Skurrile Gerichtsverhandlung: Tölzer zeigt in Kneipe sein bestes Stück – „Hätte eine höhere Strafe beantragt“
Ein 52-jähriger Tölzer stand vor dem Amtsgericht Wolfratshausen. Er wurde wegen versuchter Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt.
Bad Tölz/Wolfratshausen – Ein Kneipenbesuch endete für einen 52-jährigen Tölzer im Juni vergangenen Jahres in der Ausnüchterungszelle. Neun Monate später fand die nächtliche Episode eine Fortsetzung vor dem Strafgericht am Amtsgericht Wolfratshausen, wo es zu einer etwas skurril anmutenden Verhandlung kam.
Skurrile Verhandlung: Angeklagter schweigt zunächst
Die Staatsanwaltschaft legte dem Mann Widerstand gegen zwei Vollstreckungsbeamte, versuchte Körperverletzung sowie Beleidigung in insgesamt fünf Fällen zur Last. Der Beschuldigte hatte zwar gegen den Strafbefehl, der nach dem Polizeieinsatz gegen ihn ergangen war, Einspruch eingelegt, weshalb es nun zur Gerichtsverhandlung kam – während der sprach der Angeklagte jedoch kein einziges Wort.
Mit der Frage „wollen Sie etwas sagen oder nicht?“ eröffnete Richter Helmut Berger die Verhandlung, als er die Personalien des 52-Jährigen abgleichen wollte. Der Angeklagte stand auf und ging stumm zum Richtertisch, wo er seinen Personalausweis vorzeigte. Dann setzte er sich wieder.
Formulierungen im Reichsbürger-Duktus gegenüber den Beamten
Der Staatsanwalt verlas die Anklageschrift: Am 24. Juni vorigen Jahres gegen 3.35 Uhr hatte der Wirt eines Lokals an der Badstraße die Polizei gerufen, weil ein Gast dort „sein bestes Stück“ herumgezeigt und bei einem Handgemenge das T-Shirt des Türstehers zerrissen habe. Als die Gesetzeshüter hinzukamen, habe sich der Gast geweigert, seine Personalien preiszugeben und im Gegenzug mit Formulierungen im Reichsbürger-Duktus von den Beamten verlangt, ihre Legitimation nachzuweisen.
Als er zur Polizeiinspektion gebracht werden sollte, habe der Mann sich gegen die Maßnahme gesperrt und die vier Beamten, die nötig waren, um ihn ins Auto zu verfrachten, als „Wichser“ bezeichnet und den Ausdruck „Arschlöcher“ hinterhergeschickt, als er am Morgen aus dem Gewahrsam entlassen wurde.
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Der Richter belehrte den Angeklagten, dass er zu den Vorwürfen etwas sagen könne, dazu aber nicht gezwungen sei. Der Mann auf der Anklagebank nahm seine Mütze vom Kopf, legte sie vor sich auf den Tisch, sagte aber weiterhin kein Wort.
„Ich hätte heute eine höhere Strafe beantragt“
Ein Polizist fasste vor Gericht den nächtlichen Einsatz noch einmal knapp zusammen. Der erheblich alkoholisierte Tölzer habe ihnen im Lokal erklärt, sie seien „keine Beamten und dürften keine Maßnahmen treffen“, berichtete der Zeuge. Er habe stattdessen im Auto auf dem Weg zur Wache den Hitlergruß gerufen und „mit der Militärpolizei sprechen“ wollen.
Zwei weitere Beamte und eine Polizistin bestätigten in der Verhandlung die Schilderungen ihres Kollegen. Der Angeklagte, dessen Einspruch gegen den Strafbefehl einen Tag zu spät beim Gericht eingegangen war, brachte noch immer kein Wort über die Lippen. Auch die Gelegenheit, zu begründen, warum er seinen Einspruch nicht fristgerecht eingereicht hatte, ließ er ungenutzt. „Deshalb beantrage ich den Einspruch als unzulässig zu verwerfen“, so der Staatsanwalt. „Das ist für den Angeklagten von Vorteil: Ich hätte heute eine höhere Strafe beantragt.“
Richter Berger entsprach dem Antrag. So bleibt es für den Tölzer bei der im Strafbefehl festgesetzten Strafe von 120 Tagessätzen zu je 40 Euro, insgesamt 4800 Euro. Gegen das Urteil kann der Mann noch Rechtsmittel einlegen. (rst)