Fachkräftemangel in Deutschland: Die richtigen Anreize könnten riesiges Arbeitskräftepotenzial heben
Viele Firmen haben zu wenig Personal. Eine Studie zeigt, wie durch geänderte Regeln Rentner, Eltern und Zugewanderte in Arbeit gebracht werden könnten.
Berlin – Viele Branchen der deutschen Wirtschaft werden durch Personalmangel stark belastet. Laut einer Umfrage des ifo-Instituts unter Personalleitern haben 54 Prozent der Betriebe, die aktiv auf der Suche sind, zu wenige Bewerber. Die Lage wird sich noch verschlimmern. Da künftig mehr Menschen in Rente, als neu auf den Arbeitsmarkt kommen, könnten laut einer Prognose des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) bis zum Jahr 2035 weitere sieben Millionen Fachkräfte verloren gehen.
Gegen den Fachkräftemangel in Deutschland: 3,4 Millionen zusätzliche Arbeitskräfte
Eine Studie der Wirtschaftsvereinigung der Grünen, die der WirtschaftsWoche vorliegt, macht Vorschläge, wie dem Fachkräftemangel begegnet werden kann. Demnach sollen durch die Änderung einzelner Regeln mehr Menschen in Arbeit gebracht werden. Im Fokus stehen Rentner und Rentnerinnen, Eltern mit Kindern und bereits Zugewanderte, aber auch Unternehmen. Zudem soll der gezielte Einsatz von Digitalisierung und Automatisierung die Menschen entlasten, damit sie anspruchsvollere Tätigkeiten ausüben können.

Laut der Studie könnten 3,4 Millionen zusätzliche Arbeitskräfte aktiviert werden, wenn Ältere und Frauen am Erwerbsleben teilnehmen würden. Diese würden die Zuwanderung von Fachkräften nicht ersetzen, sondern ergänzen. Die Älteren stellen dabei mit einem Potenzial von 2,4 Millionen Personen bis 2035 das größte Reservoir dar. Die Autoren der Studie beziehen sich dabei auf eine Studie des IAB.
Gegen den Fachkräftemangel in Deutschland: Frauen durch mehr Kinderbetreuung in Arbeit bringen
Um Rentnerinnen und Rentner zur Weiterarbeit zu motivieren, sollten sie von Sozialversicherungsbeiträgen befreit werden. Das würde das Nettoeinkommen erhöhen, ohne die Sozialkassen zu belasten. Unternehmen wiederum könnten durch den Wegfall des Kündigungsschutzes einen Anreiz erhalten, Personen aus dieser Gruppe einzustellen. Für Rentnerinnen und Rentner hätte dies keine Folgen, da sie nicht mehr arbeitslos werden können.
Eine zweite große Gruppe sind laut Studie Frauen, die mehr arbeiten wollen, aber keine ausreichende Kinderbetreuung finden. Die Zahl derer, die deshalb in Teilzeit oder gar nicht arbeiten, wird auf rund 800.000 geschätzt. Um dieses Arbeitskräftepotenzial zu erschließen, müsste die Kinderbetreuung in Kindertagesstätten durch mehr Erzieherinnen und Erzieher ausgebaut werden. Den dadurch entstehenden Kosten stünden zusätzliche Einkommen und Wirtschaftskraft in Höhe von 23 Milliarden Euro gegenüber.
Gegen den Fachkräftemangel in Deutschland: Fehlanreize bei Steuern und Abgaben beseitigen
Auch Fehlanreize bei Steuern und Abgaben müssen nach Ansicht der Wirtschaftsvereinigung der Grünen abgeschafft werden. Dazu gehöre das Ehegattensplitting, das dem geringer verdienenden Partner signalisiere, dass sich Erwerbsarbeit nicht lohne. Gleiches gelte für die kostenlose Mitversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung, die bei einem Verdienst wegfalle. Kritisiert wird auch die Verdienstgrenze bei Minijobs, die modernisiert werden müsse.
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Die dritte große Gruppe sind Zuwanderer, die bereits im Land sind, aber nicht arbeiten. Hier geht die Studie von 850.000 Menschen aus, davon 85 Prozent Frauen, die bis 2027 in Arbeit gebracht werden könnten. Dazu seien mehr Sprachkurse und Weiterbildung nötig. Auch Ausnahmen vom Mindestlohn seien denkbar, wenn Arbeitgeber in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter investierten.