Nazi oder Mitläufer? Historiker beleuchten Rolle von oberbayerischem Erfolgsunternehmer

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„Ein besonderes Paar“: Hans und Auguste (Gustl) Hoeflmayr. © Privatarchiv Felts

Das Jubiläum „100 Jahre Pionier Faltbootwerft in Bad Tölz“ wurde durch einen Vortrag abgerundet. Es ging um den Gründer Hans Hoeflmayr und seine Frau Auguste.

Bad Tölz – Ein Spruchkammerverfahren 1948 stufte ihn als „Belasteten“ ein, ein Berufungsverfahren 1949 sah ihn nur noch als „Mitläufer“: Hans Hoeflmayr (1893-1975) war erfolgreicher Fabrikant, aber auch NS-Kommunalpolitiker und SA-Mitglied. 1925 gründete er in einem ehemaligen Brauereigebäude an der Osterleite seine „Pionier Faltbootwerft“, die mit der Produktion von wendigen und zerlegbaren Paddelbooten, Pionier-Zelten und Outdoor-Kleidung großen Erfolg hatte. In einem gut besuchten Vortrag im Stadtmuseum unternahmen jetzt die Historiker Dr. Susanne Meinl und Dr. Michael Holzmann den Versuch, sich mit Hoeflmayrs spannender Biografie und seinem politischen Wirken von 1933 bis 1945 differenziert auseinanderzusetzen.

Vortrag über Gründer der Tölzer Faltbootwerft

Der Vortrag rundete die Veranstaltungen ab, mit denen das Stadtmuseum heuer an den 100. Jahrestag der Gründung der Faltbootwerft erinnert. Dazu gehören auch eine von Museumsleiterin Elisabeth Hinterstocker kuratierte Ausstellung sowie eine Faltboot-Regatta auf der Isar.

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Hoeflmayr kam als dekorierter Soldat aus dem Ersten Weltkrieg zurück und strebte anfangs eine militärische Laufbahn an. Seine Heimat sah er vom Bolschewismus bedroht. Im November 1928 trat er der NSDAP bei und wurde 1929 zum Tölzer Stadtrat gewählt. 1933 ernannte ihn die Partei zum Nachfolger des abgesetzten 2. Bürgermeisters und BVP-Politikers Anton Wiedemann und zum Bezirkskommissar der paramilitärischen SA, der Sturmabteilung der NSDAP zur Bekämpfung politischer Gegner.

Blick auf Hans Hoeflmayrs Rolle im Dritten Reich

Laut Holzmann trat Hoeflmayr bald danach auf eigenen Wunsch von beiden politischen Ämtern zurück, blieb aber SA-Brigadeführer „zur Verfügung“ (das bedeutet: de facto ohne Funktion). Am 30. Juni 1934 entledigte sich Adolf Hitler der SA und ließ deren Führungsspitze um Ernst Röhm in Bad Wiessee verhaften und ermorden, wodurch die SA nahezu bedeutungslos wurde.

Einen differenzierte Sichtweise auf Hans Hoeflmayr vertraten (v. li.) Dr. Michael Holzmann, Dr. Susanne Meinl und Museumsleiterin Elisabeth Hinterstocker.
Einen differenzierte Sichtweise auf Hans Hoeflmayr vertraten (v. li.) Dr. Michael Holzmann, Dr. Susanne Meinl und Museumsleiterin Elisabeth Hinterstocker. © Rainer Bannier

Von 1934 bis 1940 war Hoeflmayr auch Vertragslehrer für das Pionierwesen an der Tölzer SS-Junkerschule, berichtete Holzmann. Hoeflmayrs florierender Betrieb wurde „kriegswichtig“ und belieferte die Wehrmacht. Dafür wurden ihm auch Zwangsarbeiter aus Osteuropa zugeteilt, die auf dem Firmengelände in Baracken wohnten. Im Oktober 1944 erfolgte seine Ernennung zum Kreisstabsleiter des „Volkssturms“, zu dem alle waffenfähigen Männer von 16 bis 60 Jahren eingezogen werden sollten. Bei Kriegsende unterband Hoeflmayr jedoch sinnlose Kampfhandlungen dieses letzten Aufgebots.

Ehefrau war laut Rassenideologie „Halbjüdin“

Warum hatte sich Hans Hoeflmayr schon 1934 von der politischen Bühne wieder zurückgezogen? In Bad Tölz wurden immer wieder Gerüchte und Denunzierungen gegen seine extravagante Ehefrau Auguste gestreut, die als gelernte Opernsängerin so gar nicht ins biedere Provinzmilieu passte. Hoeflmayr gelang es immer wieder, Akten zu fälschen und ihre Herkunft und Identität zu verschleiern. Erst bei seiner Internierung nach Kriegsende offenbarte er den Alliierten: Auguste hatte einen jüdischen Vater und wurde als nichteheliches Kind in eine Pflegefamilie abgegeben. Nach der Rassenideologie der Nazis war sie also „Halbjüdin“ und mit dem Tod bedroht.

„Das Ehepaar stand extrem unter Druck“, betonte Susanne Meinl: Die Hoeflmayrs seien „ein besonderes Paar“ gewesen, „das alle Ängste und Belastungen gemeinsam durchstand“ und möglicherweise dafür doch einen hohen Preis zahlte. Denn Auguste starb viel zu früh an Krebs. Was dem Ehepaar auch hoch angerechnet wurde: Seine Zwangsarbeiter hatte es immer gut behandelt, einige blieben nach dem Krieg in Bad Tölz und behielten ein freundschaftliches Verhältnis zu ihnen.

Beurteilung mit Grautönen

Holzmann meinte am Schluss: „Ich habe vor diesem SA-Mann eine gewisse Hochachtung.“ Und Elisabeth Hinterstocker: „Ein Nazi? Ein Urteil ist nicht einfach, es gibt viele Grautöne.“ Im Publikum war übrigens auch Hans Hoeflmayrs in Bad Tölz ansässige Enkelin Alexandra Felts, die mit ihrem Opa noch viele Gespräche geführt hatte. Er habe über seine Rolle im Dritten Reich sehr offen und selbstkritisch gesprochen, sagte die Journalistin. „Er war ein Mitläufer, aber kein überzeugter Nazi.“

Die Blütezeit der Faltboote neigte sich nach dem Krieg dem Ende zu. 1969 verkaufte Hoeflmayr das Unternehmen, blieb aber noch Geschäftsführer. Der Verkauf von Booten, Campingartikeln und Bekleidung kam bald danach zum Erliegen. (rbe)

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