„Eiserner Engel“: Leopard-2 der Ukraine zieht brennenden T-72-Panzer aus Beschuss heraus
Lob für die Soldaten und Imagepflege für deutsche Technik: Video preist Panzer-Crew der Ukraine, die mit ihrem Leopard einen T-72 aus Beschuss zieht.
Kiew – „Leider ist festzustellen, dass nur noch eine sehr geringe Zahl der gelieferten Kampfpanzer von der Ukraine eingesetzt werden kann“, sagte Sebastian Schäfer. Anfang dieses Jahres notierte das Nachrichtenmagazin Spiegel die Beschwerde des Grünen-Politikers über unzureichende Reparatur-Kapazitäten für die in den Ukraine-Krieg entsandten Leopard-Panzer aus Nato-Beständen. Klagen und Häme begleiteten das Rüstungsgut von den ersten Einsätzen an bis heute: schwerfällig, anfällig, ineffektiv sei er – jetzt scheint der Panzer doch seinen Wert bewiesen zu haben; als „eiserner Engel“.
„Einzigartiges Filmmaterial“ verspricht das Magazin Defense Express in Bezug auf eine Drohnen-Aufnahme auf Telegram, die zeigt, wie ein Leopard 2-Panzer unter Beschuss und bereits mit einem kapitalen Treffer am Turm einen ukrainischen T-72-Panzer aus einem Feuergefecht heraus bugsiert. Damit scheint die westliche Rüstungstechnik wieder ein wenig Reputation zurückgewonnen zu haben. Doch im Krieg bewirkten allein „verbundene Waffen“ die Steigerung der Fähigkeit der Streitkräfte; das heißt, alle verschiedenen Waffen seien taktisch und operativ zu synchronisieren, um den Kampf zu gewinnen, schreibt Gustav C. Gressel.
Ukraine-Krieg macht klar: Auch Russland kann es sich nicht leisten, Panzer zu „verbrauchen“
„In der Geschichte der Kriegsführung konnte ein einzelnes Waffensystem nie eine entscheidende Rolle spielen, die das Spiel verändert“, so der Militär-Analyst des Thinktank European Resilience Initiative Center (ERIC). Die Qualität des Materials und der Mannschaften spiegele sich im Verbund ihrer individuellen Spezialisierungen. Allein das würde, so Gressel, die Chancen der Ukraine, das Kriegsglück zu wenden, dramatisch verbessern.
„Die technische Leistungsfähigkeit eines Panzers trägt nur die Hälfte zu seinem Kampfwert bei, die Qualität der Besatzung macht die andere Hälfte aus. Und hier ist die Ukraine weit vorne.“
Laut Ralf Raths habe sich in der Ukraine gezeigt, dass die handwerkliche Qualität der Panzerführung der Russen „abgründig schlecht ist“, wie er sagt. Das lasse die technischen Nachteile des Materials deutlicher werden: „Der russische Panzer ist gegenüber dem westlichen wesentlich rustikaler und kruder. In der Ukraine wird jetzt aber ganz klar, dass die russische Doktrin, die Panzer auch ,verbrauchen‘ zu können, weil man ja mehr davon hat, nicht mehr zu halten ist. Das Militär plant Verluste mit ein“, erläutert der Historiker und Direktor des Deutschen Panzermuseums auf seinem Youtube-Kanal. Allerdings müssten sich die Verluste in Grenzen halten. Für die Ukraine noch mehr als für Russland.
Einen Panzer abzuschleppen, sei den Russen unbekannt, wie er immer wieder betont – das widerspräche der russischen Doktrin des unbegrenzten Nachschubs an Mensch und Material. Die Besatzungen würden aus einem beschädigten oder zerstörten Panzer ausbooten und einfach in den nächsten umsteigen, sagt Raths. Russische Panzerbesatzungen gingen davon aus, dass die zurückgelassenen Fahrzeuge im Zuge des Vorrückens der Front wieder eingesammelt würden. Allerdings ist der Ukraine-Krieg ebenfalls einzigartig: Die Frontlinie in der Ukraine sei eine mehrere Kilometer tiefe Todeszone, erläutertet Analyst Gressel.
West-Panzer selten zu sehen: Leopard und Abrams wären in der Todeszone attraktive Ziele
Gepanzerte Fahrzeuge könnten diese Todeszone nur für kurze Zeit befahren. Sie müssten ihre Mission innerhalb von 15 bis 20 Minuten erfüllen und sich dann schnell zurückziehen. Andernfalls würden diese Fahrzeuge zum Ziel massiver Drohnenschwärme oder Artilleriefeuer. Das hatten die Besatzungen der West-Panzer auch erst lernen müssen, und deshalb machen sich diese Waffen inzwischen rar auf dem Gefechtsfeld. Gressel geht davon aus, dass ein us-amerikanischer M1 Abrams von mindestens einem, wenn nicht zwei anderen Panzern flankiert werden müsste und damit ein zu attraktives Ziel für die russische Artillerie biete.
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Der Panzer auf dem ukrainischen Schlachtfeld muss sich in eine neue Rolle hineinfinden, das antiquierte Kriegsgerät rasselt durch eine Transformationsphase – was beispielsweise der russische „Schildkrötenpanzer“ beweist. Die Panzer werden mit unverhältnismäßig großen und grob zusammengeschweißten Käfigen geschützt; damit sind sie zwar in ihrer Mobilität eingeschränkt, bieten aber genügend Abwehr-Feuer, um leichter gepanzerten Begleitfahrzeugen eine Offensive zu ermöglichen. Auch der Leopard 2 erwies sich in seiner gegen Panzerbeschuss optimierten Panzerung unzureichend vorbereitet auf Drohnen als künftige Gegner.
Selenskyj lässt seine Soldaten ehren: „Unsere Panzerfahrer sind wahre Helden!“
„Auf dem Schlachtfeld in der Ukraine herrscht ein ständiger Kampf zwischen Innovation und Gegeninnovation“, schreibt Gressel. Ihm zufolge entfiele der Sieg auf diejenige Seite, die neue Techniken mit konventioneller mechanisierter Kriegsführung zu synchronisieren verstehe, um auf dem Gefechtsfeld innovativ und flexibel agieren zu können – der Leopard wirkt da etwas antiquiert, aber offenbar hat die Ukraine aus der Not eine Tugend gemacht. „Unsere Panzerfahrer sind wahre Helden!“, sollen ukrainische Soldaten berichtet haben, wie Defense News über die aktuelle Rettungsaktion schreibt.
Gegenüber dem Ingenieurs-Fachblatt vdi Nachrichten erläuterte der deutsche Panzer-Experte Rolf Hilmes die Bedeutung von Menschen und Technik in einem so komplexen System wie einem Panzer: „Die technische Leistungsfähigkeit eines Panzers trägt nur die Hälfte zu seinem Kampfwert bei, die Qualität der Besatzung macht die andere Hälfte aus. Und hier ist die Ukraine weit vorne.“
Knappe Ressource: Ukraine hatte nie genug Fahrzeuge für die Bergung der Kampfpanzer
Aus Deutschland hatte die Ukraine 22 Bergepanzer (Armoured Recovery Vehicle oder ARV) auf Leopard 1-Fahrgestell sowie zwei Bergepanzer Büffel auf dem Fahrgestell des Leopard 2 erhalten, war aber schon lange selbst innovativ geworden, um ihre Panzerflotte vom Gefechtsfeld zu ziehen. Wie das Magazin Forbes berichtet hatte, war die Ukraine schon nach dem ersten Kriegsjahr dazu übergegangen, erbeutete russische T-62-Panzer in Werkstätten in der Ukraine zu Bergepanzern umzubauen. Das hätte sie dadurch erreicht, dass sie den rund acht Tonnen schweren Turm des Kampfpanzers abmontiert und durch eine Hochleistungswinde ersetzt habe, schreibt Forbes.
Allerdings bleibt fraglich, ob sie damit in Windeseile einen gleich schweren Panzer auch unter Beschuss aus feindlichem Feuer hätten bergen können. Auch hier hatte die ukrainische Armee nämlich von Beginn an improvisieren müssen: Laut Forbes-Autor David Axe hätte die Ukraine für ihren Verteidigungskampf und gegen ihre Verluste ursprünglich lediglich einen Berge- pro 25 Kampfpanzer gehabt. Die ukrainische Armee hatte ihm zufolge also nie genug ARV, um ihre eigenen Panzer zu bergen – ungeachtet der zusätzlich notwendig gewordenen Bergung der rund 2.800 russischen Fahrzeuge, die die Ukrainer bereits Anfang des zweiten Kriegsjahres erbeutet hatte.
Demütigung für Putin: Traktorfahrer wurden zum Bild des Widerstands des Landes
Mit den Worten von Analyst Gressel zu urteilen, resultiere die Fähigkeit zum Durchhalten für die Ukraine aus deren methodischer Arbeit an technischen Innovationen und taktischer Anpassung. Darüber hinaus können nur die Ukrainer, die diesen Krieg führen, beurteilen, in welche Richtung diese Innovations- und Anpassungsschritte führen werden. Die Ukrainer müssten, ihm zufolge, ständig innovativ sein, um ein Wettrüsten mit den Russen zu gewinnen. Einer der ersten Helden des Krieges sei somit Viktor Kychuk, der Berühmtheit erlangte, als der Krieg noch keinen Monat alt war, wie die Nachrichtenagentur Agence France Press berichtet hatte.
Das erste wahrnehmbare Zeichen der ukrainischen Unbeugsamkeit setzte der Landwirt am 1. März in Slatyne, einer 6.000 Einwohner zählenden Siedlung im Norden des Bezirks Charkiw. Nicht nur, dass er einen liegengebliebenen T-80-Kampfpanzer an den Haken seines Traktors nahm: „Kychuk schickte einen Clip von sich und seinen Freunden bei der Flucht mit dem Panzer an den regionalen Militärchef Wolodymyr Usow, der ihn auf Youtube hochlud, wo er viral ging“, wie das Magazin Voice of America (VOA) berichtete.
Seit Russlands Invasion in der Ukraine am 24. Februar zeigen die sozialen Medien regelmäßig Aufnahmen von russischen Panzern und anderen Militärfahrzeugen, die am Haken ukrainischer Landmaschinen hängen, wie VOA geschrieben hat: „Sie wurden schnell zu einem prägenden Bild des Widerstands des Landes.“