„Schaden für Russlands Wirtschaft wird erheblich sein“ – EU-Minister stellen Putin an den Pranger

  1. Startseite
  2. Wirtschaft

Kommentare

Trotz erheblicher Sanktionen zeigt Russlands Wirtschaft sich resilient. So stellt es Wladimir Putin dar. EU-Minister klagen an, er verbreite „Lügen“.

Moskau – Mehrere Finanzminister der EU sind der Meinung, dass der Westen seine Sanktionen gegen Russland verschärfen sollte. Seit 2014 sind umfangreiche Sanktionen gegen Russland in Kraft, die von den westlichen Industrienationen verhängt wurden. Ihre Wirksamkeit wird jedoch oft kontrovers diskutiert und der Kreml behauptet wiederholt, der Westen hätte sich mit den Sanktionen übernommen. Die Finanzminister plädieren für eine stärkere Sanktionspolitik.

„Langfristiger Schaden“ für Russlands Wirtschaft – EU-Minister prangern an

Die Finanzminister der EU-Mitgliedstaaten stellen die Stärke der russischen Wirtschaft infrage. Ihrer Meinung nach ist die Wirtschaftslage Russlands nicht so positiv wie vom Kreml dargestellt. Wladimir Putin, der Präsident Russlands, „verbreitet Lügen“, so die Aussage von Finanzministern aus acht EU-Mitgliedstaaten gegenüber dem britischen Guardian. Jetzt fordern die Minister, dass diese „Lügen“ widerlegt werden. Sie sehen Anzeichen dafür, dass Putin die Wirtschaft in eine Richtung lenkt, die stark an die ehemalige UdSSR erinnert. Sie bezeichnen dies als „sowjetisiert“. Das zuletzt gemeldete Wirtschaftswachstum sei keineswegs zielführend, da die zugrundeliegende Quelle nicht nachhaltig sei.

Wladimir Putin am Lake Ladoga.
„Schaden für Russlands Wirtschaft wird erheblich sein“ – EU-Minister stellen Putin an den Pranger © IMAGO/Alexander Kazakov

Die Finanzminister kritisieren unter anderem die Enteignung privater Vermögenswerte zur Finanzierung öffentlicher Ausgaben, die „völlige Missachtung des sozialen und wirtschaftlichen Wohlergehens der Bevölkerung“ und eine Neuausrichtung der Wirtschaft auf den Ukraine-Krieg. „Wenn Putin auf diesem Weg bleibt, wird der langfristige Schaden für die russische Wirtschaft erheblich sein“, zitierte der Guardian die EU-Politiker. Sie fordern, dass die westlichen Demokratien die Sanktionen unbedingt verschärfen, da Russland im Falle eines Waffenstillstands einfach wieder aufrüsten würde, um einen zweiten Angriff auf Europa zu starten.

Die EU-Minister stellen klar, dass das Narrativ einer starken russischen Wirtschaft falsch ist und widerlegt werden muss. „Tatsächlich gibt es viele Anzeichen dafür, dass sich die russische Kriegswirtschaft verschlechtert. Die Sanktionen und andere Maßnahmen zur Schwächung der russischen Wirtschaft sind wirksam, aber es kann noch mehr getan werden. Wir müssen den Druck gegen Putins Regime weiter erhöhen und die Ukraine unterstützen“, erklärten sie. Unter den Unterzeichnern des Schreibens waren Minister aus verschiedenen nordischen Ländern, dem Baltikum und den Niederlanden.

Putin umgeht Sanktionen – und kann Russlands Wirtschaft damit leicht stützen

Die EU-Minister betonen jedoch auch, dass es wichtig ist, Putins Versuche, die Sanktionen zu umgehen, genau zu beobachten. Sie fordern eine schnelle Umsetzung der G7-Vereinbarung vom Juni, die Kredite in Höhe von bis zu 50 Milliarden Euro für die Ukraine vorsieht. Dabei sollen auch Gewinne aus den eingefrorenen russischen Vermögenswerten im Westen berücksichtigt werden. Russland hat kürzlich angekündigt, rechtliche Schritte wegen des sogenannten Diebstahls seiner Bargeldreserven einleiten zu wollen.

Laut dem Europäischen Rat sind in der EU und den G7-Ländern rund 300 Milliarden Euro an Geldern der russischen Zentralbank eingefroren. Estland war das erste Land, das einen Gesetzentwurf entwickelt hat, der die Beschlagnahme dieses Vermögens ermöglichen könnte.

„Jeden Tag bleibt Russland technologisch weiter zurück“ – Unter anderem bei LNG und KI

Seit 2022 wird in den sozialen Medien und in den Nachrichten verstärkt darüber diskutiert, ob Russland kurz vor dem wirtschaftlichen Ruin steht oder ob die Sanktionen Putin sogar stärken könnten. Während Russland versucht, den Westen von Letzterem zu überzeugen, hat die EU bereits frühzeitig kommuniziert, dass die Sanktionen langfristig angelegt sind und ihre Auswirkungen nicht sofort sichtbar werden.

Das Carnegie Russia Eurasia Center sieht einige wesentliche Unterschiede zur Sowjet-Wirtschaft, die Russland vergleichsweise widerstandsfähig machen. Erstens ist der Anteil der Kriegsmaschinerie an Russlands Wirtschaft noch nicht so hoch wie in der UdSSR, und zweitens war die Sowjetunion nie so offen für den Handel wie das heutige Russland. Was die westlichen Sanktionen jedoch erreichen, ist eine Vergrößerung der technologischen Kluft zwischen den Industrienationen und Russland.

„Jeden Tag wird Russlands Wirtschaft weniger wettbewerbsfähig“, so die Carnegie-Stiftung. „Jeden Tag bleibt Russland technologisch weiter zurück.“ Dies betreffe unter anderem Offshore-Energieprojekte, den Bau moderner Öltanker, LNG-Züge und Themen wie Künstliche Intelligenz und Quantencomputer. Langfristig sollen die Sanktionen das wirtschaftliche Potenzial Russlands drastisch einschränken.

Sanktionen schon nach Krim-Überfall – Um Russlands Wirtschaft zu beeinflussen

Bereits 2014 hatte der Westen Sanktionen gegen Russland verhängt, um die russische Wirtschaft zu beeinflussen. Nach der illegalen Annexion der Krim hatten westliche Industrienationen unter anderem Reisebeschränkungen verhängt, russisches Vermögen eingefroren und Geschäftsbeziehungen eingestellt.

Im Gegensatz zu den Sanktionen gegen Nordkorea und den Iran sollten die Sanktionen gegen Russland nicht dazu führen, dass Russland sich aus der Ukraine zurückzieht und die Krim zurückgibt. Stattdessen verfolgten sie laut dem Ökonomen Iikka Korhonen, der eine Analyse für das Ifo-Institut erstellt hatte, drei andere Ziele.

  • Die Sanktionen sollten verhindern, dass Russland militärisch weiter eskaliert.
  • Sie sollten klarmachen, dass ein Bruch internationaler Gesetze und europäischer Normen zu einem Bruch der normalen Beziehungen zum Gesetzbrüchigen führen würde.
  • Sie sollten Russland zur politischen Lösungsfindung führen, indem die Kosten für Russlands Verhalten sich verteuerten.

Auswirkungen auf Russlands Wirtschaft – Frühe Sanktionen konnten Krieg nicht stoppen

Das ifo Institut stellte 2019 fest, dass es schwierig sei, die direkten Auswirkungen der Sanktionen auf die russische Wirtschaft zu bestimmen, da viele Faktoren eine Rolle spielen. Verschiedene Modelle kamen zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen - ein Modell des Internationalen Währungsfonds (IWF) zeigte beispielsweise, dass die russische Wirtschaft ohne Sanktionen pro Jahr um 0,2 Prozent stärker gewachsen wäre.

Rückblickend ist jedoch klar, dass die früheren Sanktionen die russische Aggression nicht stoppen konnten. Trotz der Annexion konnte Putin durch die Außenpolitik der Großen Koalition relativ erfolgreiche Handelsbeziehungen mit Deutschland aufrechterhalten.

Westliche Sanktionen treffen Bankensektor – Wohlstandsfonds stützt Russlands Wirtschaft

Gleichzeitig hatten die Sanktionen jedoch einen „klaren negativen Einfluss“ auf den Wechselkurs des Rubels. Die Kaufkraft in Russland war gesunken. Darüber hinaus hatten die westlichen Länder bei russischen Unternehmen, die direkt von Sanktionen betroffen waren, verstärkte Personalabbau und ein höheres Risiko für den Bankrott festgestellt.

Ein weniger diskutierter Effekt der früheren Sanktionen war der Mangel an ausländischen Investoren im russischen Bankensektor. Viele internationale Banken hatten Bedenken geäußert, auf der Schwarzen Liste der USA zu landen, und hatten sich daher gegen Investitionen entschieden. Die Netto-Kapitalflüsse von Banken aus den sanktionierenden Ländern waren laut Korhonen pro Quartal um 700 Millionen US-Dollar stärker zurückgegangen als die Kapitalflüsse aus anderen Ländern.

Um die russische Wirtschaft zu stützen, hatte Wladimir Putin bereits den russischen Wohlstandsfonds angezapft, der bis 2026 aufgebraucht sein soll. Derzeit stützt die Kriegswirtschaft des Kreml das Wachstum, obwohl Experten weitgehend übereinstimmen, dass es sich dabei nicht um nachhaltiges Wachstum handelt.

Auch interessant

Kommentare