Experte verrät, worauf die Polizei bei Nancy Faesers „smarten Grenzkontrollen“ achtet
An Deutschlands Grenzen kontrollieren Beamte ab dieser Woche verstärkt. Wie wählen sie ihre Stichproben aus? Ein ehemaliger Polizei-Professor hat eine Vermutung.
Der fiktive Peter Griffin aus der Zeichentrickserie „Family Guy“ sitzt im Auto, ein Polizist hält eine Farbskala neben ihn. Oben, bei den hellen Hautfarben steht „Nicht kontrollieren“, bei den drei etwas dunkleren Tönen unten steht „Kontrollieren“. Dieses Meme verbreitet sich auf Social Media, nachdem Innenministerin Nancy Faeser (SPD) ab Montag (16. September) „smarte Grenzkontrollen“ ankündigte.
Auch die Linken-Politikerin Clara Bünger teilt das Family-Guy-Meme einen Tag später. „Faeser verspricht ‚smarte Kontrollen‘ ohne Staus – klingt toll, oder? In Wirklichkeit heißt das: massive Grundrechtseingriffe und systematisches Racial Profiling, aber Hauptsache der Verkehr fließt. Wer braucht schon Bürgerrechte, wenn die Autos rollen?“, schreibt sie dazu.
Wie akkurat beschreibt das Meme (siehe unten) die Lage an den deutschen Landesgrenzen, fragt BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA Rafael Behr, der bis 2024 Professor für Kriminalwissenschaften an der Hochschule in der Polizeiakademie Hamburg war.
Warum das Meme über Nancy Faesers Grenzkontrollen problematisch ist
„Das Meme ist eine Art Kurzschluss-Reaktion“, kritisiert Behr. Es sei ein gutes Beispiel, um zu erklären, was Racial Profiling wirklich sei. Wenn an einem Hauptbahnhof in Deutschland eine Gruppe Schwarzer Jugendlicher kontrolliert werde, eine Gruppe weißer Jugendlicher nicht, dann sei das „eindeutig rassistisch“. Dass dies mit stichprobenartigen Grenzkontrollen gleichgesetzt wird, ist problematisch: „Bei den Grenzkontrollen wird sich die Polizei auf die Autos konzentrieren, nicht auf die Hautfarbe der Fahrer, so wie das Meme es weismachen will.“
Die genauen Gründe, wann ein Fahrzeug kontrolliert werde, kennen in diesem Fall nur die Polizisten an der jeweiligen Grenze. Sie basierten auf „grenzpolizeilicher Evidenz“. Meist werde auf Fahrzeugtypen oder Kennzeichen geachtet. „Ich vermute, es werden keine offenen Cabrios sein und auch kein Volvo, wie ich einen fahre“, sagt der Polizeiprofessor. Ins Visier der Beamten kämen eher, Kastenwagen, geschlossene Transporter oder Kühlwagen.
„Fahrzeuge von Schleusergruppen zum Beispiel, bei denen die Polizei in der Vergangenheit schon auf 20 Menschen im Kofferraum gestoßen ist“, sagt Behr BuzzFeed News Deutschland. „Normale PKW werden nicht erfasst, egal ob Schwarze Menschen darin sitzen oder weiße.“ Auch deswegen, weil solche kriminellen Gruppen häufig Fahrer engagieren würden, die in dieser Hinsicht möglichst unauffällig aussehen. „Die setzen da irgendwelche Lastwagenfahrer hin, denen sie 1000 Euro geben, damit sie von A nach B fahren. Einige wissen gar nicht, wen sie im Kofferraum transportieren.“

Polizei-Experte findet Grenzkontrollen „völlig überzogen“
Laut polizeilicher Kriminalstatistik waren 2023 von insgesamt 2.246.767 Tatverdächtigen 923.269 (41 Prozent) nicht deutsch, etwas weniger als die Hälfte davon Zuwanderer und Zuwanderinnen. Nancy Faeser sagte der Bild am Sonntag über die verstärkten Grenzkontrollen, sie wolle die Zahl unerlaubter Einreisen stärker eindämmen, „die irreguläre Migration weiter zurückdrängen, Schleuser stoppen, Kriminellen das Handwerk legen, Islamisten erkennen und aufhalten“.
Behr findet diese Erwartung „völlig überzogen“, wie er sagt. Denn: Kriminalität hänge nicht davon ab, ob jemand aus einem anderen Land komme, sondern davon, wie gut er oder sie integriert sei. „Ethnizität ist kein kriminogener Faktor für Verbrechen, der sozioökonomische Faktor, also Geld, ein sicherer Job oder das Gefühl von Zurückweisung jedoch schon“, erklärt der Polizei-Experte. „Mit Zurückweisung erledigt sich das Thema nicht.“
Es gebe „keine Gesellschaft ohne Kriminalität“, auch wenn die AfD wohl an diese „krude Fantasie“ glaube und die Ampel-Regierung in dieser Sache vor sich hertreibe, sagt Behr. Genauso wie die Union, der die Grenzkontrollen nicht ausreichen. Mehr zu kontrollieren, könne man zwar vertreten, es sei aber „kriminalistisch überhaupt nicht sinnvoll, um Messergewalt zu verhindern“. Dementsprechend werde sich die „Bundespolizei nicht darum reißen, wieder Bundesgrenzschutz zu sein“.