Söder will tägliche „Jogging-Pflicht“ für bayerische Grundschüler einführen
Soll es ab dem nächsten Schuljahr für Grundschüler eine verpflichtende halbe Stunde Bewegung pro Tag geben? Bayerns Ministerpräsident Markus Söder kündigte diese neue Initiative an, um Kinder zu mehr Sport zu motivieren – insbesondere während der Ganztagsbetreuung. Der Vorschlag trifft auf ein geteiltes Echo.
Landkreis/München - er Ministerpräsident will damit den Bewegungsmangel bei Kindern bekämpfen, da viele sich in ihrer Freizeit zu wenig bewegen. Die tägliche Sporteinheit könnte in Form von Joggen, Laufen oder Probeangeboten von Sportvereinen erfolgen.
„Kinder sollen sich bewegen, in welcher Form auch immer“, erklärte Söder. Er betont, dass Sportvereine eine wichtige Rolle bei der Umsetzung spielen sollen, und verwies dabei auf Initiativen von Sportgrößen wie Felix Neureuther und Philipp Lahm, die sich für die Förderung von Bewegung bei Kindern einsetzen. Der Bayerische Landes-Sportverband soll dazu Vorschläge für die Schulen ausarbeiten.
Die Einführung der täglichen halben Stunde Sport soll jedoch nicht den regulären Stundenplan erweitern, sondern parallel zur Ganztagsbetreuung angeboten werden. „Es ist für den Nachmittag das ideale Programm“, so Söder. Die Sporteinheit kann somit auch nach dem Unterricht stattfinden.
Zudem sprach sich Söder für die Fortführung der Bundesjugendspiele aus und kündigte die Ausrichtung von „Bayern-Spielen“ an, die eine regionale Ergänzung darstellen sollen. Ein neues bayerisches Sportgesetz, das Söder in den Landtag einbringen will, soll den rechtlichen Rahmen für diese Initiativen schaffen. „Sport ist zentral wichtig“, betonte er.
Söder führt also eine Art „Jogging-Pflicht“ für Schüler ein. Doch wie kommt das an? Fakt ist, das Thema polarisiert. So auch in der Redaktionskonferenz, als Söders Forderungen auf den Tisch kamen.
Pro Lauf-Pflicht: Kai Lorenz (Redaktionsleiter)
Ich bin Vater von zwei Buben und selbst Trainer einer Fußball-Jugendmannschaft. Daher weiß ich aus eigener Erfahrung, wie wichtig körperliche Bewegung für Kids ist. In einer Welt, in der sich viele Kinder daheim nur noch vor der Konsole digital bewegen, braucht es vielleicht genau so einen Anstoß. Daher finde ich den Vorschlag Söders richtig. Denn das verpflichtende Einführen von einer halben Stunde Jogging in der Grundschule könnte zahlreiche Vorteile für die Kinder mit sich bringen. Physisch würden sich die Ausdauer und Fitness der Kinder verbessern, ihr Körpergewicht besser reguliert und ihre Muskulatur sowie Knochen gestärkt werden. Zudem fördert das Joggen die Koordination und Motorik.
Auch auf die mentale Gesundheit hätte es positive Auswirkungen. Joggen kann Stress abbauen, die Konzentration steigern und die Stimmung durch die Freisetzung von Endorphinen heben. Langfristig könnte dies das Risiko für psychische Erkrankungen wie Depressionen verringern.
Aber auch soziale Vorteile ergeben sich durch die Förderung von Teamgeist und sozialer Interaktion. Gemeinsames Joggen stärkt den Zusammenhalt in der Klasse, und alle Kinder erhalten unabhängig von ihrem Hintergrund Zugang zu regelmäßiger Bewegung. Außerdem werden Disziplin und Durchhaltevermögen trainiert, was die Selbstkontrolle verbessert.
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Langfristig könnte das Joggen Lebensstilkrankheiten vorbeugen und die Kinder zu einem aktiven Lebensstil motivieren. Zusätzlich führt die regelmäßige Bewegung zu einer besseren Lernatmosphäre, da die Kinder ruhiger und konzentrierter sind. Insgesamt stärkt dies das Selbstwertgefühl der Kinder und verbessert die Lernumgebung in der Schule.
Ganz anders sieht das Kollegin Sabine Fleischer:
Contra Lauf-Pflicht: Sabine Fleischer (Redakteurin)
Keine Frage, Joggen ist gesund. Und Kinder sollten zu mehr sportlicher Betätigung angeregt werden. Ob das allerdings durch eine verpflichtende, tägliche (!) Lauf-Einheit zum gewünschten Erfolg führt, wage ich zu bezweifeln.
Auch ich bin Mutter von drei Kids, die meiner Meinung nach zu viel Zeit mit Handy und Co verbringen anstatt zum Beispiel mit Sport. Allerdings weiß ich auch, dass die Laufeinheiten im Schulsport-Unterricht in der Regel nicht wirklich motivieren (sagen meine Jungs). Schon damals in meiner Schulzeit nicht. Die, die das gerne – auch in ihrer Freizeit – machen, joggen sowieso. Und für jene, denen es keinen Spaß macht, verleidet der Zwang jegliche Freude an dieser Art der Bewegung.
Ich fühlte mich in meiner Schulzeit oft einfach nur bloßgestellt, auch wenn ich für meine Langsamkeit und Schnauferei nicht mal gehänselt wurde. In Zeiten von Mobbing und Posen möchte ich mir das heute gar nicht vorstellen.
Vorstellen kann ich mir auch die praktische Durchführung von Söders Vorschlag nicht. Tägliches Rundenziehen in den (oft belegten) Turnhallen oder auf asphaltierten Pausenhöfen? Oder joggende Erstklässler auf der Straße, die mit ihren Betreuern entlang des Autoverkehrs und zwischen Passanten zum nächsten Park laufen? Hoch motivierte junge Läufer vorn weg und lustlose Kinder mit Schnupfen hinterher? Das täglich bei Wind und Wetter? Der eine hat die richtigen Laufschuhe an, der andere nicht mal eine passende Jacke dabei. Und wer in den Vereinen soll das fünfmal die Woche am Nachmittag leisten, selbst wenn der Staat das bezahlen würde?
Mich mutet Söders Forderung nicht wirklich durchdacht an. Lieber wäre mir, Bayern kümmert sich intensiver, dass weniger Sportstunden ausfallen, dass die Turnhallen ordentlich in Schuss sind, dass überhaupt adäquate Nachmittagsbetreuung gewährleistet werden kann – gerne mit sportlichem Spiel und Spaß, aber nicht zu einer Bewegungsart verpflichtet. Lasst uns doch nicht alles reglementieren, durchtakten und ‚von oben‘ vorgeben!
Übrigens, mir hat Joggen erst Spaß gemacht, als ich frei entscheiden konnte, wann, wo und wie lange ich rennen wollte. Ich bin immer noch kein guter Dauerläufer, aber schnellen Schrittes durch Wald und Felder genieße ich sehr – rein aus Freude am Bewegen. Wenn wir unsere Kinder zu mehr Aktivität anregen wollen, dann müssen wir dafür sorgen, dass sie das selbst möchten. Vorschriften sind aus meiner Erfahrung kontraproduktiv.
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