Gazastreifen ist für die Presse der gefährlichste Ort der Welt – FR-Titelseite ist heute schwarz
„Wenn die israelische Armee weiter so viele Medienschaffende in Gaza tötet, wird bald niemand mehr von dort für Sie berichten können.“
Vor genau einer Woche wurde im Gazastreifen die Fotografin Mariam Dagga (33) vom israelischen Militär getötet. Sie war Mitarbeiterin der Nachrichtenagentur AP und der Zeitung „The Independent“, Mutter eines zwölfjährigen Sohns. Mit ihr starben bei dem Angriff auf das Nasser-Krankenhaus in Chan Yunis vier weitere Journalisten: Moaz Abu Taha, NBC-Korrespondent, Hussam al-Masri, freier Fotograf für die Agentur Reuters, und Mohammed Salama vom Sender Al-Dschasira. Am Abend des gleichen Tages erlag Ahmed Abu Aziz, der für lokale Medien gearbeitet hatte, seinen Verletzungen.
Für Journalistinnen und Journalisten ist der Gazastreifen derzeit der gefährlichste Ort der Welt. In dem Krieg, den Israel dort seit dem Hamas-Massaker am 7. Oktober 2023 führt, wurden bislang nach konservativen Schätzungen mindestens 200 Medienschaffende getötet.
Wie viele von ihnen unmittelbar bei der Arbeit ihr Leben verloren oder sogar vom israelischen Militär gezielt getötet wurden, obwohl sie durch ihre Westen mit der Aufschrift „Press“ als Medienleute erkennbar waren, diese Frage lässt sich nur schwer beantworten. Geschätzt dürften es mehrere Dutzend sein. Es sind viele, und es werden immer mehr.
Die Titelseite der Frankfurter Rundschau ist deshalb heute schwarz. Wir machen mit bei der Aktion „Media Blackout“, an der sich weltweit mehr als 150 Medien beteiligen. Indem sie Zeitungsseiten schwärzen und schwarze Banner über ihre Webseiten ziehen.
Initiiert haben das die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ und die gemeinnützige Bewegung Avaaz. Das Schwarz soll die Aussage unterstreichen: „Wenn die israelische Armee weiter so viele Medienschaffende in Gaza tötet, wird bald niemand mehr von dort für Sie berichten können.“
Die palästinensischen Reporterinnen und Reporter brauchen unsere Solidarität. Jetzt. Denn ihre Leben sind auch durch die Hungersnot in Gaza bedroht. Seit Wochen berichten große Medienhäuser aus vielen Teilen der Welt, wie sehr sie sich um ihre palästinensischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sorgen. Um die vielen, die mittlerweile zu schwach und zu krank sind, um weiter für ihre internationalen Auftraggeber zu arbeiten.
Wir glauben den Beteuerungen der israelischen Regierung und Armee nicht mehr, sie hielten sich an die völkerrechtliche Verpflichtung zum Schutz von Medien und klärten die Todesfälle auf. Wir geben uns nicht damit zufrieden, dass Israels Premier Benjamin Netanjahu das „tragische Unglück am Nasser-Krankenhaus bedauert“.
Wir vermissen die versprochenen Beweise für die Behauptung, der Mitte August getötete Journalist Anas al-Sharif sei ein Hamas-Kämpfer gewesen. Bei dem gezielten Luftangriff in Gaza-Stadt auf ein Zelt für Journalistinnen und Journalisten wurden fünf Mitarbeiter von Al-Jazeera getötet.
Wir sehen stattdessen: Israel erschwert massiv eine Berichterstattung über die Gräuel des Gazakriegs. Deshalb fordern wir mit den anderen Unterstützern der „Media Blackout“-Aktion die israelische Regierung auf, der internationalen Presse endlich einen unabhängigen Zugang zum Gazastreifen zu gewähren.
Wir sind nicht naiv: Dies ist der x-te Appell. Und dennoch ist er wichtig. Denn jede internationale Aktion verstärkt den Druck auf die israelische Regierung. Weil sie weiß: Die Welt schaut hin.
Karin Dalka und Michael Bayer
FR-Chefredaktion
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