Ukrainer führen ZDF stolz Leopard-1-Panzer vor – doch dem fehlt so einiges

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Das ZDF bekommt in der Ukraine exklusive Einblicke in einen deutschen Leopard-1-Panzer. Der „Leo“ ist aber nicht nur innen verrostet. Es gibt gleich mehrere Makel.

Kiew – Der Ukraine-Krieg ist längst eine Schlacht der Bilder geworden. Während die ukrainischen Streitkräfte die Riesen-Explosion von zwei russischen Raketenwerfern präsentieren, verbreiten russische Militärblogger ein Video, wonach die Truppen Moskaus die ehemalige Kokserei in Awdijiwka eingenommen haben.

Während bei der Münchner Sicherheitskonferenz (Siko) vom 16. bis 18. Februar auch über weitere Militärhilfen beraten wird, ist der akute Munitionsmangel der Ukraine ein offenes Geheimnis – was auf dem Schlachtfeld freilich Russland in die Karten spielt. Daher bemüht sich Kiew offenkundig um positive Bilder.

Deutsche Leopard 1 für die Ukraine: ZDF-Team inspiziert Panzer bei Charkiw

So durfte sich ein Reporterteam des „heute journal“ des ZDF bei Charkiw einen gelieferten deutschen Leopard-1-Kampfpanzer anschauen, und das sogar im Inneren. Doch allen Durchhalteparolen der Soldaten zum Trotz weist zumindest dieser eine Panzer auf den zweiten Blick erhebliche Mängel auf.

Ein deutscher Leopard-1-Panzer bei Charkiw in der Ukraine.
Ein deutscher Leopard-1-Panzer bei Charkiw in der Ukraine. © Screenshot ZDF-Mediathek/heute journal

Waffen-Lieferungen für die Ukraine: Leopard-1-Panzer weisen mehrere Makel auf

Geradezu verheerend: In einer Bildsequenz ist zu sehen, wie der „Leo“ 1 regelrecht blank dasteht, wenn die Besatzung den Turm des 42,5-Tonnen-Koloss samt der 120-mm-Glattrohrkanone nach hinten dreht. Denn: Dann tut sich zwischen Turm und der Wanne an der Stelle eine Riesen-Lücke auf, wo der Turm im Gefecht gedreht wird.

Hier gibt es zumindest bei diesem Leopard-1-Panzer keinerlei Schutzvorkehrungen vor Panzerabwehrlenkwaffen und -granaten wie der alten RPG-7-Panzerbüchse, die zwar schon in den 1960er Jahren in der Sowjetunion entwickelt wurde. Die sich aber in den aktuellen Kämpfen auf beiden Seiten als nach wie vor sehr wirkungsvoll erwiesen hat.

Bietet viel Angriffsfläche: der deutsche Leopard 1 in der Ukraine.
Bietet viel Angriffsfläche: der deutsche Leopard 1 in der Ukraine. © Screenshot ZDF-Mediathek/heute journal

Westliche Panzer der Ukrainer: Russische Lancet-Drohne macht Probleme

Vor allem die russische Lancet-Kamikaze-Drohne, eine sogenannte „lauernde Waffe“, macht derweil den ukrainischen Panzer-Besatzungen das Leben schwer. Ob nun in amerikanischen M1-Abrams-Kampfpanzern oder den moderneren deutschen Leopard-2-Panzern.

Soldaten beider Seiten haben reihenweise Kacheln reaktiver Panzerung an ihren jeweiligen Panzern angebracht, um sich gegen die Gefahr der FPV-Kamikaze-Drohnen zu schützen. Doch auch diese mit Sprengstoff beschichteten Platten, die Drohnen und Geschosse mittels einer Gegenexplosion unschädlich machen sollen, fehlen bei dem gezeigten „Leo“ 1 gänzlich. Weil sie von den Ukrainern erst nach der Wartung der Panzer in Deutschland in Eigenregie angebracht werden?

Bradleys, Leopard 2, M1 Abrams: Ukrainer versehen Panzer mit Zusatzpanzerung

Ukrainische Soldaten hatten etlichen Fotos und Videos zufolge zumindest M2-Bradley-Schützenpanzer, M1 Abrams und „Leos“ 2 mit derlei Schutzvorkehrungen versehen. Schließlich wissen sie um die große Gefahr für Leib und Leben. „Die Russische Föderation hat viel Personal zusammengezogen. Mit einer großen Anzahl an Menschen versuchen sie, die ukrainischen Positionen zu stürmen“, erklärte Panzerfahrer Oleksandr dem ZDF. Armee-Kollege Andrij meinte: „Wir schlagen sie entweder zurück, oder wir werden nicht mehr weiter existieren. Es gibt keinen dritten Weg.“

In der ukrainischen Rüstungsindustrie, die seit Frühjahr 2022 stetig wächst, werden indes serienmäßig Gitter und Käfige an den schlagkräftigen BTR4-Mannschaftstransportern mit ihren 30-mm-Maschinenkanonen angebracht. Auch dieser Schutz gegen Panzerabwehrgranaten und Drohnen fehlt jedoch beim abgebildeten Leopard 1 komplett, der stattdessen (noch) ohne Tarnung in Olivgrün durch die weiße Winterlandschaft fährt.

Blick in einen deutschen Leopard-1-Panzer der ukrainischen Armee. An manchen Stellen fehlt sprichwörtlich der Lack.
Blick in einen deutschen Leopard-1-Panzer der ukrainischen Armee. An manchen Stellen fehlt sprichwörtlich der Lack. © Screenshot ZDF-Mediathek/heute journal

Leopard-1-Panzer für die Ukraine: Deutschland wollte viel mehr geliefert haben

Der letzte, vielleicht markanteste Makel: Das Bundesverteidigungsministerium wollte Kiew bis Ende 2023 eigentlich 80 alte Leopard 1 bereitstellen. Wie die Übersicht über militärische Unterstützungsleistungen der Bundesrepublik Deutschland für die Ukraine zeigt (Stand 16. Februar), waren bis Mitte Februar aber gerade mal 30 Stück geliefert. Zumindest wird demnach an den Voraussetzungen für die Lieferung von 105 weiteren Kampfpanzern Leopard 1A5 und 30 Schützenpanzern Marder gearbeitet.

Deutschland hatte den ukrainischen Streitkräften seit Frühjahr 2023 auch 90 Marder und 18 Leopard-2A6-Kampfpanzer geliefert, von denen die meisten aber mittlerweile in einem Reparatur-Hub in Litauen stehen sollen. Die Leopard-1-Panzer aus alten Industrie- und Bundeswehrbeständen werden vom Rüstungskonzern Rheinmetall aufbereitet und saniert. (pm)

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