Neues Urteil in der Sparkassen-Affäre: Gericht erkennt Kreidl Ruhegehalt ab
Das Verwaltungsgericht München hat gestern Jakob Kreidl sein Ruhegehalt als Landrat und Bürgermeister aberkannt. Die Vorsitzende Richterin erklärte, dass der 72-Jährige keine Geschenke hätte annehmen dürfen und mit Amtsantritt die langjährig gelebte Tradition von luxuriösen Verwaltungsrats-Fahrten hätte beenden müssen.
Fischbachau/München – Zum Jahresende ging immer etwas beim Verwaltungsrat der Kreissparkasse Miesbach-Tegernsee. Dann fuhren die Mitglieder in ein schickes Hotel in Österreich oder in der Schweiz. Die Ehefrauen durften mit. Für alle gab es ein Rahmenprogramm. Die Männer tagten und besprachen zudem das Verwaltungsjahr und luden sich Experten ein, die in der Regel über Probleme und Zukunftsvisionen im Tourismus referierten.
Kreidl wure wegen Untreue zu elf Monaten auf Bewährung verurteilt
So hatte das schon Kreidls Vorgänger, Landrat Norbert Kerkel, jahrelang gehandhabt. Und so übernahm es auch Jakob Kreidl. Nie gab es Einwände von Kontrollorganen. Die mitunter sündhaft teuren Mehrtagesreisen finanzierte in der Regel gänzlich die Kreissparkasse. Doch dann kam der 60. Geburtstag des früheren Fischbachauer Bürgermeisters. Gefeiert wurde mit viel Prominenz in Markus Wasmeiers Museum in Schliersee. An diesem Fest, das angeblich 120 000 Euro kostete, entzündete sich alles. Es kam zur Anzeige.
Im Mai 2022 wurde Kreidl vom Landgericht München II in einem zweiten Prozess wegen Untreue in 21 Fällen zwischen 2009 und 2013 zu elf Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Als Auflage musste er 200 Sozialstunden leisten. Die absolvierte er in den vergangenen beiden Jahren in einem Verein zur Betreuung von Kindern und Jugendlichen. Wie er am Rande des Verwaltungsgerichts-Prozesses auf Anfrage sagte, kümmerte er sich in dieser Zeit um junge Menschen und übernahm Fahrdienste für den Verein.
Ehemaliger Landrat entschuldigt Fahrten als „gängige Praxis“
Mit ihm war auch der frühere Sparkassenchef Georg Bromme (75) vom Strafgericht verurteilt worden. Bromme kassierte am Ende 20 Monate Bewährungsstrafe und als Auflage 300 Sozialstunden. Der Streit um seine Versorgungsansprüche ist noch beim Zivilgericht München II anhängig. Eine Entscheidung soll nächste Woche fallen.
Im Disziplinarverfahren um seine Alterspension kämpfte Jakob Kreidl am Dienstag um Verständnis für sein damaliges Handeln. Immer wieder sagte er: „Das war gängige Praxis.“ Zur Sprache kamen insgesamt vier Fahrten. Die hatten allesamt zwischen 2011 und 2013 stattgefunden: Zwei Verwaltungsrats-Fahrten führten nach Wien und ins Stubaital. Eine Bürgermeisterfahrt ging nach Interlaken und eine Kreistagsfahrt in die Steiermark. Kreidl sprach von fachbezogenen Sitzungen, berichtete über einen ausgewiesenen Seilbahn-Experten, der Tipps für das kränkelnde Skigebiet am Sudelfeld gegeben hatte. Es gab Infos zur damals schwächelnden Bank Hypo-Alpe-Adria, die von der Bayerischen Landesbank übernommen worden war, welche wiederum zu 50 Prozent den Sparkassen gehörte. Auch Verwaltungsräte anderer Sparkassen hätten ähnliche Fahrten getätigt. Laut Kreidl nach Paris, Bordeaux und Prag.
Kreidl wurde nicht von Prüfstellen Aufmerksam gemacht
Die Vorsitzende Richterin nahm ihm jedoch schnell den Wind aus den Segeln. „Wir haben bindende Feststellungen der Landgerichtsurteile“, sagte sie. Und Oberlandesanwalt Robert Kichmaier fügte hinzu: „Was andere Sparkassen machen, spielt für das Verfahren keine Rolle.“
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Und dann waren da ja noch die Geschenke. Laut Kreidl war der Ex-Sparkassenchef Georg Bromme sehr großzügig gewesen. „Er hätte es als Affront aufgefasst, wenn ich gesagt hätte, das brauche ich nicht“, sagte Kreidl vor dem Verwaltungsgericht, als es um eine silberne Aufbewahrungsdose im Wert von 1000 Euro für sein Arbeitszimmer als Landrat ging. Bei seinem Auszug hätte er sie zudem dort stehen gelassen.
Was den 72-Jährigen besonders wurmte, war die Tatsache, dass ihn keine Prüfstelle des Sparkassen-Verbandes und keine Rechtsaufsichtsbehörde der Regierung von Oberbayern auf eine mögliche Verschwendung aufmerksam gemacht hatte. „Es ist von keiner Seite ein Hinweis gekommen“, sagte Kreidl. „Die Innenrevision hätte die Verpflichtung gehabt, mich darauf hinzuweisen, aber für den Chef war alles in Ordnung.“
200 000 Euro Schaden entstanden
Doch der Oberlandesanwalt stoppte ihn mit dem Hinweis auf das bekannte Verbot der Geschenkannahme ein zweites Mal: „Es wäre zu erwarten gewesen, dass Sie sagen: Sorry, es ist gut gemeint, aber ich darf es nicht“, erklärte Kirchmaier. Insbesondere die luxuriösen Geschenke wie auch die luxuriösen Fünf-Sterne-Häuser, in denen die Gruppe genächtigt hatte, waren dem Gericht aufgefallen. Kreidl verteidigte die Wahl mit dem Vorhandensein von Tagungsräumen.
„Das Gericht geht von einem dienstlichen Vergehen aus“, sagte die Vorsitzende Richterin noch vor dem endgültigen Urteil. Der angerichtete Schaden betrage fast 200 000 Euro. 15 000 Euro habe Kreidl zurückgezahlt. Den Rest habe der Versicherer nach einer Vergleichslösung durch die Sparkasse übernommen.
Urteil noch nicht rechtskräftig
Das Urteil des Verwaltungsgericht ist noch nicht rechtskräftig. Kreidl wollte gestern noch keine Entscheidung treffen, ob er in die nächste Instanz vor den Verwaltungsgerichtshof zieht. „Ich muss das erst einmal sacken lassen“, sagte er. Eine Möglichkeit liegt eventuell in dem erst 2022 und damit vielleicht zu spät eingeleiteten Disziplinarverfahren.
Unangetastet bleibt übrigens Kreidls Ruhegehalt als Landtagsabgeordneter. Der Fischbachauer gehörte dem Parlament von 1994 bis zu seiner Wahl zum Miesbacher Landrat im Jahr 2008 an.
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