Merz fordert Syrien-Abschiebungen und Aufnahmestopp – „nicht durchsetzbar und rechtswidrig“
CDU-Chef Merz hat Abschiebungen nach Syrien sowie einen Aufnahmestopp angekündigt. Nach Einschätzung eines Migrations-Experten sind Merz Pläne „rechtswidrig“.
Berlin – Schon einmal ist CDU-Chef Friedrich Merz in Sachen Asyl bei seinen Forderungen zurückgerudert. Nun kündigt der Kanzlerkandidat der Union erneut Maßnahmen an, die nach Experten-Einschätzung an der Rechtslage scheitern würden. „Nach Afghanistan und Syrien wollen wir regelmäßig abschieben.“ Das schreiben CDU und CSU in dem Entwurf ihres Wahlprogramms vor der Bundestagswahl 2025. In dem Programm schreibt die Union, sie wolle „vor allem Straftäter und Gefährder“ zurück in ihr Herkunftsland schicken. In einem ARD-Interview am Sonntagabend (15. Dezember) holt Merz weiter aus.
Vor der Bundestagswahl 2025: Merz wirbt mit Abschiebung von Syrern und Aufnahmestopp
Auch Syrerinnen und Syrer, die in Deutschland nicht arbeiten, sollen abgeschoben werden, so die Forderung des Kanzlerkandidaten der CDU: „Von denen können viele zurück und müssen viele zurück.“ Merz plane außerdem einen sofortigen Aufnahmestopp sowie die Zurückweisung an der deutschen Grenze. „Denn diejenigen, die kommen könnten, könnten auch Angehörige der Milizen von Assad gewesen sein. Und die können wir nun gar nicht in Deutschland gebrauchen“, so die Begründung des CDU-Chefs.

CDU-Chef will Zurückweisung von Syrern an der Grenze – Asyl-Experte nennt Vorstoß „rechtswidrig“
Eine Maßnahme, die nach Einschätzung des Professors für Sozialrecht an Evangelische Hochschule Freiburg, Constantin Hruschka, „rechtswidrig“ wäre. Zunächst erklärt der Migrations-Experte gegenüber IPPEN.MEDIA: „Zurückweisungen an den deutschen Binnengrenzen sind schon deswegen rechtswidrig, weil die aktuellen Grenzkontrollen rechtswidrig sind.“ Seit September werden Kontrollen an den Grenzen zu Ländern wie Luxemburg, Belgien und Frankreich durchgeführt. Vorgesehen sind die Kontrollen für sechs Monate. Mitglieder des Schengenraums dürfen ihre Grenzen aufgrund von EU-Recht nicht grundlos und ohne zeitliche Befristung kontrollieren.
Selbst in Fällen, in denen eine Grenzkontrolle erlaubt wäre, sei die Zurückweisung an der deutschen Grenze jedoch rechtswidrig, so Hruschka. Das gelte sowohl für Personen, die in einem EU-Staat bereits einen Asylantrag gestellt haben, also auch für jene, die in Deutschland Schutz suchen. „In beiden Fällen müsste ein Dublin-Verfahren mit dem zuständigen Staat stattfinden.“
CDU erntet Kritik für verfrühten Rückführungs-Vorstoß: „Die Realität in Syrien ausgeblendet“
Merz folgt mit seinen Ankündigungen einem als verfrüht kritisierten Vorstoß seines Parteikollegen Jens Spahn. Der CDU-Politiker hatte kaum 24 Stunden nach dem Sturz von Diktator Baschar al-Assad in Syrien anklingen lassen, Syrerinnen und Syrer mit 1000 Euro Startgeld zur Rückkehr nach Syrien bewegen zu wollen.
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Dass die Union nach Spahns Vorstoß in der Kritik stand, lag nicht nur daran, dass das Land gerade erst von Assads Regime befreit war, sondern rührte auch daher, dass die Lage im Land längst nicht andere als gesichert gilt. Noch ist unklar, wie sich die Situation unter der neuen Führung entwickeln wird – ob Syrien damit ein sicheres Land für die Rückkehr von Geflüchteten wird. Der Vorstoß zeige, „dass offensichtlich in der innenpolitischen Debatte die Realität in Syrien ausgeblendet wird“, kritisiert Hruschka. Deutschland müsse vielmehr „aus früheren, für Deutschland besonders wichtigen Umstürzen“ lernen.
Asyl-Experte sieht in Rückführungs-Debatte eine „verspielte Chance“ für Deutschland
Der Asyl-Experte verweist dabei auf den Irak und Afghanistan. Deutschland habe in diesen Fällen „trotz einer unsicheren und volatilen Situation aus innenpolitischen Gründen entschieden, die Rückkehr zu forcieren“. Das habe sich als „fatal für die Integration erwiesen“, so der Migrations-Experte. Im Falle Syriens hätte die Bundesrepublik nun „das politische Potenzial, hier zu versuchen, zu einer stabilen Ordnung beizutragen“. Eine Chance, die „durch den auf Rückführung ausgerichteten Diskurs und das dadurch zur Schau getragene Desinteresse an der tatsächlichen Lage in Syrien leichtfertig verspielt“ werde.
Bereits im August hatte Merz für Aufsehen gesorgt, als er einen Aufnahmestopp für Geflüchtete aus Afghanistan und Syrien forderte. Damals ruderte der CDU-Chef später zurück und relativierte seine Aussage damit, dass seine Forderungen zu einem „faktischen Aufnahmestopp“ führen würden. Schon im August startete die Debatte, darüber, ob das, was Merz da fordert, rechtlich überhaupt umsetzbar ist.
Merz‘ zweiter Versuch in Sachen Asyl: „Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot“
Merz‘ Forderungen von August ähneln den nun getätigten Äußerungen. Den von Merz geforderten pauschalen Aufnahmestopp für Menschen aus Syrien hatte der damalige Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) aufgrund rechtlicher Bedenken abgelehnt. Der Pauschallösung stehe das im Grundgesetz geregelte Recht auf Asyl entgegen.
„Jede Person, die einen Asylantrag stellen möchte, hat nach dem Grundgesetz und dem Europäischen Asylsystem das Recht, dies zu tun und die deutschen Behörden sind verpflichtet, bei ihnen gestellte Anträge zu prüfen“, erklärt Hruschka. Für eine Differenzierung nach Staatsangehörigkeit bei Geflüchteten, „ist auch deshalb kein Raum, weil das einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot darstellen würde“.
Debatte über Abschiebung nach Syrien: „Generelle Rückführungsabsicht nicht durchsetzbar und rechtswidrig“
Der Professor für Sozialrecht sieht in der Debatte über den „angeblich drohende Verlust des Aufenthaltsrechts“ für Syrerinnen und Syrer vielmehr eine „Drohgebärde“. So erklärt Hruschka: „Menschen, die aus Syrien nach Deutschland gekommen sind, haben in der Regel (weit über 95 %) Schutz im Asylverfahren erhalten“ – und damit „in aller Regel“ eine Aufenthaltserlaubnis. Somit müsste zunächst ein Widerrufsverfahren eingeleitet werden, „um also überhaupt über eine Abschiebung nachdenken zu können“.
Diese wiederum seien nur gerechtfertigt, „wenn sich die Situation perspektivisch dauerhaft stabilisiert und auch keine neuen Verfolgungsgründe gegeben sind“. Dadurch, so Hruschka, scheide der Widerruf der Schutzgewährung aktuell aus. Hier sei ohnehin eine Einzelfallprüfung erforderlich: „Also ist eine generelle Rückführungsabsicht nicht durchsetzbar und rechtswidrig.“
Grüne kritisieren Merz-Pläne vor Bundestagswahl: „Migrationspolitik für ihren Wahlkampf nutzen“
In den Plänen und Vorschlägen der Union sehen Kritikerinnen und Kritiker vielmehr ein Wahlkampfmanöver vor der Bundestagswahl am 23. Februar. So kritisierte beispielsweise die innenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Lamya Kaddor, gegenüber der Rheinischen Post Spahns Vorstoß: „Mit der sofortigen Forderung nach Rückkehr und dies verbunden mit Anreizen zeigt Union einmal mehr, dass sie die Migrationspolitik für ihren Wahlkampf nutzt und die Realität im Nahen Osten missachtet.“ (pav)