Mehr Busse, mehr Geld: Landkreis investiert viel in ÖPNV
Der Landkreis investiert von Jahr zu Jahr mehr Geld in den ÖPNV. Das gefällt nicht jedem Kreisrat. Für Egling und Dietramszell wurde nun aber ein weitreichendes Projekt auf den Weg gebracht.
Bad Tölz-Wolfratshausen – Der Landkreis steckt Jahr für Jahr mehr in den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Wie viel mehr, das hatte Landratsamts-ÖPNV-Experte Matthias Schmid auf Antrag der CSU-Fraktion ausgerechnet. Das Ergebnis legte er dem Kreis-Infrastrukturausschuss vor. Bei der Prognose bis 2027 wurde der eine oder andere fast ein bisschen blass um die Nase. Kein Wunder also, dass es direkt im Anschluss beim Beschluss über den Ausbau des ÖPNV in Egling und Dietramszell drei Gegenstimmen gab.
2027 werden fast 12,7 Millionen Euro in den ÖPNV investiert
1,6 Millionen Euro steckte der Landkreis 2012 in den ÖPNV. Lange dümpelte der Betrag so vor sich hin. Ab 2019 stiegen die jährlichen Kosten an, neue Buslinien wurden beschlossen, andere verdichtet. Seit Ende 2023 gehört nun auch der Landkreis-Süden zum MVV. Heuer werden etwa 6,5 Millionen Euro in den ÖPNV fließen, 2027 werden es 12,7 Millionen Euro sein. „Wir haben aber auch eine Verdreifachung des Leistungsangebots. Das ist sehr beachtlich“, sagte Schmid.
Tölzer Bürgermeister befürchtet, „dass wir den Landkreis an die Wand fahren“
Ingo Mehner (CSU) wurde bei diesen Zahlen ganz anders. „Es kommt eine dramatische Haushaltssituation auf uns zu. Wir werden genau überlegen müssen, was wir uns leisten können“, sagte der Tölzer Bürgermeister. „Wenn wir jetzt nicht handeln, kann es sein, dass wir den Landkreis an die Wand fahren – und die eine oder andere Kommune gleich noch mit dazu“, warnte Mehner. Aber beim Ausbau des ÖPNV zu kürzen, sei extrem kurzsichtig, sagte Landrat Josef Niedermaier (FW). Ja, die Investitionen seien hoch, „aber die Gesellschaft bekommt auch sehr viel dafür“. Eine gute ÖPNV-Anbindung gerade auch von Unternehmen sei ein wesentlicher Standortfaktor. „Das ist die Grundlage dafür, wieder mehr Steuereinnahmen zu bekommen.“
Einnahmenverteilung aus dem Deutschlandticket muss gerechter werden
Dem Benediktbeurer Bürgermeister Anton Ortlieb (FW) wurde allerdings „auch ein bisschen anders“ bei den steigenden Ausgaben, wohl wissend, dass am Ende die Gemeinden das Ganze über die Kreisumlage mitfinanzieren. Er möchte aber nichts streichen, sondern den Hebel bei den Einnahmen ansetzen. Konkret geht es ihm um das Deutschlandticket. Das ist ein ewiges Ärgernis. Denn das Geld aus dem Verkauf bleibt beim jeweiligen Anbieter. Kauft jemand sein Ticket bei der Deutschen Bahn, streicht sie den gesamten Betrag ein – auch wenn der Kunde vielleicht die meiste Zeit mit Bussen im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen fährt. Hier pochen der MVV, aber auch viele Landräte schon lange auf ein gerechteres Verteilungssystem bei den Einnahmen. „Darauf sollten wir uns konzentrieren“, sagte Ortlieb.
Neues On-Demand-System für Egling und Dietramszell
Michael Häsch (CSU) plädierte dafür, einen genaueren Blick auf die Buslinien zu werfen und vielleicht den einen oder anderen Takt zu hinterfragen. Dagegen hat Jakob Koch (Grüne) nichts. Jetzt sei aber der falsche Zeitpunkt dafür, vieles sei im Aufbau, anderes brauche noch Zeit, um sich zu etablieren. „Wir brauchen jetzt den Mut, noch etwas weiterzugehen.“
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Weiterentwickeln will der Landkreis auf jeden Fall das ÖPNV-Angebot in Egling und Dietramszell. Das ist derzeit mäßig bis nicht vorhanden. Durch die vielen Ortsteile wäre eine Erschließung mit klassischen Linienbussen kaum möglich. Künftig soll den etwa 11 000 Einwohnern der beiden Gemeinden daher ein On-Demand-Service mit ganz flexibel buchbaren Fahrzeugen zur Verfügung stehen (siehe Kasten).
So funktioniert der Flex
So funktioniert das Flex-System: Der Fahrgast trägt in der MVV-App ein, wann und von wo nach wo er in Dietramszell oder Egling fahren möchte. Das System zeigt ihm an, wann das nächste Flex-Fahrzeug zur Verfügung steht und wo die nächste Haltestelle ist. Von Letzteren wird es 115 im gesamten Gebiet geben: Die bestehenden 61 Bushaltestellen werden um 54 „virtuelle Haltestellen“ ergänzt, die mit einem kleinen Flex-Schild markiert werden. Darüber hinaus werden drei Satellitenhaltstellen angesteuert: Die Bahnhöfe in Wolfratshausen und Holzkirchen, um die Anbindung an S-Bahn und BRB zu ermöglichen, sowie die Haltestelle „Am Stern“ in Geretsried, wo der X-Bus nach Bad Tölz hält. Genutzt werden kann der Flex montags bis freitags von 5 bis 22 Uhr, am Wochenende von 7 bis 22 Uhr. Gültig sind alle MVV-Tickets, außer das Kurzstreckenticket. Die Einzelfahrt im Flex kostet 4,10 Euro. Die Wartezeit auf ein Flex-Fahrzeug wird bei spontaner Bestellung etwa 30 Minuten betragen. Eventuell muss man den einen oder anderen kleinen Umweg in Kauf nehmen. Denn natürlich wird versucht, mehrere Passagiere auf einer Fahrt zu bündeln.
Flex kostet den Landkreis pro Jahr eine Million Euro
Rund eine Million Euro – Einnahmen nicht eingerechnet – würde das den Landkreis kosten. „Warum zahlen drei Städte ihren Stadtbus selbst und diese zwei Gemeinden nicht?“, fragte Mehner. Weil es eben kein Stadtbus sei, der zusätzlich zur Anbindung durch Regionalbusse bestehe, antwortete Schmid. Der Flex fahre durch zwei Gemeinden. „Und wir haben durchaus auch Regionalbuslinien, die nur zwei Gemeinden erschließen“, begründete Schmid, warum die Finanzierung durch den Landkreis legitim sei.
Häsch führte an, wie wichtig der Flex für Dietramszell sei. Lebensmittelhandel und Dienstleistungen verschwänden zunehmend aus dem Ort. Für ältere Menschen würden sie zunehmend unerreichbar. Hier könne der Flex helfen. „Es ist ein Riesengewinn für die Entwicklung“, sagte auch Niedermaier.
Einsparen bei Linienbussen sind möglich
Eglings Bürgermeister Hubert Oberhauser (FW) betont, dass die Gemeinden sich einbringen würden. „Wir könnten die Haltestellen in unsere Verantwortung nehmen, die Beschilderung bestellen und bezahlen.“ Zudem gebe es Einsparpotenzial bei anderen Linien, sagte Georg Riesch (FW). Das ist tatsächlich so, bestätigte Sachgebiets-Mitarbeiter Benedikt Bauer. So könnte man Linienbusse auf die Schülerverkehrszeiten reduzieren. Rund 337 000 Euro pro Jahr würde das sparen. Überzeugt waren dennoch nicht alle: Mehner, Ortlieb und Lydia Hofherr (CSU) stimmten gegen den Flex. Die Mehrheit war aber dafür. Sagt nun noch der Kreistag Ja, könnte der Flex ab 2027 fahren.