicherheitslage nach dem Anschlag von Solingen gibt es jetzt wieder Grenzkontrollen. Seit Montag (16. September) stehen Beamte der Bundespolizei wieder an den Grenzübergängen, winken Autos aus dem Verkehr.

Mindestens sechs Monate lang soll es nach dem Willen von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) Kontrollen geben. Einerseits, um Einwanderer ohne Aussicht auf Bleibeperspektiven zurückzuweisen – andererseits aber auch explizit, um Gefährder und potenzielle Terroristen abzuhalten.

Grenzkontrollen Frankreich, Niederlande, Dänemark: Nur bei konkretem Verdacht effektiv

Allerdings: Der Attentäter von Solingen hat schon seit Jahren in Deutschland gelebt und galt als unauffällig – ebenso wie der Messerangreifer von Mannheim. Beim Schützen von München konnte zuletzt hingegen vor allem deshalb Schlimmeres verhindert werden, weil die Sicherheitsbehörden vorab Informationen über ihn hatten. Ein springender Punkt – der eine zentrale Rolle bei der Beantwortung der Frage spielt, wie sinnvoll ausgeweitete Grenzkontrollen tatsächlich sind, sagt Hans-Jakob Schindler.

Schindler ist Terrorismusexperte beim Counter Extremism Project (CEP), und glaubt nur bedingt an den Erfolg solcher Kontrollen. „Grenzkontrollen sind natürlich ein weiteres Element in der Sicherheitsarchitektur in Deutschland. Jedoch muss man verstehen, was Grenzkontrollen erreichen können“, so Schindler im Gespräch mit IPPEN.MEDIA. So könnten Kontrollen sehr effektiv bei der Bekämpfung illegaler Migration und beim Kampf gegen von Schleuser sein. „Außerdem lassen sich effektiv Personen identifizieren, die eigentlich gemäß dem Dublin-Protokoll in einem anderen EU-Land Asyl beantragen sollten“, sagt Schindler.

Aber: „Bei der Terrorismusbekämpfung sind Grenzkontrollen logischerweise nur dann effektiv, wenn vorab bekannt ist, dass die entsprechende Person zu einer Terrorgruppe gehört. Dies ist leider in der Regel nicht bekannt.“ Grenzkontrollen könnten deshalb lediglich ein Element der Terrorismusbekämpfung im Inland sein – neben der Anpassung der Befugnisse, der Anschaffung der entsprechenden Technologien und der Einstellung des entsprechenden Personals bei den Sicherheitsbehörden, so Schindler.

Schwieriger Kampf gegen Terrorismus: Polizei fehlt Ausrüstung

Was die personelle Situation und die technische Ausstattung angeht, steht die Polizei allerdings nicht sonderlich gut da, wie zuletzt der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke, im Interview mit dieser Redaktion sagte. Zwar plant die Regierung zusätzliche Ausgaben in Höhe von einer Milliarde Euro für innere Sicherheit im nächsten Haushalt ein. Aber: „Wir brauchen jetzt schon die Milliarde mehr, nicht erst ab 2025“, so Kopelke.

Erst Überwachung von Terror-Kanälen, dann Grenzkontrollen

Polizisten monieren derweil schon lange, dass die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland nicht in vollem Umfang möglich ist. Ohne dieses Instrument, bei dem personenbezogene Daten für Ermittlungen über einen längeren Zeitraum gespeichert werden, sei die Terrorbekämpfung ein zahnloser Tiger, heißt es aus Sicherheitskreisen.

Auch Experte Schindler betont: Die zentrale Vorratsspeicherung sei zentral für das Überwachen terroristischer Kommunikationskanäle in sozialen Medien oder in Messengerdiensten wie Telegram. „Und je besser die Sicherheitsbehörden in der Lage sind, solche Kommunikationskanäle zu finden, desto effektiver sind Grenzkontrollen auch als Instrument der Terrorismusbekämpfung.“

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