Zoll-Deal mit Trump: von der Leyen jubelt – der deutsche Mittelstand fürchtet einen Kollaps
EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen verkauft den Zoll-Deal mit den USA als Erfolg. Im Mittelstand mehren sich die kritischen Stimmen – viele Verbände fürchten große Wirtschaftsschäden.
Berlin – Nach dem – zumindest vorläufig – verbindlichen Handschlag mit Donald Trump feierte Ursula von der Leyen den Zoll-Deal auf großer Bühne. Sie sprach in der Pressekonferenz von harten Verhandlungen rund um die Einigung auf die 15-prozentigen Abgaben auf EU-Exporte in die USA – doch am Ende seien diese „das Beste, was wir herausholen konnten“. Doch deutsche Wirtschaftsverbände sehen das Ergebnis ganz und gar nicht als Erfolg.
Zoll-Deal mit den USA: Von der Leyen jubelt, doch der deutsche Mittelstand befürchtet das Schlimmste
„Der Mittelstand droht unter der Last von schlecht verhandelten Zöllen, schwächelnder Konjunktur, wachsendem Haushaltsdruck und ausbleibenden Reformen zusammenzubrechen“, warnte etwa der Bundesgeschäftsführer des Mittelstandsverbands BVMW, Christoph Ahlhaus gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Er nennt vor allem fehlende Reformen und den Zolldruck als zentrale Gefahren für exportstarke Mittelständler. Auch der Deutsche Mittelstandsbund (DMB) spricht in einer Pressemitteilung von einer „Niederlage für die EU und Deutschland“ – zumindest aus rein wirtschaftspolitischer Sicht. Normalerweise seien Deals zwischen großen Handelsmächten dazu dar, dass beide Seiten profitieren. Doch das ausgehandelte Abkommen schade vor allem dem Handel und den Binnenmärkten.
Verbände sehen „Niederlage“ für die deutsche Wirtschaft – doch auch USA werden unter Zöllen leiden
Von der Leyen und ihrem Team attestierte der DMB zudem fehlende Durchsetzungsstärke, die wiederum besonders Deutschland als Exportnation zu spüren bekäme. Auch aus der Ernährungsindustrie kommt scharfe Kritik: Olivier Kölsch, Geschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie, hält Zölle in Höhe von 15 Prozent für eine große Belastung: „Die kleinen und mittelständisch aufgestellte deutsche Ernährungsindustrie kann diese Zusatzkosten eigentlich gar nicht stemmen“, sagte Kölsch gegenüber dem MDR. Die Mehrkosten würden in der Lebensmittelkette weitergegeben, was spürbare Folgen hätte: „für Produzenten in Deutschland und für Händler in den USA und sehr wahrscheinlich auch für die in den USA lebenden Konsumenten“.

Das Argument untermauert auch eine Studie der Yale-Universität, nach der Trumps Zölle in den Vereinigten Staaten zu einem Preisanstieg von rund zwei Prozent und einem durchschnittlichen Einkommensverlust von etwa 2.700 US-Dollar pro Haushalt führen werden.
Wirtschaftsinstitute rechnen mit Milliardenverlusten – VDMA froh über Verzicht auf Gegenzölle
Ähnlich belastend wirkt sich der Zolldruck in Deutschland aus: Das Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel rechnet kurzfristig mit einer BIP-Einbuße von 0,15 Prozent und knapp 6,5 Milliarden Euro. Das Münchener Ifo-Institut erwartet mittelfristig ein Minus von 0,2 Prozent und rund 8,6 Milliarden Euro, da es insbesondere die Effekte auf Investitionen und das Konsumklima stärker gewichtet.
Bei aller Kritik hebt der DMB hervor, dass die „regelmäßigen inadäquaten Erhöhungen des Zollsatzes seitens der USA“ gestoppt wurden. Zuletzt hatte Trump rund 30-prozentige Zölle angedroht, doch für ausgewählte strategische Güter wie Flugzeugkomponenten, bestimmte Chemikalien, Halbleiterausrüstung und Generika gelten nun Nullzölle („zero-for-zero“). So könnten die Unternehmen zumindest vorbehaltlich besser planen und müssten sich immer neue Zollankündigungen in ihre Planungen berücksichtigen, erklärt der DMB.
Vorsicht vor falscher Sicherheit – DMB mahnt Handschlag-Deal: Bei Trump gibt es keine Garantien
Auch Bertram Kawlath, Präsident des Vereins Deutscher Maschinenbau-Anstalten (VDMA), wertet die Einigung als klar bessere Alternative zu einem „unkalkulierbaren Handelskrieg“, der zuletzt zu Zurückhaltung am US-Markt geführt habe. Positiv bewertete er zudem den Verzicht auf Gegenzölle seitens der EU, da viele mittelständische Industrieunternehmen von US-amerikanischen Importen abhängig sind.
Trotz des vorläufigen Durchbruchs mahnt der DMB jedoch Vorsicht an: „Diese Sicherheit wird jedoch dadurch untergraben, dass noch Detailverhandlungen bevorstehen ‒ und man bei Donald Trump nie weiß, welches Verfallsdatum eine solche Einigung hat“, heißt es in der Mitteilung.
Internationaler Vergleich zeigt: EU-Deal mit Trump noch besser als bei Brasilien oder Indien
Insgesamt bedeutet der Deal für die EU einen Anstieg der Zölle um rund 13 Prozent: Zwischen 2000 und 2024 hatte der durchschnittliche Satz bei ungefähr zwei Prozent gelegen. Dennoch kommt die EU mit dem neuen Deal aktuell noch besser weg als Länder wie Brasilien (bis zu 50-prozentige Zölle geplant), Mexiko und Kanada (35 Prozent) oder Indien (25 Prozent). Und dennoch fordert Ahlhaus weitreichende Reformen, um den wirtschaftlichen Konsequenzen der Zölle zuvorzukommen. „Um mit internationalen Handelspartnern auf Augenhöhe verhandeln zu können, brauchen Europa und insbesondere Deutschland eine Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit: durch spürbare Steuererleichterungen, weniger Bürokratie und eine Deckelung der Sozialversicherungsbeiträge“, erklärt der BVMW-Chef.
Deutsche sicherheitspolitische Abhängigkeit von den USA spielen Rolle bei Zoll-Deal
Der DMB fordert sogar, dass Deutschland neben wirtschaftlich auch sicherheitspolitisch unabhängiger von den USA werden müsse. Demnach habe in den Verhandlungen auch „Sicherheitspolitik eine nicht unerhebliche Rolle“ – unter anderem daraus, so mutmaßt der Verband, resultiere wohl auch das ungenügende Ergebnis für die EU. Auch Kawlath sieht in dem asymmetrischen Abkommen, die „aktuellen Machtverhältnisse und Abhängigkeiten“ widergespiegelt. Er fordert eine eigene Unabhängigkeit bei Verteidigung und Rohstoffen sowie weitere Handelsabkommen mit neuen Partnern.