Schauspieler Leo Reisinger liest in Holzkirchen aus Roman-Debüt „Bavarese“
Dass Leo Reisinger Babys zur Welt bringen kann, weiß jeder, der die ARD-Fernsehreihe „Toni, männlich, Hebamme“ kennt. Darin spielte Reisinger die Hauptrolle als Entbindungspfleger. Nun ist dem 46-jährigen Schauspieler eine weitere Geburt geglückt: die seines Roman-Debüts „Bavarese“.
Holzkirchen – Nach seiner glamourösen Premiere im Münchner Kult-Kino Rio Palast zog es den gebürtigen Otterfinger ganz schnell wieder in die Heimat. Deshalb fand seine zweite Lesung am Dienstag vergangener Woche in der Holzkirchner Bücherecke statt, einer Traditionsbuchhandlung, die es seit 1983 gibt. Hier war Reisinger immer schon ein gern gesehener Gast, wie die Betreiberinnen Cornelia Engl und Dr. Caroline Holz unserer Redaktion verrieten. Allein die erste Begegnung zwischen Reisinger und Holz ist eine Story für sich: Sie lernte ihn 2005 im Robinson Club in Griechenland kennen, wo er neben der Schauspielschule jobbte. An einem Abend bespaßte er als Entertainer die Hotelgäste mit einem Musik-Quiz. Bei einer Frage war er sich sicher, dass die Antwort niemand kennen würde. Umso überraschter war er dann, als Holz als Einzige wusste, wo die bekannte Schauspielerin Katja Ebstein damals wohnte – in Wettlkam, einem Ortsteil von Otterfing. „So haben wir uns kennengelernt und unsere Wege haben sich immer wieder gekreuzt. Neulich kam Leo vorbei und sagte, er habe ein Buch geschrieben“, sagte Holz und lacht. Reisinger freute sich indes über das literarische Heimspiel: „Für mich war es völlig logisch, dass ich hier mit meinen Lesungen anfange, da Otterfing meine Heimatgemeinde ist. Da stand die Bücherecke mit ihrer Expertise als Buchhandlung an erster Stelle.“
Enge Verbundenheit zu Holzkirchen
Die Verbundenheit zu Holzkirchen kommt für das Multitalent nicht von ungefähr. Viele Jahre hat er hier Fußball gespielt und unzählige Auftritte mit seiner Kombo „Leos Live Band“ gerockt. „Wir sind fast jeden Tag in Holzkirchen“ erklärt der Autor, der mit seiner Familie mittlerweile in Warngau wohnt.
Auch die Idee zu „Bavarese“ hat ihre Wurzeln in Holzkirchen. Dort fing Reisinger im Alter von 19 Jahren an, als Ausfahrer für ein Gemüsegeschäft, das später zu „Früchte Feldbrach“ wurde, zu arbeiten. Jenny, die Frau seines Kumpels Christian Kieslinger, brauchte seinerzeit dringend einen Fahrer. Das frühe Aufstehen sei hart gewesen, die Tage lang. Reisinger war zum Teil 14 Stunden am Stück auf Achse und am Abend entsprechend erschöpft. „Das war wirklich kein Traumjob“, gestand er unserer Redaktion. Auf die Frage, warum er sich nicht eine andere Arbeit gesucht habe, entgegnete er: „Die Freundschaft zu Jenny und Christian hat mich gehalten.“ Und so kam Reisinger auch in die Münchner Großmarkthalle. Liest man sein Buch, wird vor allem eines deutlich: Der Autor hat diesen ganz eigenen Mikrokosmos dort bis ins letzte Detail aufgesogen. Als Zuhörer hatte man das Gefühl, selbst in einer Großmarkthalle zu stehen, in der rege Betriebsamkeit herrscht, Paletten mit Obst und Gemüse verladen werden, wo es nicht immer nur gut riecht und wo es vor allem menschelt.

Zwischen den vorgelesenen Kapiteln streute Reisinger immer wieder Anekdoten zum Entstehungsprozess von „Bavarese“ ein. Zwar sei der Plot frei erfunden, doch die Inspiration zu einigen Personen und Gegebenheiten holte sich der Autor aus dem prallen Leben des Großmarkthallen-Milieus. So erzählte er auch von einer Steuerfahndung, die er im Betrieb seines damaligen Chefs hautnah miterlebte. „Du kannst in Deutschland viel Scheiß machen und damit davonkommen. Aber wenn du mal die Steuerfahndung am Hals hast, zerlegen dir die alles und behandeln dich wie einen Schwerverbrecher!“ Reisinger kämpfte mit den Tränen. „Ich hatte so eine scheiß Angst damals“, gab er zu. An dieser Stelle räumte er gleich mit der in seinen Augen falschen Erwartungshaltung auf, der zufolge Männer keine Gefühle zeigen dürfen. „Mich persönlich berührt des immer wahnsinnig, wenn a Mo woant“, verfiel er an dieser Stelle in seinen oberbayerischen Dialekt.
Keine Star-Allüren
Die Lesung in Holzkirchen war geprägt von einer außergewöhnlichen Nahbarkeit des Künstlers. Trotz seines mittlerweile hohen Bekanntheitsgrades durch die Schauspielerei hatte der frisch gebackene Autor keinerlei Star-Allüren. „Ich verstehe mich als Dienstleister und wenn mir jemand seine Freizeit schenkt, möchte ich ihn dafür belohnen. Deshalb gebe ich alles“, so Reisinger zu unserer Redaktion.
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Eine nette Anekdote hatte er noch auf Lager, denn am Tag der Lesung bekam ausgerechnet er, der sich von der Politik normalerweise bewusst fernhalte, einen Anruf von Ilse Aigner, der Präsidentin des Bayerischen Landtags. Sie habe von seinem Buch erfahren und rief ihn gleich an, um ihm mitzuteilen, dass sie sich schon sehr auf die Lektüre freue.

Im Anschluss stellten die Zuhörer Fragen. „Was bedeutet eigentlich „Bavarese“, wollte eine Dame wissen. Reisinger erklärte: „Das ist das italienische Wort für bayerisch. Ich hab das eigentlich nur als Arbeitstitel verwendet. Aber weil ja auch Italiens Mafia eine Rolle in dem Buch spielt, passt es doch ganz gut.“
Die Lieder, die Reisinger zwischen den Vorlese-Phasen auf dem E-Piano zum Besten gab, hatten ihn während des Schreibprozesses begleitet. So inspirierte „The Ballad of Easy Rider“ von „The Byrds“ den 46-Jährigen zu einer rührenden Szene: Die alleinerziehende Lene, die als Gemüselieferantin arbeitet und von der Hand in den Mund lebt, gibt Pfandflaschen zurück, um ihrem Sohn etwas zu essen kaufen zu können. Als er sie fragt, warum sie nichts esse, sagte sie, sie habe keinen Hunger. Ihr Sohn Luca spürt, dass sie lügt und pult die Essiggurke aus seiner Leberkässemmel, um sie der Mutter zu schenken.
Besondere Zuckerl
Nach einem gleichermaßen unterhaltsamen wie berührenden Abend machten sich gut 50 glückselige Zuhörer auf den Heimweg oder folgten Reisinger noch ins nahe gelegene Wirtshaus. „Uns war es wichtig, dass man ihm noch im geschützten Rahmen Fragen stellen konnte“, sagt Buchladen-Inhaberin Holz. Ein besonderes Zuckerl seitens der Holzkirchner Bücherecke: Es gibt einen Vorrat an handsignierten Büchern, die auf Anfrage auch deutschlandweit verschickt werden.
Wer die Lesung in Reisingers Heimatregion verpasst hat, hat die Möglichkeit, dies nachzuholen. Die Holzkirchner Bücherecke hat zwei weitere Lesungen organisiert: 11. Oktober 2024: Warngau und 2. November 2024: Otterfing.
Von Melanie Springer-Restle
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