Ausland - Ukraine: Vorsichtig optimistisch nach Dschidda

Saudi-Arabien ist zu dem Vermittlungsort geworden, an dem die USA und die Ukraine nach dem Streit zwischen den Präsidenten Donald Trump und Wolodymyr Selenskyj ihren Dialog wieder aufnehmen und sich auf Positionen einigen konnten, um Frieden in der Ukraine zu erreichen. Die ganze Welt hatte ihre Aufmerksamkeit auf diese Verhandlungen gerichtet.

Zu den Errungenschaften, die die ukrainische Seite hervorhebt, gehört die Wiederaufnahme der US-amerikanischen Militärhilfe und des Austauschs geheimdienstlicher Informationen. Die Ukraine stimmte dem amerikanischen Vorschlag für eine vorübergehende 30-tägige Waffenruhe zu, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass auch Russland dieser einvernehmlich zustimmt. 

Ursprünglich hatte die Ukraine zunächst eine Waffenruhe nur auf See und in der Luft vorgeschlagen.

„Waffenruhe ist in keiner Weise ein eingefrorener Konflikt“

„Das Gespräch beinhaltete aber einen Vorschlag der amerikanischen Seite, sofort zu versuchen, einen vollständigen Waffenstillstand für 30 Tage zu erreichen, nicht nur in Bezug auf Raketen, Drohnen und Bomben, nicht nur im Schwarzen Meer, sondern entlang der gesamten Frontlinie“, erklärte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer Videobotschaft im Anschluss an die Gespräche in Dschidda: „Die Ukraine akzeptiert diesen Vorschlag, wir halten das für positiv und sind zu seinem solchen Schritt bereit. Die USA müssen nun Russland davon überzeugen.“

Der ukrainische Außenminister Andrij Sybiha, der an den Verhandlungen in Dschidda teilgenommen hatte, versicherte, dass es sich bei einer solchen vorübergehenden Waffenruhe „in keiner Weise um einen eingefrorenen Konflikt“ handele. „Dies ist lediglich ein Versuch, den Weg zu einer gerechten Beendigung des Krieges zu ebnen. Es ist auch ein Schritt, der zeigt, wer wirklich an Frieden interessiert ist“, schrieb er auf Facebook.

Ukraine wollte den Ball in der Diplomatie auf russische Seite spielen

Auch Vertreter der ukrainischen Opposition begrüßen den erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen in Dschidda. „Amerika und die Trump-Administration sind auf unserer Seite. Man muss mit ihnen den Dialog nur richtig führen“, schrieb Oleksij Hontscharenko, Abgeordneter der Partei „Europäische Solidarität“ im ukrainischen Parlament, auf Telegram. Er äußerte die Hoffnung, dass die ukrainische Führung weiterhin eng mit den USA kommunizieren wird.

Laut Aljona Hetmantschuk, der Leiterin des ukrainischen Forschungszentrums „New Europe Center“, hatte das ukrainische Verhandlungsteam in Saudi-Arabien zwei grundlegende Aufgaben: so überzeugend wie möglich zu zeigen, dass nicht die Ukraine, sondern Russland ein Hindernis für den Frieden darstellt, und den Ball in der Diplomatie jetzt auf die russische Seite des Feldes zu spielen.

„Die Berichte über die Wiederaufnahme der militärischen Unterstützung und des geheimdienstlichen Informationsaustauschs deuten darauf hin, dass es der ukrainischen Delegation gelungen ist, beide Aufgaben zu erfüllen“, schreibt die Expertin, die auch für den US-amerikanischen „Atlantic Council“ tätig ist, auf Facebook.

„Es gibt allen Grund, die Verhandlungen in Saudi-Arabien für die ukrainische Seite als erfolgreich zu betrachten"

Dmytro Lewus, Direktor des Sozialforschungszentrums „Ukrainischer Meridian“, glaubt, „dass es eine Rolle gespielt hat, dass die Ukraine eigene Initiativen eingebracht hat und ihr Vorschlag für eine Waffenruhe mit den europäischen Partnern übereinstimmt. Die eher harte Haltung Europas, die die Generalstabschefs bei ihrem Treffen in Paris bezüglich einer Friedensmission zum Ausdruck gebracht haben, hat die ukrainische Position in den Verhandlungen gestärkt“, sagt Lewus im Gespräch mit der Deutsche Welle.

Die Ergebnisse der Verhandlungen zwischen den USA und der Ukraine in Saudi-Arabien hätten die optimistischsten Erwartungen übertroffen, meint der Direktor des ukrainischen Zentrums für politische Forschung „Penta“, Wolodymyr Fesenko.

„Es gibt allen Grund, die Verhandlungen in Saudi-Arabien für die ukrainische Seite als erfolgreich zu betrachten, insbesondere weil sich die alarmierenden Befürchtungen bisher nicht bestätigt haben, die Amerikaner könnten uns zu einem Frieden zu russischen Bedingungen drängen“, so Fesenko.

Oleksij Haran von der Kiewer Petro-Mohyla-Akademie schließt nicht aus, dass Russland einer vorübergehenden Waffenruhe zustimmen könnte. In weiteren Verhandlungen würde Russland jedoch nicht von seinen Forderungen abrücken, was die Annexion der besetzten ukrainischen Gebiete betrifft, fürchtet der Politikwissenschaftler. Die USA könnten den Forderungen de facto zustimmen, ohne sie jedoch de jure zu Protokoll zu geben.

„Trump wird dann sagen: 'Oh, wir haben einen Waffenstillstand erreicht.' Danach könnte er die Sanktionen gegen Russland lockern und den Weg für einige russisch-amerikanische Wirtschaftsabkommen ebnen“, so Haran gegenüber der Deutschen Welle.

"Putin wartet einfach darauf, dass Trump seine Trümpfe zugunsten Russlands aufgibt“

Gleichzeitig schließt er nicht aus, dass der russische Präsident Wladimir Putin jedes Waffenruhe-Abkommen sabotieren könnte, indem er die Umsetzung von Versprechen einfach verzögert. Er könnte aber auch versuchen, Donald Trump mit der Gefahr eines „Atomkriegs“ einzuschüchtern und zu erpressen.

„Trump hat sich selbst in Zugzwang gebracht, indem er versprochen hat, dem Krieg schnell ein Ende zu setzen. Das muss er erreichen. Putin hingegen wird von niemandem gedrängt, er wartet einfach darauf, dass Trump seine Trümpfe zugunsten Russlands aufgibt“, sagt der Experte.

Adaption aus dem Ukrainischen: Markian Ostaptschuk

Von Lilia Rzheutska

Das Original zu diesem Beitrag "Ukraine: Vorsichtig optimistisch nach Dschidda" stammt von Deutsche Welle.