„Einer muss den Kopf oben halten“: Bürgermeister Proske kündigt erneute Kandidatur an

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„Es braucht es einen Bürgermeister, der auch in schwierigen Lagen den Kopf oben hält und auch sich auch traut, unpopuläre Entscheidungen zu verantworten“. Ulrich Proske (53) in seinem Amtszimmer im Rathaus. © Kees

Ulrich Proske ist seit 2020 Bürgermeister der Stadt Ebersberg. Wir sprachen mit dem 53-Jährigen, der keiner Partei angehört, übers Geld, Großprojekte und seine politische Zukunft.

Ebersberg hat ein schwieriges Jahr hinter sich, was die Finanzlage angeht. Anfang des Jahres hieß es, die Stadt sei pleite. Dann wurde im Haushalt gestrichen und die Stadt war plötzlich weniger pleite. Wie steht es um die Kreisstadt.

Auch 2024 wird nicht besser werden. Wir stehen wieder vor der Aufgabe, einen erheblichen Betrag im Verwaltungshaushalt „einzusparen“. Auch die Ausgaben im Vermögenshaushalt müssen deutlich gesenkt werden. Viele Dinge sind erledigt oder werden in den nächsten Wochen erledigt. Meilensteine haben wir hinter uns gebracht, die zwar die Verschuldung in der Höhe treiben, aber etwas hinterlassen, das die nächsten Jahrzehnte Bestand hat.

Wie viel fehlt in Ebersberg?

Den letzten Haushaltsansatz haben wir um 243 000 Euro unterschritten. Das ist nicht so gravierend. Aber den nächsten Haushalt wieder hinzubekommen, ist ein hartes Stück Arbeit, weil wir viel einsparen müssen. Das bedeutet, dass manche Dinge schlicht nicht getan werden können, gestrichen oder gestreckt werden müssen. Und wir wissen: Alles, was gestrichen, gestreckt oder auf die Warteliste gesetzt wird, wird in Zukunft nicht billiger.

Was ist denn bisher gestrichen worden? Nennen Sie doch ein Beispiel.

Der Straßenunterhalt etwa wurde dieses Jahr komplett gestrichen. Kein Euro ist in irgendeine Straßenunterhaltsmaßnahme geflossen. Das kann man vielleicht ein Jahr so machen, aber auf gar keinen Fall länger.

Sie sprechen von Meilensteinen, die etwas hinterlassen für die nächsten Jahrzehnte. Welche?

Wir haben auch Sachen gemacht, die nicht viel Geld gekostet haben. Etwa mit dem Achter-Rat die Beteiligung von Jugendlichen und Kindern an der Demokratie gefördert. Die Kinderversammlung war wirklich ein wichtiger Meilenstein, der die jungen Ebersberger der Demokratie beteiligt hat. Davon haben wir vielleicht erst in ein paar Jahren etwas, wenn das Interesse geweckt wurde, sich für Ziele einzusetzen, sich später in irgendeiner Partei in Ebersberg zu engagieren oder vielleicht sogar dem Stadtrat zur Verfügung zu stehen. Es gibt aber auch Dinge in Ebersberg, die viel Geld kosten, etwa die Sanierung des Hallenbades oder die Neubau- und Sanierungsarbeiten am Waldsportpark. Der Waldsportpark ist ein unglaubliches Magnetfeld. Der TSV Ebersberg hat eine enorme Mitgliederzunahme, von 750 Mitgliedern im letzten Jahr auf derzeit 2650 Mitglieder. Das ist ein Mitglieder-Rekord, der natürlich auch mit dem neuen Gebäude zusammenhängt, durch das der TSV sein Portfolio erweitern konnte.

Die Sanierung des Waldsportparks mit dem Neubau des Kabinentrakts ist aber deutlich teurer geworden als geplant.

Stimmt, das ist teurer geworden, hat am Ende 5,3 Millionen Euro gekostet. Aber wir haben es hinbekommen und keine Bauruine hinterlassen, weil die Baukosten davongaloppiert sind.

Es gibt ja noch ein paar andere Großprojekte in Ebersberg.

Ja, der Schulhausbau in Oberndorf zum Beispiel. Das ist auch ein Meilenstein: der neue Kindergarten, die neue Krippe, das Schulhaus saniert und neu gebaut und dann zukünftig die neue Turnhalle in Oberndorf, das alles wird die Schullandschaft auf alle Fälle bereichern.

Dann haben wir noch die Dauerbaustelle Hallenbad.

Das Hallenbad wird eine Augenweide. Was nur noch fehlt, ist das Lüftungsgerät auf dem Dach. Dessen Installation hängt vom Wetter ab. Wenn es trocken bleibt und der Innenausbau wie geplant im Januar abgeschlossen wird, steht einer Inbetriebnahme im ersten Quartal nichts im Weg.

Der Stadtkämmerer hat mal gesagt, wenn es so weiter geht, dann kann Ebersberg nur noch die Zinsen seiner Schulden bezahlen.

Ja. Wenn wir unsere Pflichtaufgaben erledigen, bleibt für vieles andere nicht mehr viel übrig.

Der Schuldenstand der Stadt wird 2026 bei ungefähr 50 Millionen Euro liegen, im Moment liegt er bei ungefähr der Hälfte. Eine düstere Perspektive?

Irgendwann bedient man tatsächlich nur noch Zins und Zinseszins und zahlt nichts mehr zurück. Deshalb müssen wir mit den Kosten, mit den Standards runter. Wie beim Ausweichkinderhaus für die Kintertagesstätte St. Sebastian in der Ringstraße Der wird – ich möchte nicht sagen spartanisch – aber aufgrund von einer Modulbauweise ein sehr einfacher Bau. Bei allem, was wir in Zukunft bauen, müssen wir in diese Richtung denken.

Es gibt Pflichtaufgaben, die erfüllt werden müssen. Und sicher kann man sagen, man baut einfach, damit es billiger wird. Es kostet aber trotzdem Geld – das eben fehlt. Die Schulden werden immer größer.

Ja, das ist ein Riesenspagat. Wir müssen schauen, dass wir mehr Einnahmen generieren. Da gibt es durchaus die eine oder andere Möglichkeit, etwa dass die Gewerbesteuerumlage erhöht wird. Dagegen wehren wir uns zwar noch, weil es für das Gewerbe nicht so toll wäre, aber am Ende des Tages ist das vielleicht ein Mittel.

Das heißt, die Steuern gehen hoch?

Womöglich. Bei uns kommt der Verlust einer Firma hinzu, die in die Nachbarstadt abgewandert ist. Allein diese Gewerbesteuereinnahmen waren hervorragend. Um das zu kompensieren, bräuchten wir eine ähnliche Firma, die aber nicht in Sicht ist. Außerdem ist der Platz nicht da, weil die Grundstücksverfügbarkeit in den letzten Jahrzehnten nicht forciert wurde. Es fehlt an Grundstücken, die man bebauen könnte. Deshalb werden wir ein kleines Gewerbegebiet in Langwied entwickeln. Das ist aber nur ein kleines Gewerbegebiet und es braucht dort vermutlich viele, viele kleine Betriebe, bis man den großen Gewerbesteuerzahler wieder kompensiert hat.

Die Pflichtaufgaben sind eigentlich schon zu teuer. Wie geht es mit den freiwilligen Leistungen weiter?

Wir unterstützen die vorhandene Kultur in ziemlich großen Umfang. Das wollte man mal so haben, und das ist auch absolut in Ordnung. Dahinter stehe ich. Denn: Wenn man heute keine Kulturlandschaft mehr hat, keine Kunstlandschaft, keine Vereinslandschaft, dann wird es ganz ekelhaft, dann wird die Gesellschaft stumpf. Und dann lebt man nicht mehr gern in Ebersberg. Dann wird Ebersberg grau. Also müssen wir den Spagat irgendwie hinbekommen. Da muss man sich oft an einen Tisch setzen und überlegen, wem man noch etwas wegnehmen kann, ohne dass alles zum Erliegen kommt.

Wo streicht man also?

Das kann ich noch nicht sagen. Ich bin gespannt, was uns der Konsolidierungsberater rät. Wahrscheinlich wird er sagen, alles, was es an freiwilligen Leistungen gibt, muss weg, gnadenlos. Wir könnten jetzt etwa den Gebäudeunterhalt fürs alte kino nicht mehr zahlen oder für den Alten Speicher. Aber stellen Sie sich mal vor, das alte Kino müsste für die Baulast aufkommen – das geht doch nicht. Zum Glück müssen wir den Spielbetrieb nicht subventionieren. Aber die Gebäude gehören uns und um die müssen wir uns kümmern. Sonst wäre das das Ende.

Da könnte man natürlich spitz fragen: Waren die großen Vorhaben, die die Stadt umgesetzt hat, wirklich notwendig? Braucht es ein Hallenbad? Es gibt andere Kommunen, die überlegen ihr Hallenbad zu schließen.

Bei uns ist das Hallenbad ein Teil des Schulsports. Wenn wir sagen würden, wir bauen kein Hallenbad mehr, hätten wir eine Turnhalle bauen müssen. Man kann allerdings fragen, warum das so lange gedauert hat, bis man es angegangen ist. Das Hallenbad ist ja schon seit 20 Jahren Thema. Das ein oder andere könnte seit zehn Jahren erledigt sein. Und jetzt sind wir in eine Hochpreisphase gerutscht.

Bedeutet die schwierige Finanzlage, dass es keine großen Projekte mehr geben wird? Wie ist die Perspektive?

Die Perspektive ist: einfach die Kosten über viele Jahre so gering wie möglich zu halten, die Ausgaben auf das Allernotwendigste zu beschränken, sodass man gerade noch atmen kann und dann durch die magere Jahre kommt, bis sich die Gewerbesteuer vielleicht wieder erhöht hat, bis neues Gewerbe wirksam wird; das dauert ja auch ein paar Jahre, das ist nicht gleich der Fall.

Also keine großen Projekte mehr?

Wenn ich übernächstes Jahr ein Feuerwehrhaus bauen müsste, dann würde mir schlecht werden. Das ist nicht möglich. Das nicht vorhandene Geld müssen wir hernehmen, um unsere Pflichtaufgaben zu erfüllen. Wozu natürlich auch die Feuerwehr zählt.

Und dann ist auch noch das Dach der Schulturnhalle undicht.

Wie viel Geld uns das am Ende des Tages kosten wird, wissen wir noch nicht, weil das im Klageverfahren entschieden wird. D.h., um nicht auf den ganzen Kosten sitzen zu bleiben, war es wichtig, dass wir den Klageweg, das Verfahren eingehalten haben, dass wir nicht eingegriffen haben. Das ist hart, wenn man weiß, dass es hineinregnet. Aber wir sind nicht schuld, sondern die ausführenden Firmen und eine schlechte Planung.

Das heißt, da bleibt mit viel Glück nichts an der Stadt hängen?

Das kommt alles erst noch raus. Wahrscheinlich wird es ungefähr eine Million Euro kosten. Und davon müssen wir so viel wie möglich zurück klagen.

Wann sind die finanziell schwierigen Zeiten vorbei?

Ich hoffe, dass es ab 2030 wieder aufwärtsgeht. Dann haben wir den ein oder anderen Kredit abbezahlt, uns hoffentlich Strategien überlegt, wie wir die Ausgaben bestmöglich unter Kontrolle halten und haben zusätzliches Gewerbe gewonnen.

Wo sehen Sie neben all diesen Schwierigkeiten eigentlich an positive Entwicklung? Etwa bei Windkraft?

Windkraft müssen wir weiter stark unterstützen und fördern. Das machen wir auch. Gut auf dem Weg gebracht haben wir etwa die Anlage in Pollmoos, indem wir den Flächennutzungsplan geändert haben. Dann die Konzentrationsflächen nördlich von Ebersberg. Da sind wir in guten Gesprächen, dass es weitergeht. Was ich mir nicht vorstellen kann, weil das nicht unser Kerngeschäft ist, dass wir selbst ein Windrad bauen. Das ist nicht unser Ding. Was uns außerdem beschäftigt, sind Maßnahmen zur Klimafolgenanpassung. Darum müssen wir uns kümmern, ob mit schlechter oder ohne schlechte Haushaltslage. Wir müssen uns bemühen, dass mehr Verschattung kommt, dass wir mehr Ruhebänke haben, dass vielleicht die eine oder andere Trinkwasserquelle installiert wird, neben dem Marktplatz, neben dem Klostersee, dem Waldsportpark oder unseren Schulen. Dann müssen wir die Bevölkerung noch besser auf die Klimafolgen, etwa Starkwind- oder Starkregenereignisse, vorbereiten, sodass sie sich besser selbst helfen können.

Mit welchem Gefühl gehen Sie ins nächste Jahr?

Trotz aller Schwierigkeiten mit einem guten Gefühl. Wir werden wenig Geld zur Verfügung haben und trotzdem wird es weitergehen. Es wird wieder schöne Zeiten geben nächstes Jahr in Ebersberg und es wird vielleicht ein paar dunkele Seiten geben. Aber nur weil das Geld nicht mehr reicht, heißt es nicht, dass man zum Leben aufhören muss. Wir sollten den Kopf nicht in den Sand stecken.

Kandidieren Sie 2026 erneut für das Amt des Bürgermeisters?

Ja, schließlich braucht es einen Bürgermeister, der auch in schwierigen Lagen den Kopf oben hält und auch sich auch traut, unpopuläre Entscheidungen zu verantworten. Und es gibt noch viel zu erledigen, wie Platz für Wohnungen zu schaffen.

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