Seltene Polarlichter über Deutschland: Astrophysiker erklärt das Phänomen – „Sonnensturm war ideal“
Die Sonne zeigt sich von ihrer aktiven Seite und beschert Deutschland Polarlichter. Ein Sonnenforscher gibt Einblicke in das faszinierende Phänomen.
München – Ein bemerkenswertes Wochenende liegt hinter Sternenguckern: In der Nacht vom Freitag (10. Mai) auf Samstag (11. Mai) waren Polarlichter über Deutschland und sogar weiter südlich in Europa zu beobachten. Normalerweise ist dieses Phänomen den nördlicheren Breitengraden vorbehalten – in Deutschland sind Polarlichter meist nur mit Kameras sichtbar, die empfindlicher als das menschliche Auge sind. Doch in der Nacht vom 10. auf den 11. Mai war das Polarlicht so hell, dass man es zeitweise selbst mit bloßem Auge am Himmel erkennen konnte.
Polarlichter stehen in direktem Zusammenhang mit der Aktivität der Sonne, weshalb ein Sonnenforscher am besten erklären kann, was passiert ist. Dr. Volker Bothmer, Astrophysiker am Institut für Astrophysik der Universität Göttingen, erläutert das Phänomen gegenüber Merkur.de von IPPEN.MEDIA: „In einer Sonnenfleckengruppe traten Mitte letzter Woche mehrere Sonnenstürme bzw. koronale Massenauswürfe (CMEs) auf. Die Region befand sich auf der Verbindungslinie Erde-Sonne. Auswirkungen dieser Stürme sind am Wochenende bei der Erde eingetroffen.“
Sonnensturm sorgt für „magnetische Kurzschlüsse“ im Erdmagnetfeld – Polarlicht entsteht
Wenn das geladene Plasma der Sonne (der sogenannte Sonnenwind oder Sonnensturm) auf das Erdmagnetfeld trifft, kommt es zu „magnetischen Kurzschlüssen“, wie der Experte erklärt. „Im Schweif der Erdmagnetosphäre wurden Elektronen beschleunigt, die die Polarlichter erzeugt haben.“ Aufgrund des erhöhten Drucks des Sonnenwinds auf das Erdmagnetfeld konnten die Polarlichter ungewöhnlich weit im Süden beobachtet werden, da „die Polarlichtzonen in niedrigere beziehungsweise südlichere Breiten wandern. Deshalb konnten wir sie sehen“, so Bothmer.
Polarlichter über Deutschland sind kein neues Phänomen. Das farbenfrohe Lichtspiel am Himmel hängt direkt mit der Sonnenaktivität zusammen. Da die Sonne sich derzeit dem Höhepunkt ihres 11-jährigen Aktivitätszyklus nähert, ist sie besonders aktiv und schleudert häufiger Sonnenplasma ins All. Wenn dieser Auswurf auf die Erde gerichtet ist, kann Polarlicht entstehen. „Die letzten so starken Polarlichter haben wir im Oktober 2003 gesehen. Aber da waren die Stürme noch deutlich stärker“, erinnert sich Bothmer.

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In Zukunft könnte häufiger Polarlicht über Deutschland zu sehen sein
Der Forscher geht davon aus, dass in Zukunft häufiger Polarlichter über Deutschland zu sehen sein werden, da das Sonnenmaximum gerade erst begonnen hat. Er kann auch erklären, wie die verschiedenen Farben des Polarlichts entstehen: „Durch die Anregung von Sauerstoff- und Stickstoffatomen in Höhen zwischen 100 und 1000 Kilometern.“ Je nachdem, welches Atom in welcher Höhe angeregt wird, entstehen die verschiedenen Farben – Rot stammt beispielsweise von Sauerstoffatomen in einer Höhe von etwa 200 Kilometern.
Ein starker Sonnensturm, der auf die Erde trifft, kann auch Schäden an der irdischen Infrastruktur verursachen. Das ist am vergangenen Wochenende jedoch nicht passiert. „Der Sonnensturm war ideal für Polarlichter, aber hat keine extremen Parameter erreicht wie im Oktober 2003“, sagt Bothmer. „Die Sonnenstürme waren bei der Sonne langsamer und weniger energetisch.“ Die „Starlink“-Satelliten von SpaceX, die für das Internet auf der Erde sorgen und dafür relativ niedrig im Erdorbit unterwegs sind, hatten jedoch mit dem Sonnensturm zu kämpfen.
Gefahr durch Sonnenstürme
Würde ein Sonnensturm mit der Stärke des „Carrington-Ereignisses“, das im Oktober 1859 die Erde getroffen hat, die Erde heute treffen, wären die Auswirkungen gewaltig. 2013 hat ein Forschungsteam untersucht, welche Folgen ein „Carrington-Ereignis“ auf das damals aktuelle Stromnetz in den UA haben würde. Die Antwort ist erschreckend: 20 bis 40 Millionen Menschen wären bis zu zwei Jahre ohne Strom, die ökonomischen Kosten allein in den USA würden sich auf bis zu 2,6 Billionen US-Dollar summieren.
Starker Sonnensturm könnte auf der Erde für Probleme sorgen
Könnte ein heftiger Sonnensturm wie das „Carrington-Ereignis“ im Jahr 1859 in der Zukunft die Erde treffen und große Schäden an Stromnetzen oder der Internet-Infrastruktur verursachen? Bothmer betrachtet die Angelegenheit wissenschaftlich: „Dies ist möglich, setzt aber bestimmte Bedingungen voraus, zum Beispiel auch die Jahreszeit Frühjahr oder Herbst, da dann die Erdmagnetfeldachse senkrecht zum anströmenden Sonnenwind orientiert ist.“ (tab)