„Das Hospiz schließt eine Versorgungslücke“
Die Gesundheits- und Krankenpflegerin Magdalena Eham spricht im Interview über ihre Arbeit mit Schwerkranken. Sie befürwortet den Bau des Oberland-Hospizes in Bad Wiessee.
Landkreis – Die Gesundheits- und Krankenpflegerin Magdalena Eham hat sich auf die Begleitung und Versorgung unheilbar Kranker spezialisiert. Zwei Jahre lang arbeitete die Fischbachauerin auf der Palliativstation des Krankenhauses Agatharied, derzeit ist sie im ALS-Homecare-Team tätig, das Patienten mit Amyotropher Lateralsklerose (ALS) zuhause betreut. Wir sprachen mit ihr über die palliative Versorgungsstruktur im Landkreis – und über das in Bad Wiessee geplante Hospiz, das unsere Zeitung heuer mit der Aktion „Leser helfen Lesern“ unterstützt.
Frau Eham, im Frühjahr 2024 beginnt der Bau des Oberland Hospizes. Wie finden Sie das?
Ich begrüße das sehr, weil ich glaube, dass das eine Versorgungslücke schließen kann. Hospize haben die Flexibilität, auf die individuellen Bedürfnisse von Sterbenden einzugehen. Toll finde ich außerdem, dass das Oberland Hospiz eine Palliative-Care-Akademie im eigenen Haus bekommen soll. Sie bietet allen Berufsgruppen in der Palliative Care Aus-, Fort- und Weiterbildungen an. Nicht zuletzt entsteht mit dem Hospiz ein attraktiver Arbeitgeber für Fachkräfte.
Wie ist die palliative Versorgungsstruktur aktuell?
Es gibt schon Hospize, aber die sind zu weit entfernt. In der Regel wollen Angehörige ihr schwer krankes Familienmitglied täglich besuchen. Dafür braucht es eine wohnortnahe Einrichtung. Man darf aber ein Hospiz nicht als einzige Institution betrachten. Es stellt vielmehr eine Ergänzung dar zu anderen Einheiten wie Palliativstationen oder der Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung, SAPV. Viele sterben zuhause oder im Altenheim, begleitet von der SAPV. Für junge Schwerkranke ist ein Altenheim aber keine Option.
Sie haben auf der Palliativstation gearbeitet, derzeit sind Sie auch im Einsatz für Schwerstkranke. Warum haben Sie sich für eine Tätigkeit in einem so schwierigen Feld entschieden?
Ich mag die enge und wertschätzende inter- und intradisziplinäre Zusammenarbeit. Wir sind ein Team aus spezialisierten Ärzten, Pflegekräften, Sozialpädagogen und Seelsorgern. Das ist anders als auf Normalstation. Außerdem ist im Palliativsetting der Pflegeschlüssel ein anderer. Die Pflegestandards, die ich gelernt habe, kann man in diesem Umfeld wirklich umsetzen.
Zum Beispiel?
Im Palliativsetting kann ich auch mal Aromatherapie und Akupressur anwenden. Ich finde es erfüllend, die Zusatzqualifikationen, die ich erworben habe, auch wirklich einsetzen zu können. Auf einer Normalstation ist man für 20 Patienten zuständig, auf der Palliativstation nur für vier. Das bedeutet, dass man auch für die Angehörigen mehr Zeit hat. Sie kommen zu kurz, wenn man viele Patienten hat.
Warum ist es gerade für Sterbende wichtig, Zeit zu haben?
Sterbende haben mit vielen Symptomen zu kämpfen. Atemnot, Schmerz, Schwäche und Übelkeit etwa. Dazu kommen existenzielle Fragen: Warum ich? Warum jetzt? Junge Eltern sorgen sich meist, was aus ihren Kindern wird, wenn sie nicht mehr da sind. Um auf all das eingehen zu können, braucht man Ressourcen. Schmerz zum Beispiel wird von vielen Faktoren beeinflusst. Neben körperlichen auch von psychischen, spirituellen und sozialen Faktoren. Um erkennen zu können, woran es hakt, braucht man ein anderes Verhältnis zum Patienten und zu seinen Angehörigen.
Wie gehen Sie mit der Belastung um, die der tägliche Kontakt mit Schwerstkranken bedeuten kann?
Während meiner Ausbildung hat mich ein Satz besonders geprägt: Die Basis der Fürsorge ist die Selbstfürsorge. Man muss gut in sich reinhören: Was brauche ich? Was tut mir gut? Nur dann hat man die Stärke, sich um andere zu kümmern. Auch die kollegiale Beratung und Supervision können sehr hilfreich sein. Sie können neue Impulse geben. Letztlich muss man sich aber auch freimachen können von der Idee, jedes Problem zu lösen. Möchte ein Sterbender zum Beispiel seinen Sohn sehen, mit dem er seit 20 Jahren keinen Kontakt mehr hat, aber der Sohn möchte nicht kommen, dann ist das so. Im Palliative-Care-Setting gibt es manchmal einen regelrechten Aktionismus. Aber man muss die Dinge auch annehmen können.