Wrack an Wrack bis zum Schluss – Nachschub für Putins blutige Panzer-Taktik
Wrack an Wrack bis zum Schluss – Nachschub für Putins blutige Panzer-Taktik
Sie schießen schlechter, manövrieren behäbiger und brennen schneller – Russlands Panzer-Bestände werden immer wieder modernisiert. Die Masse macht‘s.
Moskau – „Wladimir Putin hat bereits T-14 Armata Kampfpanzer bestellt, nun lässt er noch einmal 3000 T-80 komplett modernisieren. Fragt sich nur: Was will Moskau mit so vielen Panzern?“ Vor acht Jahren hatte der Stern lang und breit über diese Frage sinniert; inzwischen ist die Antwort klar. Im Ukraine-Krieg schmelzen die Bestände an Kampfpanzern von Russlands Invasionsarmee rasend schnell zusammen. Und der T-80 scheint weiterhin als Arbeitspferd der russischen Armee zu gelten. Deshalb wird er jetzt wiederum modernisiert, wie das Magazin militarywatch berichtet.
Beim russischen Überfall auf die Ukraine setzten sowohl die Armee Russlands wie auch die ukrainischen Streitkräfte den T-80 ein – beide Gegner greifen schließlich auf die Bestände der ehemaligen Sowjetarmee zurück. Laut der Statistik-Plattform Oryx haben die Streitkräfte Russlands zum Februar 2024 mindestens 755 T-80 und die ukrainischen Streitkräfte mindestens 55 T-80 verloren. Der T-80 ist ein Kampfpanzer, der zeitgleich mit dem deutschen Leopard 2 und dem amerikanischen M1 Abrams entwickelt und hergestellt wurde. Während westliche Länder auf die Produktion von nur einem Hauptkampfpanzer fokussierten, bot die damalige Sowjetunion in den 1980er-Jahren gleich drei Panzermodelle, die parallel gefertigt wurden: den T-64, den T-72 (als späteren T-90) und den T-80.
Jetzt bedeutet der Oldtimer offenbar die Zukunft für Wladimir Putins Ambitionen in Europa. Ein besonders hoher Anteil der T-80 befand sich auf Halde, als die Feindseligkeiten zwischen Russland und der Ukraine im Februar 2022 zu einem Krieg empor flammten; die hohen Betriebskosten veranlassten den Kreml dazu, T-72 und T-90 aufgrund ihrer deutlich geringeren Kosten für den Einsatz vorzuziehen. Der T-80 besticht durch sein Gasturbinen-Triebwerk, womit er vergleichbar wird zum amerikanischen Abrams, und dessen bauartbedingten Problemen, zum Beispiel seinen exorbitanten Durst.
Wirtschaftliche Überlegung: Oldtimer-Panzer reparieren, statt neue zu bauen
Diesen günstigeren Panzern fehlt jedoch die zusätzliche Mobilität und hohe Eignung für extreme Klimazonen, die der T-80 aufgrund der Verwendung eines Gasturbinentriebwerks bietet. Der T-80 funktioniert auch bei niedrigeren Temperaturen zuverlässiger. Insofern hat er längst wieder Konjunktur. Die aufgerüsteten T-80BVM-Panzer haben eine verbesserte reaktive Panzerung erhalten, die der Besatzung eine längere Überlebensfähigkeit ermöglichen soll.
Oldtimer gezielt zu modernisieren hält der Stern für typisch für die russische Rüstung und führt als Grund die Kosten an: Für den Bruchteil des Geldes einer Neukonstruktion werden die Alteisen auf einen modernen Stand gebracht. Allerdings hinken die runderneuerten alten Modelle qualitativ immer hinter einer neuen Konstruktion wie dem T-14 Armata hinterher. Russische Medien hatten jüngst berichtet, der Rüstungskonzern Omsktransmash habe eine neue Charge von T-80BVM-Panzern an die Truppen übergeben. Die aufgerüsteten T-80BVM-Panzer haben eine verbesserte reaktive Panzerung erhalten, um die Besatzung besser zu schützen. Darüber hinaus verlassen die Panzer das Gelände des „Omsker Verkehrstechnikwerks“ mit einem zusätzlichen Turmschutzmodul.
Technische Verbesserung: T-80-Turm steckt in einem Käfig als Schutz vor Drohnen
Die auffälligste Neuerung der neuesten Modernisierung des T-80 ist auch tatsächlich dieser große Metallkäfig über dem Turm, der vor Drohnen und von oben angreifende Anti-Panzer-Raketen wirksam schützen soll. Das Dach dieses Käfigs ist beim modernisierten T-80 noch zusätzlich mit einer Reaktivpanzerung versehen. Diese schleudert auftreffenden Projektilen eine Metallplatte entgegen, um den Wirkstrahl des Projektils abzulenken.
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Der zügige Vormarsch der russischen Panzereinheiten am Ende des ersten Kriegsjahres zwang die russische Führung zum Handeln –einerseits, um den Anforderungen der ukrainischen Front gerecht zu werden, andererseits um sich gegen die herangeführten Kräfte aus den Beständen der West-Armeen zu behaupten: Die Depots der russischen Armee liefen langsam leer. Diese älteren Fahrzeuge wurden dann mit Feuerleitsystemen, einer stärkeren Panzerung und mit einer Bewaffnung des 21. Jahrhunderts modernisiert, was immer noch zu wenig war angesichts der russischen Verluste durch die ukrainische Gegenoffensive.
Sie sind in ihren neuesten Versionen aber immer noch sehr viel weniger modern als alle Westpanzer, weil die russische Panzer-Doktrin eine gänzlich andere ist: Russische Panzer sind weniger beweglich im Gelände, sie treffen schlechter und sie sind verletzlicher – dennoch geht die russische Führung davon aus, dass selbst horrende Verluste an einzelnen Fahrzeugen, den Sieg des Panzerverbands nie gefährden könnten.
Strategische Überlegung: Eine Panzerarmee wie zu Sowjetzeiten
Bei den drei größten russischen Rüstungskonzerne, Uralwagonsawod, Omsktransmasch und Kurganmaschsawod, läuft die Produktion inzwischen längst wieder rund, wie verschiedene Medien berichten. Allein im vergangenen Jahr habe das Werk Kurganmaschsawod 1.000 neue Mitarbeiter eingestellt, zuletzt weitere 1.200, wie der Stern schreibt. In Kurganmaschsawod werden Schützenpanzer wie das Modell BMP-3M gebaut, nach Angabe russischer Medien angeblich mehrere Hundert Fahrzeuge im Jahr.
Kampfpanzer baut das Rüstungsunternehmen Uralwagonsawod (zu Deutsch „Ural Waggonwerk“) – von dort rollen Modelle der Typen T-72, heran, daneben T-80, T-90 und T-14 Armata. Bei Omsktransmash werden inzwischen keine Panzer mehr neu gebaut, teilte der Konzern kürzlich mich, sondern ältere Kampfpanzermodelle vom Typ T-80 modernisiert und repariert. Erst im März verganenen kündigte Putin die Produktion von 1.600 neuen Panzern an. Laut bulgarischen Militärbeobachtern versucht Russland auf Biegen und Brechen zum sowjetischen Konzept einer Flotte von vielen Tausend Panzern zurückzukehren. „Daraus lassen sich mehrere wichtige Schlussfolgerungen ziehen, wie zum Beispiel: Aufgrund des Krieges mit der Ukraine ist die russische Produktion derzeit nicht in der Lage, den Bedarf an Panzern für die russische Armee zu decken“, behaupten die Bulgaren.
Der britische Geheimdienst mag diese Vermutung bestätigen – deren Informationen zufolge ist Russlands Industrie in der Lage, jeden Monat mindestens 100 Kampfpanzer zu produzieren. Damit werden die derzeitigen Verluste kompensiert. Denn den Russen sei es im Vergleich zum ersten Kriegsjahr 2022 gelungen, ihre Verluste an Panzern deutlich zu reduzieren, so die Briten auf X (vormals Twitter). Ihre düstere Schlussfolgerung lautet laut dem Stern: Die jüngsten Offensiven hätten den Russen zwar nur geringe Gewinne am Boden eingebracht, aber sie können „dieses Niveau an offensiven Tätigkeiten in der vorhersehbaren Zukunft weiter fortsetzen“.
Politisches Missgeschick: Finnlands Nato-Beitritt verschlechtert Putins Lage deutlich
Insgesamt verfügt die russische Armee laut dem Global Firepower Index über fast 3.500 T-80-Panzer in seinen verschiedenen Modell-Ausführungen. Grund für die vermeintliche Aufrüstung beziehungsweise das Bemühen um den status quo könnte auch der Beitritt Finnlands sein und die damit für Wladimir Putin eingetretene eklatante Verschlechterung seiner Lage gegenüber der Nato –die Grenze zwischen beiden Systemen ist jetzt um 1.300 Kilometer gewachsen. Verschiedene Medien spielen mit der Vermutung, inwieweit Russland die T-80-Produktion wieder aufgenommen hab, um militärisch in der Region Murmansk, nördlich des Polarkreises, einsatzbereit zu sein – entweder, um eine potenzielle Nato-Aggression abwehren zu können, oder um die für die Sicherheit Russlands als existenziell notwendig empfundene Neutralität Finnlands militärisch wieder zu erzwingen.
Dazu könnte der T-80 einen entscheidenden Beitrag leisten. Seine Gasturbine startet auch zuverlässig bei extremen Minusgraden, ein Charakteristikum, dass er den in anderen T-80 zum Teil ebenfalls verbauten Diesel-Aggregaten voraus hat. Die technischen Aspekte zwischen den Panzermodellen seien für Erfolg oder Scheitern tatsächlich letztendlich aber eher nebensächlich, sagt Ralf Raths; der Historiker leitet das Deutsche Panzermuseum in Munster.
„Die unterschiedlichen russischen Panzermodelle gehören im Kern alle zu einer Familie und sind jeweils lediglich punktuell weiter entwickelt worden. Und da beide Seiten gleiches oder zumindest ähnliches Material verwenden, ist der menschliche Faktor sehr viel entscheidender: Ausbildung der Besatzung, Führung des Verbandes und Moral der gesamten Truppe“, sagt er.
Russlands Offizielle hatten sich deshalb in ihrer Rhetorik zu Beginn des Krieges arg verhoben – spätestens als die Westmächte ihre Kampfpanzer an die Front schickten. „Diese Panzer werden brennen wie alle übrigen“, geiferte der Kremlsprecher Dmitri Peskow. Darin hatte er sich schwer getäuscht. Das Gegenteil ist der Fall, Russlands Panzertruppe endete Wrack an Wrack. Dafür braucht Wladimir Putin die vielen Panzer, das ist die Antwort für de Stern. Mit acht Jahren Verzögerung.