1300 Hausbesuche in drei Jahren: ALS-Homecare-Team hofft auf erneute Förderung
Der Erfolg spricht für sich: 1300 Hausbesuche hat das ALS-Homecare-Team in einem dreijährigen Pilotprojekt am Krankenhaus Agatharied durchgeführt. Jetzt geht es um eine Verlängerung.
Landkreis – Die Lücke zwischen ambulanter und stationärer Versorgung ist schnell erreicht. Nur zwei Jahre nach der Diagnose geht es den meisten Patienten mit Amyotropher Lateralsklerose (ALS) so schlecht, dass sie keinen Arzt mehr aufsuchen können. Zumal der für diese seltene degenerative Nervenerkrankung Spezialist seine Praxis nicht um die Ecke hat – und erst recht keine Hausbesuche anbietet. Die Folge: den Patienten mangelt es an angemessener medizinischer Versorgung, zumal 60 Prozent von ihren Angehörigen und damit von Laien betreut werden. Seit drei Jahren aber erhalten sie dabei Unterstützung – vom im Krankenhaus Agatharied stationierten ALS-Homecare-Team. Wie lange noch, ist aber offen. Mitte Juni läuft die Förderung des Pilotprojekts im Bereich innovative medizinische Versorgungskonzepte aus. Doch die sechs Teammitglieder machen sich für eine Fortführung stark.
Die Zahlen und die Rückmeldung von Angehörigen und Patienten geben ihnen recht. Bis heute hat das Team 105 ALS-Patienten insgesamt mehr als 1300 Mal zu Hause besucht und versorgt. Obwohl das zu 50 Prozent vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit bezuschusste Pilotprojekt am Kreisklinikum Agatharied angesiedelt ist und damit auch davon mitfinanziert wird, kommen Patienten in den angrenzenden Landkreisen München Stadt und Land, Bad Tölz-Wolfratshausen sowie anteilig Starnberg, Rosenheim, Freising und Fürstenfeldbruck ebenfalls in den Genuss der Betreuung.
Versorgung im gewohnten Umfeld ist große Erleichterung für Erkrankte
Dass die Erkrankten und ihr Umfeld dies tatsächlich so empfinden, zeigen die Ergebnisse der projektbegleitenden Studie. „Es ist eine große Erleichterung, im gewohnten Umfeld eine solche Versorgung zu erhalten“, berichtet Dr. Sarah Bublitz, Neurologin im Krankenhaus Agatharied. Und die erschöpfe sich längst nicht nur im medizinischen Bereich, den Bublitz zusammen mit Dr. Helena Ellrott und Professor Stefan Lorenzl übernimmt. Mit Pflegefachkraft Magdalena Eham, Jana Richter (Sozialarbeit), Benno Littger (Seelsorge) und Dagmar Braun (Study Nurse) sind auch andere Disziplinen im Team vertreten, um die Patienten und ihre Angehörigen in jeder Phase der schnell fortschreitenden und im Schnitt nach vier Jahren tödlich endenden Nervenkrankheit bestmöglich zur Seite zu stehen.
Um all diese Aufgaben weiter erfüllen zu können, braucht es eine Fortführung des Projekts. „Die Förderstelle ist uns zum Glück sehr gewogen“, teilt Bublitz erfreut mit. Um die ALS-Homecare erneut als innovatives Konzept finanzieren zu können, müsse man diese aber weiterentwickeln. An Ideen dafür mangelt es dem Team nicht. So ist beispielsweise geplant, multiprofessionelle Videosprechstunden anzubieten. „Viele Fragen überschneiden sich“, erklärt Bublitz.
Interdisziplinäre Kompetenz im Team entlastet
Dass sie auf kurzem Weg und dennoch umfänglich beantwortet werden können, setze von allen im Team voraus, über den Tellerrand des jeweiligen Fachgebiets hinauszublicken. Und zu wissen, wo die eigenen Grenzen liegen und wann es an der Zeit ist, einen der Kollegen zurate zu ziehen. Dass Letzteres innerhalb des Homecare-Teams so unkompliziert möglich ist, sei eine der großen Stärken des Projekts, betont Littger. „Das wäre eigentlich die Zukunft, auch für andere Erkrankungen.“ Nicht zuletzt könnte es helfen, die Ärzte zu entlasten. Wenn es beispielsweise um Erfahrungswerte vom Umgang mit schweren Krankheiten gehe, sei er als Seelsorger genauso in der Lage, kompetent Auskunft zu erteilen. Und Eham weiß als Pflegeexpertin am allerbesten, wann welche technischen Hilfsmittel beantragt werden sollten. „Wir denken voraus und entlasten damit Patienten und Angehörige.“
Unabhängig von der staatlichen Förderung als Voraussetzung für den Fortbestand der ALS-Homecare hoffen die Beteiligten, dass auch die anderen an der Finanzierung beteiligten Stellen als Unterstützer erhalten bleiben. Hier zählen neben dem Krankenhaus Agatharied auch private Spender und Stiftungen. Erfreulicherweise habe die Erzdiözese München und Freising bereits ein Signal gesetzt und sich bereit erklärt, so Littger, die Kosten für seine Seelsorge-Stelle im Homecare-Team weiter zu bezahlen.
Die Nachfrage ist jedenfalls groß, berichten die Mitglieder übereinstimmend. Immer wieder sei man gezwungen, Patienten und Angehörige zu bitten, auf freie Plätze zu warten. Zeit, die angesichts der schnell fortschreitenden Krankheit eigentlich kein an ALS leidender Mensch aufbringen kann.
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für das ALS-Homecare-Projekt sind möglich unter folgendem Konto der Dr. Mähler-Linke-Stiftung: IBAN: DE 24 7002 0270 0015 0532 36, BIC: HYVEDEMMXXX.
sg