„Erhebliche Gefahr“ für die Sicherheit: Deutschland verweigert Zusage zur Herstellung europäischer Brennstäbe
Ein neues Gutachten stellt die Argumente der Gegner von Europas Atom-Idee infrage. Kommen bald deutsche Brennstäbe?
Frankfurt – Seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine wird zunehmend über die Abhängigkeit von russischer Energie diskutiert. So ganz kann sich der Westen von Russland nicht trennen, auch bei der Atomenergie wird es kritisch. Denn Russland beliefert weiterhin 19 Atomkraftwerke in der EU mit Brennelementen. Mehrere Länder erwägen nun eine alternative Produktion in Deutschland.
Europa möchte deutsche Brennstäbe – Kooperation mit russischem Staatskonzern nötig
Auch nach dem russischen Angriff auf die Ukraine laufen Geschäfte mit Russland weiter. So fließt nach wie vor russisches Erdgas in die EU, auch wenn das bis 2027 vorbei sein soll.
Ähnlich sieht es bei Nuklearbrennstoffen aus: 19 Atomkraftwerke in der EU sind auf russische Brennelemente angewiesen. Länder wie Bulgarien, Tschechien, Ungarn, die Slowakei und Finnland beziehen diese von Rosatom, berichtet die Welt. Demnach hat Atomstrom in Tschechien und Bulgarien einen Anteil von über 30 Prozent, in der Slowakei sind es über 50 Prozent. Ohne Rosatom könnten diese Länder ihre Energieversorgung nicht aufrechterhalten.
Die Firma Advanced Nuclear Fuels (ANF) plant, in Zukunft Brennelemente für osteuropäische Atomkraftwerke sowjetischer Bauart herzustellen, um diese von russischen Lieferungen unabhängiger zu machen, berichtet Focus Online. Der französische Mutterkonzern Framatome strebt dafür eine Kooperation mit einer Tochterfirma des russischen Staatskonzerns Rosatom an.
Europa ist von Russland abhängig: Plan zur Fertigung von Brennelementen russischen Typs
Aus diesem Grund hat sich unter der Führung des französischen Nuklearkonzerns Framatome das Save-Konsortium gebildet, dem 17 Partner, hauptsächlich AKW-Bauer und Betreiber aus sieben EU-Staaten sowie die Ukraine, angehören. Ihr Ziel ist es, in der deutschen Stadt Lingen eine Fertigung von Brennelementen russischen Typs aufzubauen. Rosatom hatte dafür die Lizenzfertigung zugestimmt.

Russischer Staatskonzern genehmigt Lizenz – Deutschland gibt keine Genehmigung raus
Doch das Projekt in Lingen stockt. Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne) befürchtet offenbar, dass die Lizenzfertigung die Abhängigkeit von Russland verstärken könnte. Deshalb bleibt unklar, wann eine Genehmigung erfolgen wird, obwohl der Antrag von Framatome bereits vor 27 Monaten eingereicht wurde.
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Christian Meyer äußerte Bedenken hinsichtlich der Zusammenarbeit mit dem russischen Staatskonzern Rosatom. „Sabotage, Spionage, die Möglichkeit des massiven Einflusses auf eine systemrelevante europäische Atomindustrie muss jederzeit ausgeschlossen sein. Und dafür sind wir im engen Kontakt mit dem Bund“, erklärt Meyer im NDR. „Ich kann nur davor warnen, dass man es zulässt, dass Russland hier in die Brennelement-Produktion einsteigt und man damit Abhängigkeiten verfestigt statt vermindert.“
Framatome wartet auf Genehmigung – Gutachten bestätigt Kritik von Umweltminister Meyer
Der Atomrechtsexperte Gerhard Roller von der Fachhochschule Bingen lieferte dem Bundesumweltministerium (BMUV) ein Gutachten, nach dem die Rosatom-Beteiligung eine Gefahr für „die innere und äußere Sicherheit“ bedeuten könne, berichtet die Welt. Die Genehmigungsbehörde in Person des Umweltministers Meyer könne daher die Genehmigung untersagen.
„Das Roller-Gutachten im Auftrag des BMUV bestätigt uns in der Einschätzung, dass die enge Kooperation mit Putins Atomkonzern Rosatom eine erhebliche Gefahr für die innere und äußere Sicherheit in Europa darstellen kann“, sagt Meyer. „Das Roller-Gutachten ist daher ein bedeutender Gegenstand in dem laufenden Genehmigungsverfahren.“
Entwarnung vom Experten: Unternehmen könnte auch ohne staatliche Genehmigung starten
Die Grundlage der Sorge des Umweltministeriums sei die Annahme, dass Rosatom-Mitarbeiter Zugang zu der Fabrik in Lingen hätten. Das dementiert Standortleiter, Andreas Hoff, jedoch sofort. „Kein Rosatom-Mitarbeiter braucht Zutritt zu unserem Betriebsgelände, und das bleibt auch in Zukunft so“, sagt er.
Zudem hat sich der Verwaltungsrechtsexperte Wolfgang Ewer das Gutachten näher angeschaut und gibt jetzt Entwarnung, heißt es in dem Bericht. Dieser war offenbar oft als Gutachter für das atomkritische Bundesumweltministerium im Einsatz, stellt sich jetzt aber auf die Seite von Framatome. Ein Rückschlag für Umweltminister Meyer. Wenn alle Kriterien des Atomgesetzes erfüllt seien, habe das Unternehmen einen Rechtsanspruch auf die staatliche Genehmigung.