„Blinder Aktionismus“: Baerbock verurteilt CDU-Forderung nach sofortigen Rückführungen nach Syrien

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Außenministerin Baerbock stellt Forderungen für einen Friedensprozess. Sie ist gegen „Aktionismus“ und für eine Gruppe: „Wenn Frauen nicht am Tisch sitzen...“

Berlin – Im seit Jahrzehnten kriegs- und krisengebeutelten Nahen Osten ist derzeit vieles im Wandel. Seit zwei Wochen haben sich Israel und der Libanon auf einen Waffenstillstand geeinigt. Das von der Hisbollah gegeißelte Land steht trotzdem kurz vor dem Kollaps. In Gaza herrscht weiterhin Krieg und israelische Geiseln sind noch immer von der Terrorgruppe der Hamas entführt. Nun haben Rebellen in Syrien binnen weniger Tage das Assad-Regime nach fast 14 Jahren Bürgerkrieg gestürzt. Doch die Zukunft des Landes und der Region ist ungewiss. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) stellt klare Forderungen: Am Friedensprozess muss besonders eine Gruppe beteiligt sein: Frauen. CDU-Vorstößen erteilt die Ministerin eine Absage.

Baerbock kritisiert CDU und fordert mehr Frauen in syrischem Friedensprozess

Sie kam, sprach und ging. Außenministerin Annalena Baerbock hat dieser Tage viel zu tun. Just bevor sie in Berlin auf einer Veranstaltung zur Friedensperspektive im Libanon sprach, tauschte sie sich mit ihren europäischen Kolleginnen und Kollegen über die Lage in der Ukraine und dem Nahen Osten aus. Direkt nach ihrer Rede musste die Chefdiplomatin los – um wieder mit internationalen Partnern zu reden. Obwohl es sich um den Libanon drehen sollte, sprachen die Anwesenden viel über die aktuelle Situation in Syrien. Besonders die Bilder der Menschen, die aus Assads Foltergefängnissen befreit wurden, sorgten für Empörung. „Das war vielen hier bei uns nicht so bewusst“, stellte Baerbock fest.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sprach in Berlin zur Situation in Syrien und dem Waffenstillstand im Libanon. Die Ministerin fordert mehr Frauen im Friedensprozess.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sprach in Berlin zur Situation in Syrien und dem Waffenstillstand im Libanon. Die Ministerin fordert mehr Frauen im Friedensprozess. © Florian Gaertner

Die Außenministerin wies auf die unsichere Lage in Syrien und der ganzen Region hin und verurteilte deshalb „blinden Aktionismus“ und die Forderung nach sofortigen Rückführungen von Syrerinnen und Syrern. Besonders CDU-Politiker Jens Spahn geriet wegen solcher Aussagen, wenige Stunden nach Bekanntwerden von Assads Flucht, in die Kritik. Zuvor forderten einige Unions-Politiker immer häufiger, abgelehnte Asylbewerber in das damals noch von Assad regierte Syrien zurückzuführen. Baerbock wurde deshalb klar: „In dem Sinne möchte ich auch deutlich sagen, dass ich es etwas befremdlich finde, dass zum Teil die gleichen Leute, die noch vor einigen Wochen eine Normalisierung mit dem Massenmörder Assad gefordert haben, jetzt wenige Tage später bereits genau wissen, wie die Zukunft Syriens aussehen wird und dass sofort alle Menschen zurückkehren können.“ Das eigene nationale Anliegen vor die Interessen der Länder vor Ort zu stellen, sei eine Gefahr für den Friedensprozess in Syrien.

Dieser Prozess werde Baerbock zufolge maßgeblich von den Syrerinnen und Syrern selbst verhandelt. „Eine zivile, von allen Seiten akzeptierte Regierung wird dabei nur gewinnen und gelingen, wenn alle Minderheiten und politischen Gruppen mit am Tisch sitzen, ihre Anliegen einbringen.“ Frauen komme dabei eine besondere Rolle zu: „Aus allen Friedensprozessen auf dieser Welt, wo Frauen nicht mit am Tisch sitzen, ist die Gefahr, dass dieser Friedensprozess nicht hilft, dramatisch höher.“

Lebensmittelpreise im Libanon steigen um 900 Prozent

Baerbock appellierte außerdem an andere Staaten: „Gleichzeitig dürfen wir nicht zulassen, dass dieser Prozess von außen torpediert wird. Auch das möchte ich in aller Deutlichkeit sagen: Wenn wir ein friedliches Syrien wollen, darf die territoriale Integrität des Landes nicht infrage gestellt werden. Die UN muss diesen Prozess unterstützen und den bisherigen Friedensprozess an die neuen Gegebenheiten anpassen.“ Sowohl Russland als auch der Iran haben das syrische Regime in den vergangenen Jahren gestützt und als Marionetten für Ihre Interessen genutzt. Aber auch Israel besetzt seit Jahrzehnten die völkerrechtlich zu Syrien gehörenden Golanhöhen und stieß zuletzt militärisch weiter ins Land vor.

Krisen und Kriege im Nahen Osten dürfen niemals einzeln betrachtet werden, so Baerbock. Das gelte für Syrien, wie auch den Libanon. Dort befinden sich über eine Million syrische Geflüchtete – während der Staat selbst kaum noch funktionsfähig ist. Schulen sind geschlossen, Millionen Binnenflüchtlinge haben kein Zuhause, Brotpreise stiegen zuletzt innerhalb eines Wochenendes um 900 Prozent. Der Staat kann nicht einmal mehr Krankenwagen stellen, die Aufgabe wird vom Roten Kreuz übernommen. Hoffnungsvoll stimmte Baerbock dagegen der verhandelte Waffenstillstand mit Israel – welches zuvor die im Libanon agierende Terrororganisation Hisbollah stark schwächte. Sie plädierte dafür, weiterhin mit den Menschen vor Ort zu reden: „Starke Diplomatie, starke Außenpolitik bedeutet auch, dass wir im Zweifel über Jahre Situationen aushalten müssen, dass wir wenig oder kaum etwas tun können und dann nicht umfallen.“

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