Fregatte „Hessen“: Experte über den bisher gefährlichsten Einsatz der Deutschen Marine

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Auf ihrer Mission im Roten Meer war die Besatzung der Fregatte „Hessen“ zwei Monate im Kriegsmarschzustand. Kein einfaches Unterfangen für die 240 Soldaten an Bord.

Hochtaunus - Das Rote Meer ist weit weg. Auch die TV-Nachrichten über den Bundeswehreinsatz der Fregatte „Hessen“ zwischen dem 8. Februar und dem 5. Mai haben die meisten Zuschauer weniger bewegt als die Kriege in der Ukraine und Nahost - obwohl es der erste Kampfeinsatz der Deutschen Marine seit ihrer Gründung 1956 war und der gefährlichste dazu.

Ungeachtet des Schiffsnamens stammten die wenigsten der 240 Soldatinnen und Soldaten an Bord aus Hessen; aus dem Hochtaunus gar niemand. „Tatsächlich mussten Spezialkräfte auch aus anderen Bereichen der Marine für den Einsatz am Horn von Afrika abgestellt werden“, erklärt Bernhard Kluge, Vorsitzender des „Freundeskreises Fregatte ,Hessen‘“ und verweist auf den Personalmangel auch bei der Bundeswehr. Die Anzahl der beteiligten Frauen sei relativ hoch gewesen. Auch als Vize habe der Kommandant eine Frau gehabt. „Die auf Flugabwehr spezialisierte Fregatte ist der Goldstandard der Flotte“, betont Kluge.

Direkten Draht zum Kapitän der Fregatte „Hessen“

Der Friedrichsdorfer, früherer Banker mit eigener Marine-Vergangenheit, hatte einen direkten Draht zum Kommandanten des Schiffes, Fregattenkapitän Volker Kübsch. Somit bekommt der gefährliche Einsatz eine direkte Verbindung in den Taunus.

Der Freundeskreis beschafft Dinge, die die Bundeswehr nicht zur Verfügung stellt und die den Aufenthalt an Bord ein bisschen komfortabler machen - Sportkleidung etwa und ein Satellitentelefon, mit dem die Soldaten zu Hause anrufen und persönliche Gespräche führen können, ohne abgehört zu werden. Dass es bei jedem Einsatz auch traurige Anlässe gibt, Trennungen oder Todesfälle, weiß der Vorsitzende.

Im Roten Meer durften die Soldaten an Bord der 143 Meter langen Fregatte nicht an Deck - bei der Einfahrt nach Wilhelmshaven wohl.
Im Roten Meer durften die Soldaten an Bord der 143 Meter langen Fregatte nicht an Deck - bei der Einfahrt nach Wilhelmshaven wohl. © tz

Kluge hat eine Art Tagebuch geschrieben mit den Ereignissen der 58 Einsatztage. Nachdem Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) die Fregatte Ende Februar auf Kreta in Richtung Rotes Meer verabschiedet hatte, begann für die Soldaten der Kriegsmarschzustand. Ihre Mission: Handelsschiffe im Roten Meer im Rahmen der EU-Mission „Aspides“ vor Angriffen der Huthi-Miliz schützen.

Fregatte „Hessen“ beschützte 27 Handelsschiffe

Die Rebellen feuerten Raketen und Drohnen auf Schiffe ab; am Ende werden die Deutschen 25 000 Seemeilen, davon 18 000 im Kriegsgebiet, zurückgelegt, 27 Handelsschiffe beschützt, zwei Flugdrohnen, einen Flugkörper und eine Überwasserdrohne erfolgreich bekämpft haben. Am 25. Februar kamen sie ins Kriegsgebiet, und bereits am 27. Februar bekamen sie es mit zwei Kamikazedrohnen zu tun.

Kriegsmarschzustand, das bedeutet, dass die Soldaten an Bord in zwei Schichten jeweils sechs Stunden Wache halten mussten. Kluge: „Das hieß: keine Decksbegehungen, Feuerschutz und eingeschränkte Schlafmöglichkeiten.“ Die andere Hälfte muss damit rechnen, jederzeit alle auch kurzfristig auftretenden Bedrohungen abzuwehren. Die Einsatzkräfte hockten zwei Monate lang auf Posten unter Deck, das Gesicht zum Teil verhüllt mit feuerfestem Stoff. „Schon kleinste Fehler können fatale Konsequenzen haben“, sagte Kommandant Kübsch in einem Interview.

Nur vier Mal durfte die Mannschaft der Fregatte „Hessen“ in Dschibuti von Deck

Kluge macht keinen Hehl daraus, dass er die derzeitige Bundespolitik für verbesserungswürdig hält. Als Folge der feministischen Außenpolitik von Annalena Baerbock (Grüne) habe die Fregatte nicht in Häfen in Saudi-Arabien und im Oman anlegen können. Feministische Außenpolitik nimmt den Standpunkt von Frauen ein und achtet stärker auf Menschen, die aufgrund ihrer Herkunft, Religion, Behinderung, sexuellen Identität oder aus anderen Gründen an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Die arabischen Länder, in denen Frauen wenig zu sagen haben, dürften sich kritisiert fühlen.

Für die „Hessen“ ging es daher in den weiter entfernten ostafrikanischen Staat Dschibuti - einen Hafen mit „null Erholungswert“, so Kluge. Ein Teil der Besatzung habe zumindest mal ein paar Stunden am Pool in einem Hotel in der Hauptstadt liegen oder in eine Shopping-Mall gehen und nach längerer Zeit mal wieder zehn Stunden am Stück schlafen können. Auch der Nachschub von Munition lief - offenbar mit einigen Unpünktlichkeiten - über Dschibuti. Das Material hatte die Deutsche Luftwaffe angeliefert.

Bernhard P. Kluge hat eine eigene maritime Vergangenheit.
Bernhard P. Kluge hat eine eigene maritime Vergangenheit. © tz

Dass der Bundesverteidigungsminister beim Empfang der Besatzung am 5. Mai nicht zugegen war, hat Kluge ebenfalls missfallen. 1000 Angehörige empfingen die Soldaten bei Schietwetter in Wilhelmshaven.

Und wo sind die 240 Einsatzkräfte jetzt? Manche, so Kluge, seien auf ihren bisherigen Stellungen innerhalb der Wehr zurück, andere auf Lehrgängen für die Marine. Manche machen aber auch erst einmal Urlaub. Im August soll die Fregatte „Hamburg“ die Mission im Roten Meer weiterführen.

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