Fast ein Drittel der Deutschen geht Teilzeitarbeit nach. Eine Commerzbank-Managerin findet das zu viel. Die Wirtschaft sucht nach Lösungen.
Berlin – Das Thema Arbeitszeit gilt innerhalb der deutschen Wirtschaft als Dauerbrenner. Erst im April hatte zum Beispiel die FDP-Fraktion gefordert, die Steueranreize für Überstunden zu verbessern – Deutschland müsse mehr arbeiten. Vonseiten des Ifo-Instituts hieß es, dass sich Mehrarbeit nicht ausreichend lohne: Laut dem Wirtschaftsforscher Clemens Fuest betreffe das sowohl Bürgergeldempfänger als auch Menschen mit mittlerem und kleinerem Einkommen. Zuletzt hatte sich eine Managerin der Commerzbank in die Debatte eingemischt – und den hohen Anteil der Teilzeitarbeit in Deutschland angeprangert.
Commerzbank-Expertin fordert Abkehr von Teilzeitarbeit – „Echt daneben“
„Wir müssen uns in der DACH-Region von der Teilzeitkultur wieder lösen.“ Mit dieser Aussage hatte Sabine Mlnarsky, Personalchefin der Commerzbank, bereits im Mai im Karrierenetzwerk LinkedIn für Debatten gesorgt. In diesem Beitrag diskutierte sie weiterhin die wichtigsten Botschaften eines Auftritts bei der Wiener Bankenkonferenz. Unter anderem ging es dabei um Strategien gegen den Fachkräftemangel, um qualifizierten Zuzug und Ausbildung sowie Umschulungen.
Außerdem forderte Mlnarsky niedrigere Teilzeitquoten in Deutschland, Österreich und der Schweiz – also die Länder, die zusammen die DACH-Region bilden. „30 Prozent der Beschäftigten in Teilzeit – das ist einfach zu viel.“ Dem Handelsblatt zufolge hatte das auch in Chatgruppen von Beschäftigten der Commerzbank für Kritik gesorgt. Eine Betriebsrätin habe dazu gesagt: „Das ist so unglaublich aus der Zeit gefallene 90er-Jahre-Leistung-muss-sich-lohnen-Rhetorik – echt daneben.“ Andere wiesen auf die Ansprüche der jungen Generation an die Work-Life-Balance hin.
Ein Drittel in Teilzeitarbeit – EU hängt Deutschland bei der Arbeit ab
Tatsächlich hatten Zahlen der europäischen Statistikagentur Eurostat gezeigt, dass Deutschland im europäischen Vergleich keinesfalls das Land der Arbeit ist, als das es sich darstellt. Im Jahr 2022 lag die durchschnittliche Wochenarbeitszeit innerhalb der Bundesrepublik bei 34,7 Stunden. Zehn Jahre vorher waren es noch 35,5 Stunden gewesen. EU-weit lag die durchschnittliche Wochenarbeitszeit bei etwa 37 Stunden pro Woche – also weit über dem deutschen Schnitt.
Und – wie es die Commerzbank-Expertin sagte – liegt das vorrangig an der hohen Teilzeitarbeitsquote. Zwischen 2011 und 2022 stieg diese Quote in der EU von 18,3 Prozent auf 18,5 Prozent an. In Deutschland, so belegten Zahlen des Statistischen Bundesamts, hatten im Jahr 2023 rund 31 Prozent aller Angestellten in Teilzeit gearbeitet. Gegenüber 2022 bedeutete das einen Anstieg um 1,0 Prozent. „Im europäischen Vergleich arbeiten in Deutschland vergleichsweise viel mehr Menschen in Teilzeit. Das verzerrt das Ergebnis“, zitierte der WDR dazu Holger Schäfer, einen Ökonomen des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW).
Dabei sind es vor allem Frauen, die – mitunter aus dem Grund, sich um Kinder kümmern zu müssen – in Teilzeitarbeit gehen.
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„Enormer Wohlstandsverlust“ wegen Teilzeitarbeit – Muss eine Trendwende bei der Arbeitszeit her?
Innerhalb der Wirtschaft steht derzeit die Frage im Raum, wie sich der Trend wieder umkehren ließe. Unter anderem hatte Michael Kretschmer, Sachsens Ministerpräsident, gefordert, eine 40-Stunden-Woche für alle einzuführen, um das Wachstum zu steigern. „Es war ein Fehler, dass wir Möglichkeiten wie die Teilzeit von der Ausnahme zur rechtlich abgesicherten Regel erklärt haben“, zitierte das Handelsblatt. Teilzeit müsse eine Ausnahme sein, nicht die Regel. Michael Hüther, Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), hatte in der Welt vor einem „enormen Wohlstandsverlust“ und einem überforderten Rentensystem gewarnt, „wenn nicht zügig gegengesteuert wird“.
Andere wollen noch einen Schritt weiter gehen. „Wir brauchen eine Erhöhung der Arbeitszeit, wenn wir die Arbeitskräfteknappheiten infolge des demografischen Wandels kompensieren wollen“, erklärte der Arbeitsmarktökonom Holger Schäfer gegenüber BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sprach sich bereits für eine Sechs-Tage-Woche aus.
„Dies lässt sich allerdings nicht seitens der Politik verordnen“, räumte Schäfer ein. Das Arbeitszeitgesetz erlaube es jetzt schon, dass Arbeitnehmer entsprechende Vereinbarungen mit ihren Arbeitgebern treffen. Die Unternehmen müssten demnach entsprechende Anreize bieten.
Mitarbeiter müssten nach Teilzeitarbeit wieder in Vollzeit wechseln
Abschließend müssten Arbeitgeber auch darauf achten, dass ihre Mitarbeiter, die vorher in Teilzeit gearbeitet haben, wieder in Vollzeitarbeit wechseln, sobald sie können. Zum Beispiel, wenn ein Kind groß genug ist, dass es nicht dieselbe intensive Behandlung benötigt – kurz gesagt, wenn der auslösende Faktor für den Wechsel in Teilzeitarbeit entfällt. Mlnarsky gab an, dass Arbeitgeber stärker „in den Austausch mit Mitarbeitern gehen“ müssten, um „über ihre zukünftige Arbeitszeitplanung zu sprechen“.