Ein Dießener auf dem Europäischen Erfinder-Olymp?
Eigentlich müsste ihm Elon Musk einen Gratis-Tesla vor die Türe stellen. Denn dank der Erfindung des Dießener Ingenieurs Richard Oberle spart Musk in seiner Brandenburger Giga-Factory bei jedem E-Auto Energie, Material und zehn Stunden Produktionszeit ein.
Dießen – Bei herkömmlichen Verfahren wird der komplexe Unterboden eines Autos aus Dutzenden von Druckgussteilen zusammengesetzt, die alle einzeln produziert werden. Mit der von Richard Oberle maßgeblich mitentwickelten „Giga-Press“, der weltweit größten Aluminium-Druckguss-Maschine mit besonders hoher Presskraft, kann der Fahrzeugunterboden aus lediglich zwei bis drei großen Bauteilen hergestellt werden. Dafür wurde Richard Oberle zusammen mit seinem italienischen Freund und Geschäftspartner Fiorenzo Dioni für den renommierten „Europäischen Erfinderpreis“ nominiert.
Mit der Auszeichnung würdigt das Europäische Patentamt EPA seit 2006 Menschen, die ihre Ideen in technischen Fortschritt, Wirtschaftswachstum oder Verbesserungen im Alltag umsetzen. In der Kategorie „Industrie“ gingen in diesem Jahr 550 Bewerber aus 75 Ländern an den Start, wobei sich Oberle und Dioni bereits in der Runde der letzten Drei befinden.
Wie die Oscar-Nacht
Sie alle wurden zur Preisverleihung am 9. Juli nach Malta eingeladen, wo es spannend wie bei der Oscar-Nacht zugehen wird. Sollte Oberles Namen bei „And the winner is…“ genannt werden, wäre das die Krönung seines Lebenswerkes. Der 85-jährige reist nach Malta mit seiner Frau Carmen Maria Anhorn, lange Jahre gefeierte Sopranistin in der Bayerischen Staatsoper und Gesangslehrerin. In ihrem Haus in der Dießener Schilcherstraße haben sie sich ein Musikzimmer mit Steinway-Flügel eingerichtet, wo sie zusammen musizieren.
Denn Richard Oberle spielte bis 1973 neben seinem Beruf Trompete in der eigenen Bigband „Rio“, der Abkürzung von Richard Oberle. Beim KREISBOTEN-Gespräch im historischen Dießener Zinn-Café schwärmt er von einstigen Gala-Bällen, wo die Band oft als Vorgruppe von Max Greger aufgetreten ist. Sein zweites Hobby hält den 85-jährigen fit: Er schwingt regelmäßig den Schläger im Golfclub Pähl.

Richard Oberle stammt aus Elsenfeld in Unterfranken, lernte Werkzeugmacher und wurde über den zweiten Bildungsweg Ingenieur. 1974 ging er nach Italien und entwickelte für den Automobilzulieferer „Idra“ Komponenten. Bei der Teileproduktion gab es immer wieder Ausfälle und Probleme, wofür man die Ventile verantwortlich machte. Oberle: „2006 bei einem Sardinien-Urlaub kam mir im Liegestuhl die entscheidende Idee für die Lösung. Es lag nicht an den Ventilen, sondern wie das Ventil von der Steuerung behandelt wird.“
In jahrelanger Tüftelei und ständiger Optimierung fand er die Lösung. Das System funktionierte und der inzwischen selbständige Oberle fand bei seinem ehemaligen Arbeitgeber offene Ohren. Somit konnte er mit Idra-Chefingenieur Fiorenzo Dioni die bis dahin weltweit größte Aluminium-Druckguss-Maschine mit einem Gewicht von 600 Tonnen bauen, die insbesondere der Automobil-Industrie zugute kommt. Das Einspritzsystem presst die Metallschmelze unter hohem Druck mit einer Geschwindigkeit von zehn Metern pro Sekunde gleichmäßig in die Druckgussform. Bei der Produktion von Unterböden spart man so Energie, Zeit und bis zu 60 Prozent Aluminium ein. Mehrere in der „Giga-Press“ angewandte Patente sind weltweit auf Richard Oberle eingetragen. Sie werden als Meilensteine in der Druckguss-Technologie angesehen.
Wie das Europäische Patentamt jetzt lobend mitteilte, hätten neueste Verbesserungen der Giga-Press Ausschussrate, Energieverbrauch und CO²-Emissionen weiter reduziert und ermöglichen ein deutliche kostengünstigeres Endprodukt. Ein weiterer Pluspunkt sei das Recycling von Aluminiumverschnitt, der direkt dem Schmelzofen zugeführt werde.
Meine news
Zuerst bei Tesla
Der erste Automobilhersteller, der die Giga-Press einsetzte, war Tesla in den USA. Hier habe man laut Richard Oberle die Chance gehabt, in einer neuen Fabrik die Maschine in den Ausmaßen 20 Meter Länge, acht Meter Breite und neun Meter Höhe aufzustellen. Weil die revolutionäre Technik Elon Musk überzeugt hat, bestellte er für seine Giga-Factory in Berlin-Brandenberg eine weitere Maschine, die mit 20 Tiefladern angeliefert wurde. Zur Einarbeitung des Personals hatte Idra keinen Geringeren als Richard Oberle nach Brandenburg entsandt. Inzwischen haben weitere Automobilhersteller wie Volvo, Toyota oder Hyundai bei Idra angeklopft und erwägen die Anschaffung der „Wunderkiste“.
Während seiner Zeit bei Idra lebte Richard Oberle am Iseosee in Norditalien zwischen Brescia und Bergamo. Als er 2011 seine jetzige Frau kennenlernte, die in München Gesangstunden gab, suchten sie ein gemeinsames Domizil „ungefähr in der Mitte und auch an einem idyllischen See“, wo sie schnell nach München kommt und er nicht zu weit nach Italien hat. Denn auch nach sechs Jahrzehnten im Maschinenbau ist Oberle weiterhin als Berater für Idra tätig.
Übrigens kann jeder Technik-Fan online an der Publikumsabstimmung des Europäischen Patentamts mitmachen und Richard Oberle hier seine Stimme geben.